Einzelne Staaten oder Institutionen können Bedrohungen und Terror nicht im Alleingang bewältigen. Erst recht nicht, wenn es sich dabei um hybride Bedrohungen handelt. Diese vielschichtigen, diffusen Gefahren kennen keine Ländergrenzen. Ihre Absender sind oft unbekannt. Gegen solche Angriffe ist vor allem das gemeinsame Engagement demokratischer Staaten und Länder gefragt.
In modernen Konfliktszenarien setzen Angreifer auf eine Kombination aus klassischen Militäreinsätzen, wirtschaftlichem Druck und Cyberangriffen bis hin zu Propaganda in den Medien und sozialen Netzwerken. Dieses Vorgehen wird auch als „hybride Taktik“ oder „hybride Kriegsführung“ bezeichnet. Konkrete Beispiele dafür sind gezielte Falschinformationen und -meldungen in den Medien, Beeinflussung des Meinungsklimas und Wahlbeeinflussung in liberalen Demokratien und offenen Gesellschaften.
Netzwerke oder elektronische Verbindungen von Behörden, Verwaltungen, Krankenhäusern oder Universitäten werden gestört oder lahmgelegt, die Systeme der kritischen Infrastruktur, etwa von Bahnanlagen, Flughäfen oder Kraftwerken, angegriffen. Unterwasserkabel auf dem Meeresgrund werden von sogenannten „Schattenflotten“ feindlicher Mächte vorsätzlich durchtrennt. Drohnen spionieren Einrichtungen der Bundeswehr und verteidigungswichtige Infrastruktur aus. Flugzeuge dringen mit Vorsatz unerlaubt in den Luftraum der Bundesrepublik Deutschland ein, oft mit ausgeschaltetem Transponder, also ohne vorschriftsmäßige Kennung.
Ziel der Angreifer ist es, nicht nur Schaden anzurichten, sondern insbesondere Gesellschaften zu destabilisieren und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Offene pluralistische und demokratische Gesellschaften bieten dafür viel Angriffsfläche und sind somit leicht verwundbar. Insgesamt wird diese Situation durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine erheblich verschärft.
Das Besondere an der hybriden Kriegsführung ist die Verschleierungstaktik. Die Täter operieren entweder anonym oder bestreiten Beteiligungen an Vorfällen und Konflikten. Sie gehen dabei äußerst kreativ und koordiniert vor, ohne die Schwelle zu einem offiziellen Krieg zu überschreiten.
Eben dies macht die Abwehr solcher Attacken so schwierig: Wenn es keinen eindeutigen Angriff oder Angreifer gibt, fällt die Gegenwehr schwer. Unberechenbarkeit wird zur Waffe. Sind wir noch im Frieden oder befinden wir uns schon im Krieg?
Das Thema hybride Bedrohung wird ausdrücklich in dem sicherheitspolitischen Dachdokument der Bundesregierung, der ersten Nationalen Sicherheitsstrategie, benannt. Daraus leitet sich die Bedeutung dieses Themas ab. In der Nationalen Sicherheitsstrategie wird ausgeführt: „Wir leben in einem Zeitalter wachsender Multipolarität und zunehmender systemischer Rivalität. Wie wir bekennt sich die ganz überwiegende Zahl von Staaten zur Charta der Vereinten Nationen und einer freien internationalen Ordnung auf der Grundlage des Völkerrechts. Geprägt von ihrer Auffassung von systemischer Rivalität streben einige Staaten jedoch an, diese Ordnung zu untergraben und so ihre revisionistischen Vorstellungen von Einflusssphären durchzusetzen.“
Diese von Systemrivalitäten und Revisionismus getriebenen Staaten verstünden Menschen- und Freiheitsrechte und demokratische Teilhabe als Bedrohung ihrer Macht. Gegenüber anderen Staaten setzten sie im Rahmen hybrider Strategien zunehmend auch gezielte Angriffe auf deren Freiheit ein und versuchten, illegitimen Einfluss auf politische Prozesse, den öffentlichen Diskurs und Wahlen auszuüben.
Diesen vielfältigen Formen hybrider Bedrohungen muss Deutschland im Rahmen verstärkter internationaler Zusammenarbeit wirksam begegnen.Nationale Sicherheitsstrategie
Die Nationale Sicherheitsstrategie spricht von einer „komplexen Bedrohungslage“, welcher Gesellschaften ausgesetzt sind, die sich der wertebasierten Ordnung verpflichtet sähen. Dabei ist – gemäß dem erweiterten Sicherheitsbegriff – längst nicht nur von militärischen Bedrohungen die Rede: „Terrorismus, Extremismus, Organisierte Kriminalität und illegale Finanzflüsse nehmen zu, ebenso Cyberangriffe, die große Schäden verursachen und Risiken für Sicherheit und Stabilität bergen. Unsere Kritischen Infrastrukturen sind vermehrt das Ziel erheblicher Bedrohungen und Störungen.“ Eine gesicherte Versorgung mit Energieträgern und Rohstoffen sei daher gefährdet. Auch die internationalen Wirtschafts- und Finanzbeziehungen hätten eine sicherheitspolitische Dimension. Einseitige Abhängigkeiten könnten sich dabei zu sicherheitspolitischen Risiken entwickeln, heißt es in der Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung.
Für die Bundeswehr greifen die Verteidigungspolitischen Richtlinien 2023 den Aspekt hybride Bedrohung ebenfalls explizit auf, insbesondere im Hinblick auf die Landes- und Bündnisverteidigung: „Unser sicherheitspolitisches Umfeld erfordert eine konsequente Fokussierung der Bundeswehr auf die Landes- und Bündnisverteidigung im gesamtstaatlichen Kontext. Ihr Beitrag zur Gesamtverteidigung ist Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung und damit für den umfassenden Schutz der Bevölkerung in Krise, Krieg und gegenüber hybriden Bedrohungen.“
Die Verteidigung gegen terroristische und hybride Bedrohungen wird in den Verteidigungspolitischen Richtlinien zum Kernauftrag der Landes- und Bündnisverteidigung erklärt. Die Bundeswehr müsse im Kontext der Landes- und Bündnisverteidigung in nationaler Verantwortung die Verteidigung gegen hybride und gegebenenfalls terroristische Bedrohungen gewährleisten – und ebenso den Schutz von Kräften und Einrichtungen der Bundeswehr oder verbündeten Streitkräften sowie der verteidigungswichtigen Infrastruktur.
Um hybriden Bedrohungen beim internationalen Krisenmanagement zu begegnen, geht es laut den Verteidigungspolitischen Richtlinien 2023 um die Stabilisierung und den Aufbau resilienter Partner. Beim internationalen Krisenmanagement seien Beiträge der Bundeswehr zum Kampf gegen den transnationalen Terrorismus nötig, gegen Bedrohungen aus dem Cyber- und Informationsraum und gegen neuartige Gefahren hybriden Charakters. Gemäß dem Ansatz der Integrierten Sicherheit geht es darum, die geostrategischen Räume und die Dimensionen Land, Luft, See, Cyber und Weltraum übergreifend miteinander zu verbinden.
Der Cyber-Raum ist ein bevorzugter Operationsraum hybrider Akteure. Angriffe aus dem Internet sind leicht zu tarnen. Der Fokus von Cyber-Angriffen liegt meistens auf der Beeinflussung der öffentlichen Meinung: von der gezielten Steuerung von Diskussionen in sozialen Netzwerken bis hin zur Manipulation von Informationen auf Nachrichtenportalen.
Eben hier liegt auch der größte Unterschied zwischen der hybriden und der traditionellen Kriegsführung: Mithilfe des Internets und ganz besonders der sozialen Medien kann ein Aggressor so große Verwirrung stiften, wie es in dieser Form bisher nicht möglich war.
Als zentralen Sicherheitsansatz gegen hybride Bedrohungen verfolgt Deutschland den Ansatz der Integrierten Sicherheit: „Wir verstehen darunter das Zusammenwirken aller relevanten Akteure, Mittel und Instrumente, durch deren Ineinandergreifen die Sicherheit unseres Landes umfassend erhalten und gegen Bedrohungen von außen gestärkt wird“, heißt es in der Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung. Die staatlichen Akteure, die hybride Bedrohungen abwehren und für Sicherheit sorgen sollen, kooperieren enger miteinander. „Im Sinne Integrierter Sicherheit fassen wir bei Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedensförderung zivile, militärische und polizeiliche Mittel zusammen und binden diese international und multilateral in unser Handeln ein“, so die Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesregierung.
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