Nur ungefähr neun Kilometer entfernt von den Institutionen der Europäischen Union in Brüssel sitzt die Organisation des Nordatlantikvertrages, kurz NATONorth Atlantic Treaty Organization. Gegründet durch die Unterzeichnung des Nordatlantikpakts (NATONorth Atlantic Treaty Organization-Vertrag) am 4. April 1949 versteht sich die NATONorth Atlantic Treaty Organization als Militärallianz und militärisch-politische Organisation mit 29 europäischen und nordamerikanischen Mitgliedstaaten. Die Zusammenarbeit von EUEuropäische Union und NATONorth Atlantic Treaty Organization auf einen Blick.
Die NATONorth Atlantic Treaty Organization ist der Eckpfeiler der kollektiven Verteidigung Europas. NATONorth Atlantic Treaty Organization-Alliierte, die auch Mitglied der EUEuropäische Union sind, kennen nicht nur die Beistandspflicht gemäß Artikel 5 des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Vertrags, sondern auch die Beistandsklausel der EUEuropäische Union, festgeschrieben in Artikel 42.7 des EUEuropäische Union-Vertrags. Deutschland bekennt sich uneingeschränkt zu beiden Beistandsverpflichtungen.
Doch wie passen sie zusammen? Die Beistandsverpflichtungen wirken sowohl komplementär als auch getrennt und unabhängig voneinander. Im Falle einer Krisensituation oder eines Angriffs auf Europa können NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union in enger Zusammenarbeit noch wirkungsvoller sein. Denn ihre Instrumentenkästen ergänzen sich. So bietet die EUEuropäische Union den Mehrwert durch ihren umfassenden Werkzeugkasten zivil-militärischer Mittel. Sie kann eigene Mittel im finanziellen, ökonomischen und diplomatischen Bereich einsetzen und damit die Möglichkeiten der NATONorth Atlantic Treaty Organization ergänzen. Ein Beispiel sind Sanktionen, die ein wirksames finanzielles Instrument unterhalb der Kriegsschwelle darstellen und in den Kompetenzbereich der EUEuropäische Union fallen. Auf der anderen Seite ist die NATONorth Atlantic Treaty Organization Garant der Sicherheit und Verteidigung Europas insbesondere mit militärischen Mitteln und damit unverzichtbarer Teil der europäischen Sicherheit.
Gleichzeitig ist die NATONorth Atlantic Treaty Organization für die EUEuropäische Union ein einzigartiger und unumgänglicher Partner im Krisen- und Konfliktmanagement auch außerhalb Europas– und das nicht nur, weil beide Organisationen 22 Mitgliedstaaten teilen. Im Kontext eines sich wandelnden sicherheitspolitischen Umfelds verbinden EUEuropäische Union und NATONorth Atlantic Treaty Organization gemeinsame strategische Interessen. So kooperieren beide Organisationen heute effizient in einer Vielzahl von Themenfeldern, von Krisenmanagement über Fähigkeitsentwicklung bis zu politischer Zusammenarbeit.
Die Beziehungen zwischen EUEuropäische Union und NATONorth Atlantic Treaty Organization haben sich nach der Gründung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVPEuropäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik ) Ende der 1990er Jahre stetig weiterentwickelt. Ein Meilenstein ist die NATONorth Atlantic Treaty Organization-EUEuropäische Union-Erklärung zur ESVPEuropäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik vom Dezember 2002. Darin sind die politischen Prinzipien der strategischen Partnerschaft und der Zugang der EUEuropäische Union zu NATONorth Atlantic Treaty Organization-Planungsstrukturen zur Durchführung militärischer Einsätze festgelegt worden.
In diesem Sinne wurde am 17. März 2003 die „Berlin-Plus“-Vereinbarung geschlossen, die den Grundstein für die pragmatische und erfolgreiche Zusammenarbeit von EUEuropäische Union und NATONorth Atlantic Treaty Organization im Bereich Krisenmanagement legte. Seitdem kann die EUEuropäische Union in der Planung und Führung von militärischen Operationen auf die Strukturen und Fähigkeiten der NATONorth Atlantic Treaty Organization zurückgreifen. Das Abkommen erlaubt es der NATONorth Atlantic Treaty Organization, Operationen der EUEuropäische Union zu unterstützen, in denen die Militärallianz als Ganzes selbst nicht engagiert ist.
Ein Beispiel dafür ist die aktuelle Operation EUFOREuropean Union Force Althea in Bosnien und Herzegowina. EUFOREuropean Union Force Althea begann im Dezember 2004 als Nachfolgemission der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Operation „Stabilisation Force in Bosnia and Herzegovina“ (SFOR), basierend auf der Resolution 1551 des VNVereinte Nationen-Sicherheitsrates. Sie hat zur Aufgabe, die Regierung bei der Aufrechterhaltung eines sicheren Umfelds, der Umsetzung des Daytoner Friedensvertrages von 1995 sowie durch Ausbildung und Training zu unterstützen. Die Operation EUFOREuropean Union Force Althea wird von dem Vice Chief of Staff des „Supreme Headquarter Allied Powers Europe“ (SHAPESupreme Headquarters Allied Powers Europe) geführt. Der Befehlshaber der Einsatzkräfte, der vor Ort die Operation führt, kommt immer aus einem der EUEuropäische Union-Mitgliedstaaten, derzeit Österreich. Die Kräfte der Operation werden von 15 EUEuropäische Union-Mitgliedstaaten und fünf Partnerländern gestellt.
Im Kontext der Krisenlage 2014 und der russischen Annexion der Krim-Halbinsel kam es zu einer strategischen Neuorientierung und Intensivierung der Beziehungen zwischen EUEuropäische Union und NATONorth Atlantic Treaty Organization auf der Basis komplementärer und sich ergänzender Fähigkeitsprofile. Während des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Gipfels 2014 in Wales wurde in Reaktion auf die Ereignisse in der Ukraine die Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit der EUEuropäische Union betont. In der Folge haben der Präsident des Rates der EUEuropäische Union Donald Tusk, der Präsident der Kommission Jean-Claude Junker und der NATONorth Atlantic Treaty Organization Generalsekretär Jens Stoltenberg am 8. Juli 2016 in Warschau eine Gemeinsame Erklärung EUEuropäische Union-NATONorth Atlantic Treaty Organization („Joint Declaration (PDF, 95,6 KB)“) unterzeichnet. Diese legt den Fokus auf neue Herausforderungen im Süden und Osten und die sieben folgenden Prioritäten für die EUEuropäische Union-NATONorth Atlantic Treaty Organization Zusammenarbeit:
Zur Umsetzung dieser Prioritäten einigten sich die EUEuropäische Union- und NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mitgliedstaaten im Dezember 2016 auf eine Liste von 42 konkreten Maßnahmen, die dann ein Jahr später um 32 weitere Maßnahmen erweitert wurden. Die Implementierung der 74 Maßnahmen und Verstetigung der EUEuropäische Union-NATONorth Atlantic Treaty Organization Zusammenarbeit ist eine Schlüsselpriorität für die EUEuropäische Union.
Beim NATONorth Atlantic Treaty Organization-Gipfel im Juli 2018 in Brüssel wurde die EUEuropäische Union-NATONorth Atlantic Treaty Organization-Erklärung (PDF, 45,9 KB)neu aufgelegt. Die bestehenden Prioritäten wurden bestätigt und der Mehrwert der Kooperation insbesondere mit Blick auf die Abwehr gemeinsamer Bedrohungen betont. Gleichzeitig wurden mehrere Themenfelder zur Vertiefung der strategischen Partnerschaft zwischen EUEuropäische Union und NATONorth Atlantic Treaty Organization identifiziert. Ein Beispiel dafür ist der gemeinsame Umgang mit hybriden Bedrohungen. 2017 wurde in Helsinki das „European Centre of Excellence for Countering Hybrid Threats” (Hybrid CoE) geschaffen. Dieses soll ein besseres Verständnis hybrider Bedrohungen ermöglichen. Ziel ist die Entwicklung verbundener Strategien und eine breit angelegte Netzwerkbildung zur Verbesserung der jeweiligen Fähigkeiten und Resilienzen gegenüber hybriden Bedrohungen. Die erfolgreich getroffenen Maßnahmen gegen Desinformationen im Vorfeld der Wahl des EUEuropäische Union-Parlamentes 2019 und die Zusammenarbeit in der Abwehr von falschen Informationen während der Wahlen unterstreichen die Relevanz dieses Themenfeldes für beide Organisationen.
Ein Leuchtturmprojekt der EUEuropäische Union-NATONorth Atlantic Treaty Organization Zusammenarbeit ist „Militärische Mobilität“ (engl. „military mobility“). Ziel ist die Vereinfachung und Standardisierung von militärischen Transporten zur schnelleren Verlegung von militärischem Personal und Material über die Grenzen der europäischen Staaten hinweg, eine für die NATONorth Atlantic Treaty Organization unabdingbare Voraussetzung für eine verzugslose Verteidigung Europas im Krisenfall. Hierfür wurde ein PESCOPermanent Structured Cooperation-Projekt unter niederländischer Koordination ins Leben gerufen sowie ein EUEuropäische Union Aktionsplan für Militärische Mobilität entwickelt.
Die Zusammenarbeit von EUEuropäische Union und NATONorth Atlantic Treaty Organization charakterisiert sich durch Transparenz, Kohärenz und Komplementarität in der Fähigkeitsentwicklung sowie Interoperabilität der militärischen Kräfte. Außerdem ermöglicht sie die Teilhabe von Nicht-Mitgliedern bei der Ausgestaltung von NATONorth Atlantic Treaty Organization- beziehungsweise EUEuropäische Union-Initiativen. Somit wird gleichzeitig die europäische Säule der NATONorth Atlantic Treaty Organization gestärkt. EUEuropäische Union und NATONorth Atlantic Treaty Organization kooperieren auf Augenhöhe in einer beidseitig gewinnbringenden Partnerschaft, die vom Krisenmanagement bis zur Fähigkeitsentwicklung reicht. Besonders im Kontext aktueller sicherheitspolitischer Herausforderungen ist die fokussierte EUEuropäische Union-NATONorth Atlantic Treaty Organization Zusammenarbeit unumgänglich, um Sicherheit in Europa zu gewährleisten.
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