Die Bedeutung der Seelsorge hat sich durch die vielfältigen Einsätze der Bundeswehr wesentlich verändert. Doch nicht nur Soldaten in weltweiter Mission müssen mit zahlreichen Belastungen umgehen. Auch in deutschen Kasernen leisten Militärgeistliche Hilfestellung bei Fragen, die für Soldaten eine besondere Relevanz haben.
Die Militärseelsorge schlägt die Brücke zwischen dem christlichen sowie dem jüdischen Glauben auf der einen und dem militärischen Auftrag der Soldaten auf der anderen Seite. In Deutschland sind auf christlicher Seite Gottesdienste und Messen in den Standorten die Hauptaufgabe der Militärseelsorger, auf jüdischer Seite liegt der Schwerpunkt mehr auf der Unterstützung bei der sonstigen praktischen Religionsausübung.
Egal, ob an Land oder auf See, zu Hause oder im Auslandseinsatz: Fast überall bieten Militärseelsorger und Militärseelsorgerinnen ihre Dienste an. Die Geistlichen haben offenen Zugang zu den Kasernen und Ausbildungseinrichtungen der Bundeswehr und sind somit im Arbeitsalltag der Soldaten präsent. Sie sind Begleiter und Gesprächspartner für Soldaten und Soldatinnen aller Dienstgrade und ihrer Familienangehörigen. Die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen, den Zugang zum Menschen zu suchen und finden – dies zählt seit über 60 Jahren zu den zentralen Arbeitsgrundlagen für die Militärseelsorge, seit 2021 auch von Seiten der Jüdischen Militärseelsorge.
Das gemeinsame Gebet, die Feier der Gottesdienste, der Schabbat mit dem Kerzenzünden, die Diskussion religiöser Texte oder das Erteilen der christlichen Sakramente führen Soldaten und Soldatinnen als Gemeinschaft zusammen – sowohl in der Kaserne als auch im Auslandseinsatz. Der Militärseelsorger oder die Militärseelsorgerin hört zu und nimmt Anteil an ihren Sorgen, Nöten und Konflikten.
Die Militärseelsorge der Bundeswehr ist sehr facettenreich. Sie umfasst neben der Katholischen und der Evangelischen auch die Jüdische Militärseelsorge. Im Juni 2021 wurde das Militärrabbinat gegründet und der erste Militärbundesrabbiner nahm seinen Dienst auf.
Militärseelsorger sind Rabbiner, Pfarrer oder Priester, die für einige Jahre von ihren Heimatdiözesen, Ordens- und Religionsgemeinschaften für diesen Dienst freigestellt werden. Der Staat übernimmt die Organisation und Finanzierung der Militärseelsorge, die Kirchen und die Religionsgemeinschaften stellen die Seelsorger und sind für die Inhalte verantwortlich.
Obwohl die Seelsorger von den Kirchen und die Militärrabbiner vom Zentralrat der Juden in Deutschland ernannt werden, sind sie nicht an die jeweiligen Gemeinden vor Ort angebunden. Sie arbeiten in den etwa 180 Militärpfarrämtern und den zukünftigen fünf Außenstellen des Militärrabbinats an den Standorten und werden für ihren Dienst in der Regel für sechs Jahre von den Kirchen freigestellt bzw. durch das Militärrabbinat für zunächst sechs Jahre verbeamtet.
Es gibt derzeit etwa 100 evangelische und 80 katholische Militärpfarrämter – sowohl in Deutschland als auch im Ausland. Dabei wird turnusmäßig zwischen militärischen und zivilen Geistlichen gewechselt. Die Jüdische Militärseelsorge mit ihrer Zentrale, dem Militärrabbinat in Berlin, wird seit dem Sommer 2021 aufgebaut. Zehn Militärrabbiner und -rabbinerinnen werden in den fünf Außenstellen in Hamburg, Köln, Leipzig, München und Potsdam-Schwielowsee beschäftigt sein.
Wenn Militärpfarrerinnen und -pfarrer und Militärrabbiner und -rabbinerinnen mit ihren Gemeindemitgliedern ins Gespräch kommen, wird es oft substanziell: Die Themen, die dann im Mittelpunkt stehen, betreffen Soldaten im Einsatz und ihre Familien unmittelbar: Gewalt, Angst, Verwundung, Zweifel, Tod. Das sind Themen, mit denen sich nicht jeder in der Bevölkerung auseinandersetzen muss. Die Soldaten müssen es, und auch ihre Seelsorger.
Zusätzlich arbeiten die Seelsorger eng mit den Familienbetreuungszentren der Bundeswehr zusammen. Sie beraten zu ethischen Fragen und leiten vielerorts den Lebenskundlichen Unterricht. Dort wird unter anderem über die Rolle der Soldaten in der Gesellschaft diskutiert.
Im Auslandseinsatz hat die Seelsorge eine eigene Qualität. Das erfahren besonders die, die selbst im Einsatz gewesen sind. Gerade in der extremen Erfahrung muss der Militärseelsorger den Soldaten nahe sein.
Im Einsatz oder bei einsatzgleichen Verpflichtungen werden die Soldaten von katholischen, evangelischen und jüdischen Militärseelsorgern begleitet, die dabei mit ihnen die mögliche Bedrohung und Einschränkungen des täglichen Lebens teilen, aber auch kameradschaftliche Nähe, Freud und Leid erfahren. Als Priester feiern sie Gottesdienste und Messen. Militärrabbiner kümmern sich um das Gebet, stellen Kultgegenstände bereit, unterstützen bei religiösen Feiertagen und religiösem Lernen oder helfen dabei, koscheres Essen zu organisieren. Sie alle hören zu und sie nehmen Anteil an Sorgen, Nöten und Konflikten, die ein solcher Einsatz mit sich bringt. Auch in der extremen Erfahrung von Verwundung, Sterben und Tod sind sie den Soldaten nahe.
Den in der Heimat zurückgebliebenen Angehörigen gilt die besondere Zuwendung der Militärseelsorger. Sie arbeiten daher eng mit den Familienbetreuungszentren der Bundeswehr zusammen.
Militärseelsorger tragen im Einsatz militärische Schutzkleidung – allerdings ohne Dienstgradabzeichen, sondern mit einem Kreuz bzw. mit den Bundestafeln auf den Schulterklappen. Völkerrechtlich gelten sie als Zivilisten.
Ehe und Familie sind heute vielfachen Belastungen ausgesetzt. Die Seelsorge stiftet Begegnungen und schafft Gelegenheiten, im mitmenschlichen Austausch Probleme anzusprechen, Möglichkeiten der Hilfe auszuloten, um so gemeinsam die Belastungen einer Soldatenfamilie von heute leichter bewältigen zu können. So kommen die Soldaten mit ihren Familien bei Gottesdiensten, Familienwochenenden, Werkwochen und jüdischen Schabbatonim, also Wochenenden, zusammen oder verleben in kirchlichen Häusern ihren Urlaub und bilden so eine lebendige Gemeinde.
Gerade wenn Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz sind, ist das gute Zusammenwirken aller Verantwortlichen in den Bereichen Fürsorge, Betreuung und Seelsorge gefordert.
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