Konventionelle Rüstungskontrolle und Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen im OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa-Raum umfassen den Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSEKonventionelle Streitkräfte in Europa-Vertrag), das Wiener Dokument 2011 (WDWiener Dokument) über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen und den Vertrag über den Offenen Himmel (OHOffener Himmel-Vertrag). Hinzu kommt der Verhaltenskodex zu politisch-militärischen Aspekten der Sicherheit. Die Bundeswehr setzt mit dem ZVBwZentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr die Implementierung und Verifikation dieser Vereinbarungen um.
Der KSEKonventionelle Streitkräfte in Europa-Vertrag wurde 1990 zwischen den damaligen Mitgliedstaaten der NATONorth Atlantic Treaty Organization und des Warschauer Pakts geschlossen und trat am 9. November 1992 in Kraft. Ziel war es, in Europa ein sicheres und stabiles Gleichgewicht der konventionellen Streitkräfte auf niedrigerem Niveau zu schaffen und damit die Fähigkeit zu Überraschungsangriffen und zur Einleitung großangelegter Offensivhandlungen in Europa zu beseitigen. Dazu begrenzt der Vertrag die Anzahl schwerer konventioneller Hauptwaffensysteme (Kampfpanzer, gepanzerte Kampffahrzeuge, Artilleriesysteme, Kampfflugzeuge und Kampfhubschrauber) und reglementiert die Reduzierung überzähligen Geräts.
Zur Überprüfung der Einhaltung der Vertragsbestimmungen sieht der Vertrag einen detaillierten Informationsaustausch der Vertragsstaaten über ihre konventionellen Waffen und Ausrüstungen sowie die Durchführung von gegenseitigen Vor-Ort-Inspektionen vor. Der KSEKonventionelle Streitkräfte in Europa-Vertrag wird ergänzt durch die Abschließende Akte der Verhandlungen über Personalstärken mit Regelungen zur Meldung und Begrenzung der Personalbestände der konventionellen Streitkräfte der Vertragsstaaten.
Ein 1999 von den Vertragsstaaten beschlossenes Anpassungsübereinkommen zum KSEKonventionelle Streitkräfte in Europa-Vertrag (A-KSEKonventionelle Streitkräfte in Europa) ist nicht in Kraft getreten. Russland setzt seit Dezember 2007 die Implementierung des KSEKonventionelle Streitkräfte in Europa-Vertrags einseitig aus und zog sich 2015 auch aus dem politischen Leitungsgremium des Vertrags, der Gemeinsamen Beratungsgruppe, zurück. Die restlichen Vertragsstaaten stellten daher Ende 2011 ihrerseits die Implementierung des Vertrags gegenüber Russland ein, halten aber untereinander weiter an der Implementierung des Vertrags fest.
Das Wiener Dokument (WDWiener Dokument) ist eine vom Atlantik bis zum Ural und in Zentralasien bis an die chinesische Grenze gültige politisch verbindliche Vereinbarung aller 57 OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa-Mitgliedstaaten. Es basiert auf der Schlussakte von Helsinki 1975 und wurde 1990 nach dem Ende des Kalten Krieges vereinbart. Es wurde viermal ergänzt: 1992, 1994, 1999 und zuletzt 2011. Als Instrument zur militärischen Vertrauensbildung ist es ein zentraler Bestandteil der politisch-militärischen Sicherheitsdimension der OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und der gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur.
Das WDWiener Dokument umfasst Mechanismen für erhöhte militärische Transparenz (zum Beispiel jährlicher Informationsaustausch über Streitkräfte-Organisation, Personalstärken, Verteidigungsplanung, Verteidigungshaushalt, Hauptwaffensysteme und Großgeräte – sowie die vorherige Ankündigung militärischer Aktivitäten, vor allem Übungen) und entsprechende Verifikationsmaßnahmen (zum Beispiel Inspektionen, Überprüfungsbesuche und Entsendung militärischer Beobachter zu militärischen Aktivitäten). Zudem beinhaltet das WDWiener Dokument Maßnahmen zur Vertrauensbildung (zum Beispiel Ausbau militärischer Kontakte), zur Verminderung von Risiken und zur Verhinderung gefährlicher militärischer Zwischenfälle. Unter politischer Federführung des Auswärtigen Amts und in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium der Verteidigung implementiert das Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr (ZVBwZentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr) die deutschen Maßnahmen im Rahmen des Wiener Dokuments.
Gerade angesichts der aktuellen Verwerfungen im OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa-Raum, insbesondere aufgrund der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland in 2014 und zuletzt durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, wurden vorhandene Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen stark beschädigt – obwohl sie dringender benötigt werden als je zuvor. Um das Wiener Dokument an die veränderten sicherheitspolitischen, technologischen und militärischen Rahmenbedingungen in Europa anzupassen, hat die Bundesregierung bereits 2019 ein mit Alliierten und Partnern abgestimmtes Modernisierungspaket für das Wiener Dokument in die OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa eingebracht. Fortschritte werden jedoch erst möglich sein, wenn Russland seine Aggression gegen die Ukraine und andere Teilnehmerstaaten der OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa aufgibt und sich konstruktiv am Modernisierungsprozess des Wiener Dokuments beteiligt.
Der OHOffener Himmel-Vertrag, in Kraft seit 2002, ist integraler Bestandteil der kooperativen Rüstungskontrolle im euro-atlantischen Raum. Er erlaubt den 32 Vertragsstaaten gegenseitige Beobachtungsflüge mit vertraglich festgelegten Sensoren über ihren Staatsgebieten. Bis zu den Rücktritten der USA (2020) und Russlands (2021) stellte der rechtsverbindliche Vertrag das Abkommen mit der größten geographischen Ausdehnung auf dem Gebiet der militärischen Verifikation sowie der Vertrauens- und Sicherheitsbildung dar: von „Vancouver bis Wladiwostok“. Wesentliches Ziel neben dem militärischen Erkenntnisgewinn ist die Stärkung von Vertrauen und Transparenz unter den Vertragsstaaten durch kooperative Beobachtungsmissionen aus der Luft.
Mit der am 21. Juni 2019 durch die Bundeswehr übernommenen neuen Beobachtungsplattform (Airbus 319 OHOffener Himmel) wird Deutschland nach abgeschlossener Zertifizierung durch die Vertragsstaaten im Herbst 2022 über das modernste und leistungsfähigste Beobachtungsluftfahrzeug mit großer Reichweite verfügen. Dies stärkt die Implementierung des OHOffener Himmel-Vertrags – und auch die Möglichkeiten anderer Vertragsstaaten, die das Flugzeug für Beobachtungsflüge dann mitnutzen oder anmieten können.
Der am 1. Januar 1995 in Kraft getretene Verhaltenskodex zu politisch-militärischen Aspekten der Sicherheit gilt als eines der wichtigsten normativen OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa-Dokumente seit Anfang der 1990er Jahre. Der Kodex legt politisch verbindliche Regeln für den Einsatz von Streitkräften (nach innen und nach außen) sowie für die demokratische Kontrolle von Streitkräften und weiteren bewaffneten staatlichen Kräften der OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa-Teilnehmerstaaten fest und verbindet mit seiner umfassenden und auf Rechtsstaatlichkeit abstellenden Zielsetzung die Sicherheitsdimension mit der menschlichen Dimension des OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa-Acquis.
Hauptimplementierungsinstrument ist ein seit 1999 praktizierter jährlicher Informationsaustausch über die nationale Umsetzung des Kodex durch die OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa-Teilnehmerstaaten. Seit 2003 werden in diesem auch Angaben über nationale Anstrengungen zur Terrorismusbekämpfung gemacht. Darüber hinaus machen eine Vielzahl von Teilnehmerstaaten, darunter auch Deutschland, freiwillige Angaben zur Umsetzung der Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sowie zur demokratischen und politischen Kontrolle privater Militär- und Sicherheitsfirmen.
Mit der Wehrbeauftragten, dem Parlamentsbeteiligungsgesetz und dem Konzept der Inneren Führung setzt Deutschland die Vorgaben des Verhaltenskodex umfänglich um und unterstützt darüber hinaus als ein Hauptförderer die OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa bei der Verbreitung seiner Regelungsinhalte innerhalb und auch außerhalb des OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa-Raums.
Konventionelle Rüstungskontrolle sowie Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen (VSBM) sind feste Bestandteile deutscher Sicherheitspolitik. Das Verteidigungsministerium und die Bundeswehr tragen zur Umsetzung und Weiterentwicklung dieser Instrumente maßgeblich bei.
Die Bundeswehr übernimmt mit dem ZVBwZentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr die praktische Implementierung und Verifikation der Rüstungskontrollabkommen, aus denen sich Rechte und Pflichten für Deutschland ergeben. Es plant, koordiniert und realisiert die deutschen Maßnahmen im Rahmen des Wiener Dokuments, des KSEKonventionelle Streitkräfte in Europa-Vertrags sowie des OHOffener Himmel-Vertrags.
Inhalte teilen via