Die Bundeswehr entsendet Soldatinnen und Soldaten nicht nur in klassische Auslandseinsätze, sondern auch in anerkannte Missionen zum Schutz des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Bündnisgebietes. Das sind keine Einsätze bewaffneter Streitkräfte im Sinne des Parlamentsbeteiligungsgesetzes. Ein Bundestagsmandat ist deshalb nicht nötig. Der Schwerpunkt liegt seit Jahren an der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke.
Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland im Jahr 2014 und angesichts der fortgesetzten russischen Destabilisierungsversuche in der Ukraine verstärkte die NATONorth Atlantic Treaty Organization den Schutz ihrer osteuropäischen Mitgliedstaaten. Beim Gipfel 2016 in Warschau beschlossen die Verbündeten deshalb eine „verstärkte Vornepräsenz“, die enhanced Forward Presence (eFPenhanced Forward Presence) in Estland, Lettland, Litauen und Polen, um Solidarität und Entschlossenheit zu demonstrieren.
In jedes der genannten Länder entsandte das Bündnis ab 2017 einen Gefechtsverband, genannt Battlegroup. Deutschland führt von Beginn an die multinationale Battlegroup in Litauen, die in Rukla stationiert ist und eine Stärke von rund 2.000 Soldatinnen und Soldaten, davon rund 800 deutsche hat.
Der Verband aus mechanisierten und infanteristischen Kräften ist in die Strukturen des litauischen Militärs integriert. Personal und Material werden im halbjährlichen Rhythmus ausgetauscht. Dabei wird auch das Verlegen von Truppen und Waffensystemen innerhalb Europas geübt.
Als eine Konsequenz des russischen Überfalles auf die Ukraine am 24. Februar 2022 verstärkte die NATONorth Atlantic Treaty Organization umgehend ihre defensiven Maßnahmen in Ost-, Zentral- und Südosteuropa. Zu diesen „erhöhten Wachsamkeitsaktivitäten“ (enhanced Vigilance Activities, eVAenhanced Vigilance Activities) des Bündnisses trägt die Bundeswehr in mehreren Staaten bei.
Litauen: Deutschland hält seit dem NATONorth Atlantic Treaty Organization-Gipfel in Madrid eine Kampftruppenbrigade zur Verteidigung Litauens bereit. Die Hauptkräfte sind in Deutschland stationiert und verlegen mehrmals im Jahr zu gemeinsamen Übungen nach Litauen. Zur Vorbereitung dieser Übungen und zur Abstimmung mit den litauischen Partnern stationierte die Bundeswehr im Oktober 2022 Teile eines Brigadegefechtsstandes, das sogenannte Forward Command Element, dauerhaft im litauischen Rukla. Die gesamte Brigade kann in kurzer Zeit nach Litauen verlegt werden. Diese eVAenhanced Vigilance Activities-Brigade ist eine mit Litauen vereinbarte bilaterale Maßnahme und taktisch und truppendienstlich unabhängig von der eFPenhanced Forward Presence-Battlegroup.
Slowakei: Auf Einladung der Slowakei verlegte die Luftwaffe im März 2022 Flugabwehrraketensysteme PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target in das Land, um als Teil der integrierten NATONorth Atlantic Treaty Organization-Luftverteidigung den slowakischen Luftraum zu schützen. Deutschland führte in Kooperation mit den Niederlanden auf dem Militärflughafen Sliač einen multinationalen Flugabwehrraketenverband mit 250 Soldatinnen und Soldaten, die Air Missile Defense Task Force. Zum 31. Mai 2023 wurde der Schutzauftrag beendet. Das Kontingent bereitet aktuell die Verlegung nach Vilnius in Litauen vor, wo die deutschen PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target-Systeme im Juli 2023 den NATONorth Atlantic Treaty Organization-Gipfel schützen werden.
Unabhängig davon unterstützt die Bundeswehr mit weiteren NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partnern den im Juni 2022 in Dienst gestellten und von Tschechien geführten Kampfverband im zentralslowakischen Lešť mit Kräften des Heeres. Das slowakische Parlament hat am 15. März 2022 die Stationierung von bis zu 3.000 multinationalen Soldatinnen und Soldaten bewilligt. Die Obergrenze für den deutschen Beitrag liegt bei 1.300 Soldatinnen und Soldaten.
Polen: Nach einem Raketeneinschlag im polnischen Dorf Przewodów am 15. November 2022 bot Deutschland seinem Nachbarn und NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partner Polen Unterstützung bei der Sicherung des Luftraumes an. Unweit der Grenze zur Ukraine stationierte die Bundeswehr in Zamość drei Kampfstaffeln PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target und eine Stabs- und Versorgungsstaffel. Die Flugabwehrsysteme der Bundeswehr sind Teil der integrierten NATONorth Atlantic Treaty Organization-Luftverteidigung und in die Struktur der polnischen Luftverteidigung integriert. Der deutsche Verband, die Air and Missile Defence Task Force, umfasst rund 350 Soldatinnen und Soldaten und kann im Bedarfsfall auf bis zu 650 Soldatinnen und Soldaten erweitert werden. Auch weitere Verbündete unterstützen Polen beim Schutz der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke – in einer multinationalen eFPenhanced Forward Presence-Battlegroup sowie mit PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target-Systemen.
Nach der Annexion der Krim durch Russland beschloss der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Rat 2014 unverzügliche Maßnahmen zur Rückversicherung der osteuropäischen Mitgliedstaaten (Immediate Assurance Measures). Dazu gehörte vor allem die verstärkte Sicherung des Luftraumes über den baltischen Staaten, die sich durch ihre exponierte Lage besonders stark von Russland bedroht fühlen. Weil Estland, Lettland und Litauen selbst nicht über die dazu notwendigen Mittel verfügen, unterstützt das Bündnis bereits seit dem NATONorth Atlantic Treaty Organization-Beitritt dieser Staaten im Jahr 2004 bei dieser Aufgabe.
Die Luftwaffe beteiligt sich seit 2005 am Air Policing, zunächst ausschließlich vom Luftwaffenstützpunkt Šiauliai (Litauen) aus. Seit 2014 starten und landen die bis zu sechs Eurofighter im Rahmen des verstärkten Air Policing Baltikum (VAPB) jährlich auch in Ämari (Estland). Die deutschen Kontingente, die aus rund 150 Soldatinnen und Soldaten bestehen, beginnen den Einsatz alle zwei Jahre im Herbst und sind dann bis zum Frühjahr des Folgejahres für acht bis neun Monate am Stück eingesetzt. In enger Zusammenarbeit mit Verbündeten und teils sogar in gemischten Formationen wie zuletzt mit Großbritannien und Spanien führt die Luftwaffe bewaffnete Schutz- und Übungsschutzflüge sowie unbewaffnete Trainingsflüge durch.
Diese NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mission hat das gleiche Ziel wie das Air Policing im Baltikum: für den Schutz und die Integrität des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Luftraumes an den Außengrenzen des Bündnisses zu sorgen. Auch hier handelt es sich um eine kollektive und defensive Rückversicherungsmaßnahme des Bündnisses zum Schutz seiner Mitglieder. Dazu sind beim eAPS in wechselnder Konstellation Kampfflugzeuge der Bündnisnationen auf dem Militärstützpunkt Mihail Kogălniceanu in der Nähe der Stadt Konstanza (Constanța) am Schwarzen Meer stationiert.
Die Bundeswehr beteiligte sich im Frühjahr 2022 zum zweiten Mal mit einem Eurofighter-Kontingent am verstärkten Air Policing in Rumänien, erneut im engen Schulterschluss mit Verbündeten. Unmittelbar nach der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 stockte die Luftwaffe das bereits laufende Kontingent auf und verlegte innerhalb weniger Stunden weitere Eurofighter zur Verstärkung der Mission.
Die beiden Ständigen Marine-Einsatzverbände der NATONorth Atlantic Treaty Organization bestehen jeweils aus mehreren Zerstörern und Fregatten sowie einem Versorgungsschiff verschiedener NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mitgliedstaaten. Der SNMGStanding NATO Maritime Group 1 (seit 1967) ist für die Kontrolle und den Schutz strategisch wichtiger Seewege im Nordatlantik bis auf die Höhe der Straße von Gibraltar sowie in der Nord- und Ostsee zuständig, der Einsatzraum des SNMGStanding NATO Maritime Group 2 (seit 1992) ist in der Regel das Mittelmeer, bei Bedarf kann der Verband jedoch jederzeit auch andere Seegebiete ansteuern. Die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Schiffe operieren auf hoher See und in den nationalen Gewässern der Bündnisstaaten. Ihre Besatzungen trainieren gemeinsam, um die Zusammenarbeit im Bündnis zu verbessern und die Verpflichtungen zur kollektiven Verteidigung sicherzustellen. Ausbildung gehört genauso zu den Aufgaben der Verbände wie die militärische Abschreckung oder – wenn nötig – Embargokontrollen, Such- und Rettungsoperationen sowie humanitäre Not- und Katastrophenhilfe. Auch die deutsche Marine stellt regelmäßig Schiffe für die SNMGStanding NATO Maritime Group 1 und die SNMGStanding NATO Maritime Group 2, die zugleich die maritime Komponente der schnellen Eingreiftruppe der NATONorth Atlantic Treaty Organization (Very High Readiness Joint Task Force, VJTFVery High Readiness Joint Task Force ) bilden. Seit Anfang 2023 wird der SNMGStanding NATO Maritime Group 1 von einem deutschen Admiral von Bord der Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ geführt.
Die beiden Ständigen Minenabwehrverbände NATONorth Atlantic Treaty Organization bestehen jeweils aus mehreren Minenabwehrbooten sowie einem Führungs- und Versorgungsschiff verschiedener NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partner. Darunter ist jeweils mindestens ein Boot der deutschen Marine. Die Verbände sollen Seeminen suchen und unschädlich machen. Zusätzlich beseitigen sie Munitionsaltlasten aus vergangenen Kriegen und Konflikten. Der SNMCMG 1 (seit 1973) ist zuständig für den Nordatlantik sowie Nord- und Ostsee, der SNMCMG 2 (seit 1999) für das Mittelmeer, er ist aber auch in den angrenzenden Seegebieten unterwegs. Wie der SNMGStanding NATO Maritime Group 1 und 2 gehören auch die beiden Minenabwehrverbände der schnellen Eingreiftruppe der NATONorth Atlantic Treaty Organization (Very High Readiness Joint Task Force, VJTFVery High Readiness Joint Task Force ) an.
Auf Initiative Griechenlands, der Türkei und Deutschlands leistet die NATONorth Atlantic Treaty Organization seit 2017 in der Ägäis zwischen türkischem oder griechischem Festland einen Beitrag im Kampf gegen Schleuserkriminalität. Mit vier bis sieben Schiffen einer Einsatzgruppe der SNMGStanding NATO Maritime Group 2 trägt das Bündnis zum Informationsaustausch zwischen der griechischen und der türkischen Küstenwache sowie der EUEuropäische Union-Grenzschutzagentur Frontex bei. Die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Schiffe haben keine hoheitlichen Befugnisse. Schiffe oder Boote anzuhalten und gegen Schleuser und ihre Netzwerke vorzugehen, ist den nationalen Küstenwachen vorbehalten. Die Bundeswehr stellt das Führungsschiff der Mission und führt den Marineverband mit einem Kapitän zur See. An Bord befinden sich Verbindungsleute türkischer und griechischer Behörden sowie von Frontex. Die NATONorth Atlantic Treaty Organization dient in dieser Hinsicht als Kooperationsplattform der Anrainerstaaten.
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