Der Sicherheitsexperte Dr. Sandro Gaycken, seinerzeit Senior Researcher an der European School of Management and Technology in Berlin, im Interview der Redaktion der Bundeswehr. Als früherer „Hacktivist“ ist er spezialisiert auf die Gebiete Cyber-Kriegsführung und -Spionage und berät neben der Bundesregierung auch mittlere und größere Unternehmen in den Bereichen der ITInformationstechnik-Sicherheit.
Panikmache oder Beruhigungspille – wie gefährdet ist die Bundeswehr wirklich?
Naja, wir haben genau genommen gar keine Bundeswehr ohne hohe und systemweite Cybersicherheit. Sie müssen einfach mal nachsehen, was in der Truppe alles nicht mehr geht, wenn alle Computer, auch die in den militärischen Geräten, als kompromittiert betrachtet werden müssen. Im Moment ist das fast alles. Eine Gefährdung entsteht dann sofort, wenn man die Bundeswehr mal gegen einen Gegner mit Cyberfähigkeiten brauchen sollte, aber auch jetzt schon im Verlust der Abschreckungskapazität der Bundeswehr.
Kritische Infrastruktur innerhalb Deutschlands – welche Auswirkungen können Cyber-Attacken haben?
Jede, die man sich als Szenario vorstellen kann. Allerdings sind die gängigen „Blackout“-Szenerien aus vielen Gründen sehr unwahrscheinlich. Erosionsszenerien und wirtschaftliche Operationen sind deutlich wahrscheinlicher – de facto bereits zum Teil Realität – und dramatisch gefährlicher.
Cyberwar kennt keine „Grenzen“. Wie passt das mit unserem vielleicht tradierten Bild von „innerer“ und „äußerer“ Sicherheit?
Das müssen wir nicht unbedingt aufgeben. Cyberwar tarnt sich halt gern als Kriminalität oder als politischer Aktivismus, weil es in den Taktiken und Verfahren eine eher nachrichtendienstliche Tätigkeit ist (auf der strategischen Ebene halt klarer militärisch). Das muss man so weit wie möglich erkennen können und dafür braucht man ein Entscheidungsverfahren, wie man mit den vielen unklaren Situationen umgeht.
Die Bundeswehr ist ja nur einer der Sicherheitsakteure. Vielfach schwört man sich natürlich Absprache und gegenseitige Koordination. Wird das Ihrer Ansicht nach in den derzeitigen Strukturen funktionieren?
Im Moment sind Außenpolitik und Verteidiger für meinen Geschmack zu stark von vielen Prozessen isoliert. Beide brauchen mehr Mitsprache und mehr Selbstbestimmung. Dafür braucht man aber eben auch erst einmal eine eigene Perspektive, eigene Kompetenz und eine eigene Strategie. Das muss ausgebaut werden, dringend.
Was möchten Sie der Bundeswehr gerne ins Stammbuch, in ihr „Weißbuch“ schreiben?
So ungefähr 200 verschiedene Punkte hätte ich da. Die 30 wichtigsten werde ich im Weißbuch-Seminar am 17. September vorstellen.
Das Interview führte Thomas Franke.
Inhalte teilen via