Krisen schon in ihrer Entstehung zu erkennen, ist für die Bundesregierung von strategischer Bedeutung. Bisher waren solche Vorhersagen in der Praxis eher die Ausnahme: Der „Arabische Frühling“ oder der Ukraine-Konflikt sind nur zwei Beispiele für Krisen, die nicht erwartet wurden. Das BMVgBundesministerium der Verteidigung arbeitet zusammen mit anderen Ressorts an einer Weiterentwicklung der Krisenfrüherkennung.
Brigadegeneral Achim Werres, während des Weißbuchprozesses Oberst i.G.im Generalstabsdienst und Leiter des Referats für Krisenfrüherkennung und weltweite Risiko- und Bedrohungsbeurteilung im BMVgBundesministerium der Verteidigung, sagte: „Unter Krisenfrüherkennung verstehen wir das Erkennen von Anzeichen, aus denen sich innerhalb der nächsten sechs bis 18 Monate eine Krise entwickeln könnte“, erklärte er. „Wir wollen den Entscheidern in der Politik, der Leitung des BMVgBundesministerium der Verteidigung und anderen Sicherheitsbehörden möglichst die notwendige Zeit verschaffen, um auf die kommenden Krisen der Welt rechtzeitig reagieren können.“
Krisenfrüherkennung ist eine ressortübergreifende Aufgabe, bei der Experten aus verschiedenen Ministerien zusammenarbeiten. Neben dem BMVgBundesministerium der Verteidigung sind unter anderem das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie das Bundesministerium des Innern beteiligt. Im Auswärtigen Amt laufen alle Fäden zusammen.
„Die Informationen über die Anzeichen für Krisen bekommen wir auf ganz verschiedenen Wegen“, sagt Oberst Werres. „Das können offene Quellen und Nachrichten aus bestimmten Ländern sein, aber auch interne Berichte unserer Militärattachés vor Ort oder Aufklärungsprodukte des militärischen Nachrichtenwesens.“ Und genau hier liegt die Herausforderung: Wie sollen all die Informationen erfasst und eingeordnet werden? Zudem arbeiten die Analysten bisher mit unterschiedlichen Systemen.
Zur Lösung dieser Herausforderung arbeitete das BMVgBundesministerium der Verteidigung aktuell eng mit der BwConsulting (vormals g.e.b.b.Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb) zusammen. Beide luden am 15. Dezember 2016 zu einem Thementag ein. Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft tauschten ihre Erkenntnisse aus. Ein ITInformationstechnik-gestütztes System soll nun die bisherigen „Insel-Lösungen“ sinnvoll zusammenfassen. Carsten Rüdiger von der BwConsulting betont jedoch: „ITInformationstechnik kann immer nur unterstützen. Die wesentliche Leistung der Krisenfrüherkennung bleibt Sache des Analysten.“
Nach wie vor ist es also eine menschliche Aufgabe, die Informationen in den jeweiligen Kontext einzuordnen. Nur so entsteht Wissen zur praktischen Anwendung. Zum Beispiel hat ein Regierungswechsel in Gambia andere Auswirkungen als ein Regierungswechsel in Indien. Auch der Fund eines neuen Gasfeldes kann unterschiedliche Konfliktpotentiale in sich bergen: Liegt es im Golf von Mexiko ist dies aus der Perspektive der Krisenfrüherkennung anders zu bewerten als läge das Gasfeld im Südchinesischen Meer oder im östlichen Mittelmeer.
„Innerhalb der nächsten zwei Jahre wollen wir unseren Analysten ein funktionsfähiges System an die Hand geben“, schließt Oberst i.G.im Generalstabsdienst Werres seinen Ein- beziehungsweise Ausblick in das weite Themenfeld der Krisenfrüherkennung.
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