Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ hat die Kriegswirren im Irak und in Syrien für ihren Aufstieg genutzt. Sie steht für eine neue Dimension von Terrorismus und strebt mit der Ausrufung eines Kalifats nach Macht über die islamische Welt. Sebastian Blum hat die Hintergründe und die Entwicklung des IS„Islamischer Staat“ beleuchtet.
Herkunft: Die Organisation wurde von dem sunnitischen Jordanier Abu Musab az-Zarqawi unter dem Namen At-Tauhud wa-l-Dschihad gegründet. Während der US-Invasion im Irak trat das Terrornetzwerk al-Qaida bei und nannte sich von dort an AQI (al-Qaida im Irak). Nach az-Zarqawis Tod 2006 übernahm Abu Ayyub al-Masri die Führung. Die Terrormiliz entfernte sich ideologisch von al-Qaida und nannte sich dann ISI (Islamischer Staat im Irak). 2010 wurde al-Masri von US-amerikanischen Truppen getötet. Seine Nachfolge trat Abu Bakr al-Baghdadi an.
Ausbreitung: Die Schwäche des irakischen Staates und der Bürgerkrieg in Syrien ab 2011 bildete das ideale Umfeld für die Ausbreitung von ISI, das sich in ISISIntegrated SIGINT (Signal Intelligence) System, Islamischer Staat im Irak und in Syrien, umbenannte. Am 29. Juni 2014 rief al-Baghdadi ein Kalifat aus und machte sich zum Kalifen. Gleichzeitig benannte er ISISIntegrated SIGINT (Signal Intelligence) System in IS„Islamischer Staat“ um. Dadurch weitete er seinen Herrschaftsanspruch auf die ganze Welt aus.
Räte: An der Spitze der Terrororganisation steht der selbsternannte Kalif Abu Bakr al-Baghdadi. Mit dem Begriff des Kalifen betont al-Baghdadi seinen Anspruch als religiöser und politischer Führer über die gesamte islamische Welt und als Stellvertreter Allahs. Al-Baghdadi hat jeweils einen Stellvertreter in Syrien und im Irak. Unter ihnen regieren Emire die einzelnen Landesteile. Hinzu kommt ein Kabinett von sieben Beratern. Diese Führungsriege aus kampferprobten Dschihadisten und ehemaligen Berufsoffizieren bilden die Schura, die politische, religiöse und militärische Ratsversammlung des IS„Islamischer Staat“.
Kriminalität: Geschäftsleute im Einflussgebiet der Terrormiliz zahlen Schutzgelder an das Kalifat. Außerdem rauben die Milizionäre des IS„Islamischer Staat“ Banken und Geschäfte in den eroberten Gebieten aus. Auch Ölförderanlagen kontrolliert der IS„Islamischer Staat“ mittlerweile. Alte Tempel und Götterbilder werden zerkleinert und auf dem illegalen Kunstmarkt verkauft. Eine weitere Einnahmequelle sind Menschenhandel und Sklaverei. Die IS„Islamischer Staat“-Terroristen nehmen Frauen und Kinder gefangen, die sie für ungläubig halten, und verkaufen diese als Sklavinnen an ihre eigenen Kämpfer und an kooperierende Waffenhändler, Drogenschmuggler oder Geschäftsleute.
Gebiet: Im Oktober 2006 verlas ein Vertreter des ISI-Informationsministeriums in einem Video die Gründungserklärung des „Islamischen Staates“. Darin verkündeten die Terroristen, dass das Kalifat den Sunniten ein eigenes Staatsgebiet schaffe, was ihnen bisher versagt geblieben sei. Religiös motiviert sich der IS„Islamischer Staat“ durch die Forderung des Propheten Mohammed, dass ein Muslim nur von einem Muslim regiert werden könne. Da die Definition des dschihadistisch-salafistischen IS„Islamischer Staat“ ausschließlich die eigene Denkrichtung als echten Islam anerkennt, sind alle anderen Herrscher muslimischer Staaten im Nahen Osten aus Sicht des IS„Islamischer Staat“ ungläubig, weshalb nur al-Baghdadi rechtmäßiger Herrscher der Muslime sein könne. Dies umfasst die politische und religiöse Hoheit über alle Muslime auf der ganzen Welt.
Salafismus: Die Führungsköpfe des IS„Islamischer Staat“ zählen zu den dschihadistischen Salafisten. Der Salafismus ist eine traditionalistische Form des sunnitischen Islam. Quellen dieser Strömung sind der Koran und die Sunna, wovon sich auch der Begriff der Sunniten ableitet. Die Sunna des Propheten ist eine Ansammlung von überlieferten Aussagen des Propheten Mohammed. Sie gilt deshalb den Sunniten und den Salafisten als höchste Instanz in der islamischen Rechtsprechung. Der dschihadistische Salafismus verfolgt die Errichtung eines Kalifats nach dem Vorbild Mekkas und Medinas im 7. und 8. Jahrhundert.
Takfirismus: Der IS„Islamischer Staat“ stellt eine neue Variante des dschihadistischen Salafismus dar – den Takfirismus. Der Begriff leitet sich von dem arabischen Wort „takfir“ ab, das die muslimische Praxis bezeichnet, einen Muslim zu einem Ungläubigen zu erklären, der dadurch als vogelfrei gilt und auch getötet werden kann.
Bericht: Im März 2015 hat das UNHCRUnited Nations High Commissioner for Refugees, das Hochkommissariat für Menschenrechte der Vereinten Nationen, einen Bericht vorgelegt, nach dem die Gewalt des IS„Islamischer Staat“ das Ausmaß eines Völkermordes erreicht habe. Besonders das Vorgehen gegen die gesamte Volksgruppe der Jesiden komme einem Genozid gleich. Darüber hinaus listet der Bericht Mord, Folter, Vergewaltigung und sexuelle Versklavung, religiöse Zwangskonvertierung und Zwangsrekrutierung von Kindern auf.
Minderheiten: In seinem Einflussgebiet verfolgt und tötet der IS„Islamischer Staat“ körperlich und psychisch Behinderte oder missbraucht diese als Selbstmordattentäter. In ihrem Propaganda-Magazin Dabiq erklären die Terroristen des IS„Islamischer Staat“, weshalb es ihr Recht und ihre islamische Pflicht sei, Menschen zu versklaven und zu vergewaltigen. Auch andere Minderheiten, wie Homosexuelle, berichten von Verfolgung und Hinrichtungen unter der Herrschaft der selbsternannten Gotteskrieger.
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