Die MSCMunich Security Conference ist das wichtigste informelle sicherheitspolitische Treffen der Welt. Offizielle Beschlüsse werden keine getroffen – aber geredet und verhandelt. Freunde, Partner und Gegner treffen aufeinander. Die ungezwungene Atmosphäre bietet Raum für Gespräche vor und hinter den Kulissen.
Excuse me, I’m not convinced„ – im Publikum ist es still geworden. Joschka Fischer hat sich bei seiner Rede direkt an US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gewandt. Mit klaren Worten spricht sich der deutsche Außenminister gegen eine militärische Intervention im Irak aus. Rumsfeld verzieht kaum eine Miene; Fischer war nicht der einzige, der die amerikanische Politik an diesem Wochenende im Februar 2003 kritisierte. Die offen ausgetragene Debatte war ein besonderer Moment in der Geschichte der Münchner Sicherheitskonferenz (MSCMunich Security Conference). Sie zeugte von einem tiefgreifenden Zerwürfnis, aber auch von dem Willen, trotz allem miteinander zu sprechen.
Ein weiterer Höhepunkt liegt erst wenige Jahre zurück: 2014 sprachen sich der damalige Bundespräsident Joachim Gauck, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen kurz nacheinander dafür aus, dass sich Deutschland „früher, entschiedener und substanzieller„ in der Welt einbringen müsse. Sie hatten die Münchner Sicherheitskonferenz als Forum gewählt, um ein Signal an die internationale Gemeinschaft auszusenden: Die Bundesrepublik ist zu mehr Verantwortung bereit.
Jedes Jahr im Februar wird München zum Austragungsort der Weltpolitik. Das Hotel Bayerischer Hof platzt während der dreitägigen Konferenz aus allen Nähten. Im vergangenen Jahr nahmen rund 500 hochrangige Personen teil, um über Krisen und Konflikte zu beraten. Die Teilnehmerliste liest sich wie das „Who is Who„ der internationalen Politik: Staats- und Regierungschefs, Minister, Diplomaten, Militärs sowie Vertreter der Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Zivilgesellschaft. Wolfgang Ischinger, der Vorsitzende der MSCMunich Security Conference, bezeichnet sie als „wichtigstes informelles sicherheitspolitisches Treffen der Welt“.
Ihr Gründer, der frühere Wehrmachtsoffizier und Widerstandskämpfer Ewald Heinrich von Kleist, hatte im Herbst 1963 noch ein kleineres Format im Sinn. Die „Internationale Wehrkunde-Begegnung„ sollte dazu beitragen, Konflikte zu verhindern und die transatlantischen Beziehungen zu stärken. An der ersten Tagung nahmen rund 60 Personen teil – darunter waren auch Helmut Schmidt und Henry Kissinger, deren Karrieren noch in den Anfängen steckten. In den ersten Jahren war die Tagung eher ein „transatlantisches Familientreffen“ – geprägt vom Ost-West-Konflikt und in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Von Kleist leitete die Tagung bis 1998 und öffnete sie – mit seinem Nachfolger Horst Teltschik, dem früheren außen- und sicherheitspolitischen Berater von Helmut Kohl – nach dem Kalten Krieg erst für die Länder des ehemaligen Warschauer Pakts und schließlich für die ganze Welt.
Name und Tagungsort haben sich im Zeitverlauf geändert. Heute ist die MSCMunich Security Conference ein mediales Großereignis. Über 1.000 Journalisten aus aller Welt kommen nach München. Wolfgang Ischinger hat einen großen Anteil daran. Der frühere Staatssekretär im Auswärtigen Amt und Botschafter in den USA und Großbritannien ist ein gefragter Gesprächspartner in den Medien und gut vernetzt. Ischinger hat den Wandel der MSCMunich Security Conference fortgeführt und die Konferenz inhaltlich und für neue Akteure der Weltbühne geöffnet. Er entscheidet, wer zur Konferenz eingeladen wird.
Der Blick richtet sich nicht nur auf Militärisches, sondern auf auch Themen wie globale Entwicklungen, Menschenrechte und die Folgen des Klimawandels. Den Vorwurf, dass die MSCMunich Security Conference eine Tagung der Rüstungsindustrie sei, weist Ischinger in Interviews zurück: „Die Kritik ist einfach falsch. Die Zahl der Rüstungslobbyisten dort ist verschwindend gering. Die große Mehrheit bilden Politiker, Generale, Parlamentarier, Wissenschaftler und NGOs wie Greenpeace, Amnesty International oder Human Rights Watch.„ Kritische Debatten und unangenehme Fragen seien ausdrücklich erwünscht.
Ischinger beschreibt die Münchner Sicherheitskonferenz in der Öffentlichkeit als Plattform für den Austausch und Verhandlungen – ohne eigene Agenda. „Es können und sollen dort aber keine Vereinbarungen getroffen werden: Weltpolitisch verbindliche Entscheidungen fallen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.„ Der Mehrwert der MSCMunich Security Conference liege in ihrem informellen Charakter und der privaten, ungezwungenen Atmosphäre. „Wo sonst trifft ein russischer oder amerikanischer Außenpolitiker auf so viele kluge Professoren? Und wo sonst können sich zum Beispiel die Außenminister eigentlich verfeindeter Länder informell treffen? Die Sicherheitskonferenz kann Anstöße liefern.“ Die Teilnehmer müssen, so Ischinger, kein Abschlussdokument aus-handeln, sondern können sich frei und ohne Protokoll austauschen – auf den Gängen, in kleinen Runden oder an der Hotelbar. Die Konferenz biete den Akteuren viel Raum für Treffen außerhalb des öffentlichen Plenums. 2017 zählten die Organisatoren über 1.000 Hintergrundgespräche.
Für die Stadt München ist das prominente Teilnehmerfeld jedes Jahr eine Herausforderung. 2017 waren 4.000 Polizisten im Einsatz, um den Tagungsort zu schützen – aber auch Protestveranstaltungen zu ermöglichen. Im Umfeld der MSCMunich Security Conference fanden zudem über 100 Nebenveranstaltungen statt, die auf die Agenda der Konferenz einwirken und die Teilnehmer zu sich einladen.
Die MSCMunich Security Conference wird privat organisiert und weitgehend von Sponsoren und Partnern finanziert. Die Bundesregierung unterstützt die MSCMunich Security Conference im Rahmen ihrer sicherheitspolitischen Öffentlichkeitsarbeit vor allem personell und organisatorisch. Der Bundeswehr fällt dabei eine zentrale Rolle zu, wie Ischinger kürzlich im Interview mit aktuell erklärte: „Ohne die Bundeswehr wäre die Münchner Sicherheitskonferenz so nicht durchführbar. Dafür bin ich sehr dankbar.„
Die MSCMunich Security Conference hat sich international einen Namen gemacht – als Dialogforum und Ort für informelle Gespräche. Die University of Pennsylvania bezeichnet sie in einer Studie als beste „Think Tank Conference„ der Welt. Das Teilnehmerfeld und die Agenda werden in jedem Jahr von Ischinger und seinem Team neu bestimmt: „Ich mache mir jedes Jahr wieder Gedan-ken, von wem ich erwarten könnte, dass er in der gegenwärtigen Lage Impulse setzt. Den lade ich dann ein. Manchmal geht es schief, manchmal klappt’s“ – wie 2016, als der damalige US-Vizepräsident Joseph Biden und der russische Außenminister Sergej Lawrow bilaterale Abrüstungsgespräche vereinbarten und zudem alle Parteien des Syrienkonflikts an einen Tisch brachten. Manchmal liefert die MSCMunich Security Conference die Grundlagen für handfeste Ergebnisse.
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