Kein Land zum Reisen, warnt das Auswärtige Amt auf seiner Internetseite. Für Ausländer kann es in Nigeria gefährlich werden. In weiten Teilen herrschen hohen Kriminalitätsraten und ethnische Spannungen. Der Staat kann nur eingeschränkt für Sicherheit sorgen. In den vergangenen Jahren ist Nigeria immer wieder wegen Entführungen in die Schlagzeilen geraten. Oft stecken finanzielle Motive dahinter – dabei ist Nigeria gemessen am Bruttoinlandsprodukt eines der stärksten Länder Afrikas.
Nigerias Wirtschaftskraft basiert zu großen Teilen auf Ölvorkommen. Rund zwei Millionen Barrel Öl werden täglich exportiert. 90 % der Staatsausgaben basieren auf den Einnahmen durch den Export von Öl und Gas. Korruption, Misswirtschaft und Verteilungskonflikte verhindern eine ökonomische und soziale Entwicklung, an der alle Bürger partizipieren. Über die Hälfte der Menschen lebt unterhalb der Armutsgrenze. Die durchschnittliche Lebenserwartung von 53 Jahren ist eine der geringsten der Welt.
Die Hauptstadt Abuja im Landesinneren ist in den 1970er Jahren künstlich geschaffen worden. 1991 wurde die Planstadt zum Regierungszentrum. Abuja umfasst etwa 1,5 Millionen Einwohner und ähnelt in puncto Infrastruktur, Straßennetz, Geschäften und Freizeitaktivitäten westlichen Standards. Für die Mehrheit der Bevölkerung ist Abuja nicht zu bezahlen. Ein Großteil der über 180 Millionen Nigerianer wohnt auf dem Land oder in Slums außerhalb der Städte. Die am Atlantik liegende Megacity Lagos hat fast 20 Millionen Einwohner. Die ehemalige Hauptstadt ist weiterhin das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Nigerias.
Die frühere britische Kolonie ist seit 1960 unabhängig. Nigerias Staatsgebilde ist – wie viele afrikanische Länder – künstlich erzeugt und nicht homogen. Drei tiefgreifende Konflikte ziehen sich durch das Land. Den grundlegenden Konflikt zwischen dem mehrheitlich christlichen Süden und dem muslimischen Norden kann auch die föderale Verfassung nicht auflösen. Im Süden dominieren landwirtschaftliche Strukturen, während der Norden bis heute nomadisch geprägt ist. Am „Middle Belt“ treffen die ethnischen, kulturellen und auch sozialen Unterschiede aufeinander – oft gewaltsam.
In der internationalen Wahrnehmung dominiert der Kampf gegen Boko Haram, die Teile des Nordostens des Landes besetzt hält. Die islamistische Terrororganisation hat 2014 ein Kalifat ausgerufen und ist in der Weltöffentlichkeit durch verheerende Anschläge und Massenentführungen bekannt geworden. Die nigerianischen Streitkräfte führen verlustreiche Kämpfe gegen Boko Haram. Für Beobachter bedroht der Krieg aber nicht die gesamtstaatliche Ordnung und Integrität. Dafür ist das umkämpfte Gebiet zu klein und strategisch nicht bedeutend genug.
Ungleich wichtiger ist das dritte Konfliktfeld im Süden des Landes. Im Nigerdelta liegen die großen Ölvorkommen. Seit Jahren liefern sich die Streitkräfte Gefechte mit bewaffneten Gruppen. Um den Ölexport nicht zu gefährden, hat die Regierung ein Amnestieprogramm erlassen, das Milizen ein monatliches Einkommen zuspricht, sofern sie ihre Waffen niederlegen. 2016 wurde das Programm vorübergehend ausgesetzt, nach gezielten Anschlägen und Sabotageakten gegen Pipelines aber wieder erneuert. Der Ölreichtum zieht auch viele Kriminelle und Schmuggler in die Region, die sich bereichern. Der Kreis reicht von einfachen Dieben bis zu organisierten Netzwerken.
Die Entwicklung Nigerias weist Höhen und Tiefen auf. Seit der Gründung 1960 gab es Phasen der Instabilität, Militärdiktatur und Demokratisierung. Bis heute herrschen in großen Teilen des Landes Unruhen und Konflikte, die sich gewaltsam entladen. Der Ölreichtum des Landes ist Segen und Fluch zugleich. Die Exporteinnahmen haben zu einer enormen Abhängigkeit geführt. Nachhaltige Strukturen, wie eine ausdifferenzierte Wirtschaft oder ein Steuersystem, das die staatliche Ordnung trägt, gibt es kaum. Für das Nigerdelta kommt eine erhebliche Umweltzerstörung hinzu. Es würde Jahre brauchen, um die Natur zu entlasten – dafür fehlt es aber am Bewusstsein vieler beteiligter Akteure. Nigeria bleibt bis auf Weiteres ein Land mit großem Entwicklungs- , aber auch Konfliktpotential.
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