Deutschland übernimmt international mehr Verantwortung im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Ein wichtiges Instrument ist die seit 2016 bestehende Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung. Was genau hinter dem Begriff steckt und welche Ziele die Regierung damit verfolgt, wird hier erklärt.
Die vom Bundesministerium der Verteidigung und dem Auswärtigen Amt gemeinsam verantwortete Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung (EIBReg) unterstützt Partnerländer durch Beratung, Ausbildung, Ausstattung, Ausrüstung und Infrastruktur darin, Verantwortung für die eigene Sicherheit zu übernehmen. Primäres Ziel ist es, Ursachen von Krisen möglichst frühzeitig zu bekämpfen und deren Ausbruch zu verhindern. Die Initiative soll den Sicherheitssektor der Partnerländer nachhaltig unterstützen und so auch Deutschland und Europa sicherer machen.
Einen einzigen, immer richtigen Weg zum Ziel gibt es nicht. Verschiedene Komponenten des sicherheitspolitischen Instrumentenkoffers müssen zusammenwirken und sich gegenseitig ergänzen, um Integrierte Sicherheit zu erreichen. Integrierte Sicherheit meint das Zusammenwirken aller relevanter Akteure, Mittel und Instrumente – sie ist das Leitmotiv der Nationalen Sicherheitsstrategie. Die Ertüchtigungsinitiative ist ein Beispiel hierfür. Auch sie hat ihrerseits viele Facetten.
Grundsätzlich geht es um Hilfe zur Selbsthilfe. Fundament ist die Überzeugung, dass lokale Akteure Konflikte vor Ort prinzipiell besser lösen können als Staaten oder Bündnisse, die von außen einwirken. Oft fehlen den regionalen Partnern jedoch Mittel und Möglichkeiten, sich zu engagieren. Die Idee der Ertüchtigungsinitiative ist es daher, die Partner in die Lage zu versetzen, selbst für ihre Sicherheit sorgen zu können. Kerngedanke ist eine Partnerschaft auf Augenhöhe, die die Bedarfe der Partner in den Mittelpunkt stellt und ihre Sicherheitskräfte stärkt.
Jede Situation muss zunächst individuell analysiert werden. Die Ertüchtigungsinitiative bietet je nach Bedarf eine breite Palette an Möglichkeiten: Neben Ausbildung, Beratung, Ausstattung und Aufbau von Infrastruktur ist auch die Lieferung von Ausrüstung möglich. Letztere erfolgt unter Beachtung der bestehenden gesetzlichen und politischen Vorgaben zur Exportkontrolle.
Die Mittel für die EIBReg stammen aus dem Einzelplan 60 des Bundeshaushaltes. Er wird durch das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium bewirtschaftet. Die Ressorts stimmen sich zu den Projekten ab und haben eine gemeinsame Budgetverantwortung.
Die Mittel für die EIBReg betrugen in den vergangenen Jahren über 100 Millionen Euro jährlich. In 2023 wurden Projekte mit einem Gesamtvolumen von rund 190 Millionen Euro umgesetzt – die Unterstützung der Ukraine nicht eingerechnet. Seit 2020 und insbesondere im Kontext der Zeitenwende wurde der Ertüchtigungstitel immer wieder erhöht. Die zusätzlichen Mittel kamen dabei ab 2022 vor allem der Unterstützung der Ukraine sowie der Wiederbeschaffung von an die Ukraine abgegebenem Material der Bundeswehr zugute. Darüber hinaus unterstützt Deutschland die Ukraine auch maßgeblich über Beiträge zur European Peace Facility (EPFEuropean Peace Facility) der EUEuropäische Union.
Seit 2016 hat Deutschland über 50 Partnerstaaten und Organisationen ertüchtigt. Die meisten aktuellen Projekte laufen in den fünf Schwerpunktregionen Osteuropa, Westbalkan, Naher und Mittlerer Osten, Westafrika und Indo-Pazifik. Ziel dort ist es, die Regionen zu stabilisieren und zu verhindern, dass sich die Instabilität der Nachbarländer auf die Partnerländer auswirkt. Darüber hinaus gibt es länderübergreifende Einzelprojekte beispielsweise mit den Vereinten Nationen. Bislang konnten bereits etwa 1.200 Projekte abgeschlossen werden.
Ausgangspunkt der Projekte sind die von den Partnerstaaten selbst formulierten konkreten Bedarfe. Die darauf aufbauenden Projekte können schnell, flexibel und zielgenau realisiert werden – Erfolge stellen sich schnell ein. Im Sinne einer Partnerschaft auf Augenhöhe liegt der Projekterfolg in beidseitigem Interesse.
Die Nähe zu den Akteuren vor Ort ist ein entscheidender Faktor: Das Feedback erfolgt unmittelbar. Die deutsche Botschaft, deutsche Einsatzkontingente, militärische Berater oder Verbindungsoffiziere haben ein gutes Bild der Situation vor Ort. Das gilt auch für Akteure ziviler Organisationen – wie beispielsweise Mitarbeitende der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit oder der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Zudem finden regelmäßig Evaluierungen der Projekte durch Drittorganisationen statt.
Republik Moldau: In den Jahren 2022 und 2023 wurde die Beschaffung von 19 gepanzerten Radfahrzeugen des Typs Piranha III für die moldauischen Streitkräfte unterstützt. Die Fahrzeuge stärken die Verteidigungsfähigkeit des Landes und tragen dazu bei, dass es an internationalen Friedensmissionen teilnehmen kann. Ähnlich wie Georgien sieht sich Moldau durch Russland unmittelbar in seiner Souveränität bedroht. Entsprechend groß ist der Unterstützungsbedarf durch Partner.
Georgien: Im vergangenen Jahr konnten die Fähigkeiten der Pioniereinheiten der georgischen Streitkräfte zur frühzeitigen Erkennung und Räumung aufgefundener Munition sowie improvisierter Sprengvorrichtungen verbessert werden. Durch die Beschaffung entsprechender Ausrüstung sind die Kräfte außerdem in der Lage, besser bei der Bergung und Absicherung verletzter Personen zu unterstützen. Dadurch können sie im Katastrophenfall einen wichtigen Beitrag zum Schutz der georgischen Bevölkerung leisten.
Benin: Benin wurde 2023 mit Nachtsichtgeräten sowie Training zu deren Nutzung unterstützt. Ziel ist es, der Ausbreitung terroristischer Gruppen im Grenzgebiet zu Burkina Faso und Niger entgegenzuwirken.
Libanon: Nach der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut im August 2020 hat Deutschland sich mit der EIBReg beim Wiederaufbau des Stützpunktes der libanesischen Marine engagiert. Dabei wurde eine große Werkhalle sowie eine Großküche errichtet, in der mehr als 3.000 Soldatinnen und Soldaten im Raum Beirut versorgt werden können. Im Frühjahr 2021 wurde mit der Umsetzung dieses Großprojektes begonnen, 2023 wurde es abgeschlossen.
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