Wissen, was los ist. Erfahrungen weitergeben. Vertrauensvolle Zusammenarbeit verbessern. Das ist die Aufgabe der Experten der Vereinten Nationen und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa). Ausgebildet werden sie unter anderem von der Streitkräftebasis am Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr.
Völliges Durcheinander in der Bunkeranlage. Munitionsteile liegen herum, Gewehre, Pistolen, Granaten und Munition wurden offenbar achtlos in einer Ecke aufgestapelt. Rostige Verpackungen, aufgerissene Gebinde – wer war hier am Werk? Scheinbar unergründliche Strukturen der Verantwortlichkeit. Ein Bild, das sich bei weltweiten Rüstungskontrolleinsätzen bietet.
Am Zentrum für Verifikationsaufgaben wurden im September 2017 technische Spezialisten aus acht Nationen im Rahmen des jährlich stattfindenden Lehrgangs für sogenannte kleine und leichte Waffen (SALWSmall Arms and Light Weapons) sowie konventionelle Munition ausgebildet. Dieser basiert thematisch auf den beiden UNUnited Nations Richtlinien ISACS (International Small Arms Control Standards) und IATG (International Ammunition Technical Guidelines). Schwerpunkt ist dabei das Handlungstraining mit praktischer Übung für einen sogenannten Bewertungsbesuch im Rahmen der OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa bei einer Lagereinrichtung.
Mit der Darstellung eines „unordentlichen“ Waffenlagers sollen die Lehrgangsteilnehmer die Situation erfassen, schnelle Abhilfemaßnahmen vor Ort empfehlen und einen detaillierten Bericht gemäß international standardisierter Leitfäden mit Vorschlägen zur Verbesserung der Lagersituation verfassen.
Staaten, die sich freiwillig für einen solchen Bewertungsbesuch öffnen, wollen durch die Empfehlungen der Experten tatsächlich etwas verändern und weiter kommen. Dafür lohnt sich jeglicher Aufwand.
Die OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hat bereits im November 2000 das Dokument über Kleinwaffen und leichte Waffen verabschiedet. Dieses stellt gemeinsame Ausfuhr- und Überschusskriterien auf, schafft regionale Transparenz von Kleinwaffentransfers und bildet die Grundlage für einen umfassenden Informationsaustausch. Es ist das weitest gehende politisch verbindliche Dokument zu militärischen Kleinwaffen auf regionaler Ebene und hat Pilotcharakter für die Umsetzung und Weiterentwicklung des Kleinwaffenaktionsprogramms der Vereinten Nationen. Mit der gleichen Zielrichtung verabschiedete die OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa im Dezember 2003 ein Dokument zu Lagerbeständen konventioneller Munition.
Einmalig ist im Rahmen der OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa die Verbindung von Normsetzung, Erfahrungsaustausch und Projektarbeit. Viele OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa-Teilnehmerstaaten nutzen die in den Dokumenten zu Kleinwaffen und konventioneller Munition vorgesehene Möglichkeit, andere Teilnehmerstaaten um Hilfe bei der Sicherung und Zerstörung überschüssiger Kleinwaffen und Munitionsbestände zu ersuchen. Deutschland beteiligt sich an Bewertungsbesuchen, Fortbildungsaktivitäten und sonstigen Projektaktivitäten.
Kleinwaffen verursachen mehr Opfer als jede andere Waffenart, verschärfen Konflikte, destabilisieren Gesellschaften, hemmen Entwicklung. Genaue Zahlen gibt es nicht, doch Schätzungen zufolge sind fast 900 Millionen Kleinwaffen weltweit im Umlauf, für jeden achten Menschen eine.
Denn in den heutigen Kriegen kämpfen nicht hochgerüstete Truppenverbände an klaren Fronten gegeneinander, sondern Rebellengruppen, Milizen und marodierende Banden. Es geht um die Macht im eigenen Staat, um politische Forderungen oder die Kontrolle über Gebiete. Die meisten Opfer sind Zivilisten. Kleinwaffen sind billig, unverwüstlich, leicht zu transportieren und zu bedienen - kinderleicht. Bis zu 90 Prozent aller Kriegsopfer sterben heute durch Kleinwaffen.
Im Bereich der Munition ergeben sich die größten Herausforderungen aus unzureichenden infrastrukturellen, organisatorischen, materiellen und personellen Bedingungen für eine sachgemäße Lagerung nach international anerkannten Standards. Anlass zu besonderer Sorge geben die Mengen an Explosivstoffen, deren chemische Stabilität unter Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit soweit abnehmen kann, dass es zu Selbstentzündungen kommen kann. Schwund der Bestände durch Diebstahl, Korruption und Fahrlässigkeit sind an der Tagesordnung.
Da Munition unabhängig von Alter und Zustand noch für den terroristischen Einsatz in unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen genutzt werden könnte, bleibt ihr Gefährdungspotential nicht lokal begrenzt. Maßnahmen zur Verbesserung der Absicherung und Vernichtung von Überschussbeständen dienen damit immer auch der Prävention von Sprengstoffanschlägen.
Hinzu kommen die kontinuierlichen toxischen Belastungen für Mensch und Umwelt, wenn Explosivstoffe austreten und dabei Boden und Grundwasser verunreinigen.
Mögliche Lösungen ergeben sich durch Ausbildung des Personals, sichere Lagerung, Markierung, Registrierung, Nachweis, kontrollierte Aussonderung oder auch Vernichtung der Bestände. Hier bietet die MSAG (Multinational Small Arms and Ammunition Group) für freiwillig teilnehmende Staaten ein Forum zur Erörterung jeglicher Fragen und Erfahrungen bezüglich der praktischen Umsetzung künftiger, aktueller oder früherer Initiativen dieser Staaten und dient als Plattform für den Informationsaustausch und die Koordinierung von Maßnahmen im Bereich der SALWSmall Arms and Light Weapons und der konventionellen Munition.
Neben der Berücksichtigung der technischen Spezialisten werden ebenso die „Entscheider“ auf ministerieller Ebene aus- und weitergebildet. So nahmen im November 2017 an dem in Zusammenarbeit mit der unabhängigen, gemeinnützigen Organisation Bonn International Center for Conversion (BICCBonn International Center for Conversion) stattfindenden Lehrgang 22 hochrangige Vertreter aus dem Bereich der Afrikanischen Union teil. Der zweiwöchige Kurs startete in Berlin und wurde in der zweiten Woche am ZVBwZentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr fortgesetzt. Das BICCBonn International Center for Conversion betreibt unter anderem Projekte zur Kleinwaffenkontrolle und Demobilisierung.
Die Dienststelle in Geilenkirchen arbeitet seit vielen Jahren auf dem Gebiet der sicheren Lagerhaltung von Kleinwaffen und Munition – mit praktischen Beispielen und hochkarätiger Besetzung. Die Kursagenda der 22 zuletzt nach Deutschland eingeladenen Verantwortlichen für Kleinwaffenkontrolle in Afrika hat es in sich. Er beinhaltet unter anderem den Umgang mit eingesammelten Waffen und deren Vernichtung oder, wenn noch brauchbar und erwünscht, die richtige und sichere Lagerung. Wichtig insbesondere für den afrikanischen Kontinent, wo aktuell zum Beispiel die massive Schwemme von Waffen und Munition aus Libyen ein wichtiges Thema ist.
Brigadegeneral Christo Simon Fataki aus dem Süd-Sudan bringt die Vorteile für sich und die Delegierten aus der „erweiterten Sahelzone“ auf den Punkt: „Wir sind Deutschland und dem Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr sehr dankbar für diese Möglichkeit“, sagt er bei einem Besuch im Munitionsdepot im nordrhein-westfälischen Rheinbach, wo den Teilnehmern ein tiefer Einblick in die Lagerhäuser und in die Wartungsanlagen gewährt wurde. „Die Bundeswehr ist weltweit bekannt für ihre gute Infrastruktur, Handhabung und Bewachung wenn es um Munition und Waffen geht.“ Fataki ist Direktor des Regional Centre on Small Arms am Horn von Afrika und damit Partner sowie wichtige Ansprechstelle der Europäischen Union.
Der zweiwöchige Aufenthalt in Deutschland schaffe durch intensive Bewusstseinsbildung eine hohe Sensibilität bei allen Teilnehmern, ist sich der General sicher. „Der Erfahrungsaustausch hilft uns bei der Ausbildung von Verantwortlichen und bei der Vermeidung eigener Fehler.“ Ziel ist es letztendlich, Afrika sicherer zu machen. Darum werden die eingangs beschriebenen Szenarien hoffentlich bald der Vergangenheit angehören und sich das Bild bei Bewertungsbesuchen wandeln. Schon jetzt konnten für viele afrikanische Staaten verständnisvolle Ansprechpartner gewonnen werden.
Inhalte teilen via