Am 4. März 2025 sind Vertreterinnen und Vertreter der Ostsee-Anrainerstaaten – darunter Deutschland, Norwegen, Dänemark, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Polen und Schweden – sowie von NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union zu einem Workshop in Berlin zusammengekommen. Bei dem Treffen auf Arbeitsebene ging es um Themen der maritimen Sicherheit und um die Implementierung eines regionalen Hubs zum Schutz kritischer Unterwasserinfrastruktur in der Ostsee.
Ende Dezember 2024 – an dem Stromkabel „EstLink 2“ zwischen Finnland und Estland wird ein Schaden festgestellt. Die finnischen Behörden gehen von Sabotage durch einen schleifenden Anker des Öltankers „Eagle S“ aus. Der bei St. Petersburg gestartete Tanker gilt als Schiff der russischen Schattenflotte.
Seien es die Sabotageakte an den Nord-Stream-Pipelines oder die Beschädigung unterseeischer Datenkabel, mutmaßlich durch Tanker der russischen Schattenflotte wie „Eagle S“ – vor allem in der Ostsee kommt es seit Monaten vermehrt zu hybriden Angriffen auf kritische Unterwasserinfrastruktur. Diese liegt auf dem Meeresgrund und gewährleistet vor allem Energieversorgung oder Kommunikation. Anschläge darauf haben das Potenzial, Wohlstand und Stabilität der europäischen Staaten zu gefährden.
Als Reaktion auf die wiederholten Beschädigungen beschlossen die Ostsee-Anrainerstaaten der NATONorth Atlantic Treaty Organization auf ihrem Ostsee-Sondergipfel im finnischen Helsinki am 14. Januar 2025, mehr für die Sicherheit kritischer Unterwasserinfrastruktur in der Ostsee zu tun. So startete die NATONorth Atlantic Treaty Organization die Aktivität „Baltic Sentry“ – die „Baltische Wache“ – zur Stärkung ihrer militärischen Präsenz. Bundeskanzler Olaf Scholz nannte die Einrichtung regionaler Hubs zum Schutz kritischer Unterwasserinfrastruktur, die gemeinsame maritime Lagebilderstellung sowie den Einsatz autonomer Systemen zur Überwachung als Maßnahmen, die es jetzt umzusetzen gelte.
Das Bündnisgebiet der NATONorth Atlantic Treaty Organization umfasst große Seegebiete wie den Atlantischen Ozean, das Nordmeer, das Mittelmeer, das Schwarze Meer und die Ostsee. Sie alle sind voller Unterwasserinfrastruktur. Unter den NATONorth Atlantic Treaty Organization-Alliierten herrscht Konsens, dass eine stärkere regional strukturierte Umsetzung von Schutzmaßnahmen und eine verbesserte Koordinierung erforderlich ist, um hybride Angriffe erfolgreich abzuwehren.
Norwegen und Deutschland hatten zusammen mit weiteren Staaten die Schaffung fünf regionaler „CUICritical Undersea Infrastructure Hubs“ vorgeschlagen – CUICritical Undersea Infrastructure steht für Kritische Unterwasserinfrastruktur. Betrieben von einem oder mehreren Bündnispartnern, sollen die Hubs regionale Lagebilder erstellen und gleichzeitig zur Abschreckung beitragen. Norwegen hatte angeboten, einen Hub für das Nordmeer aufzustellen, Deutschland will regionale Verantwortung in der Ostsee übernehmen. Seither haben sich viele weitere Bündnispartner der Initiative angeschlossen. Die wiederholte Beschädigung maritimer Infrastruktur hat die veränderte Sicherheitslage verdeutlicht.
Beim Expertentreffen in Berlin ging es nun darum, Expertise, Fähigkeiten und Ressourcen der Verbündeten, ihrer Partner sowie der gewerblichen Eigentümer der kritischen Infrastruktur zu koordinieren und sich besser miteinander zu vernetzen. Am Ende soll ein Echtzeit-Lagebild der Unterwasserinfrastruktur stehen, um Spionage und Sabotage frühzeitig zu erkennen und dagegen vorgehen zu können.
Regionaler CUICritical Undersea Infrastructure Hub Ostsee, maritimes Lagebild, Drohneneinsatz, Seerecht: Auf die Absichtserklärungen des Ostsee-Sondergipfels in Helsinki folgte in Berlin nun die Erarbeitung konkreter Maßnahmen. Vertreterinnen und Vertreter der Ostsee-Anrainerstaaten sowie von NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union kamen im Bendlerblock, dem Berliner Sitz des Verteidigungsministeriums, zum intensiven Austausch in Arbeitsgruppen zusammen. Das Ziel: Erste Schritte bei der gemeinsamen Umsetzung der Gipfelbeschlüsse.
Die Arbeitsgruppe CUICritical Undersea Infrastructure fokussierte sich auf das weitere Vorgehen bei der Umsetzung des Konzepts der regionalen CUICritical Undersea Infrastructure Hubs, vor allem dem in der Ostsee. Im Mittelpunkt stand die Erstellung einer Roadmap. Dabei liegt auf der Hand, dass der maritime Führungsstab CTF Baltic im Marinekommando Rostock künftig eine tragende Rolle bei der Aufstellung des CUICritical Undersea Infrastructure Hubs Ostsee einnehmen wird.
Die Arbeitsgruppe Lagebild beschäftigte sich in Berlin vor allem mit technischen Möglichkeiten der Vernetzung militärischer und ziviler Sensoren zu einem leistungsfähigen Verbund. Im Vordergrund stand das Zusammenführen verschiedener Daten sowie die Integration ziviler Akteure, wie Windparkbetreiber oder Kommunikationsanbieter. KIKünstliche Intelligenz soll dabei helfen, Anomalien auf dem Meeresgrund frühzeitig zu erkennen und bei Verdacht Alarm zu schlagen.
Die Arbeitsgruppe Drohnen folgt der Ankündigung des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Generalsekretärs, unbemannte Systeme zur Überwachung der Ostsee einzusetzen. Dafür tauschten die Mitglieder sich im Bendlerblock über laufende nationale Vorhaben sowie gemeinschaftliche Initiativen aus. Verfügbare innovative Technologien wurden vorgestellt, Kooperationsmöglichkeiten ausgelotet und ein gemeinsames Vorgehen im Rahmen der NATONorth Atlantic Treaty Organization Task Force X-Baltic erörtert.
Die Arbeitsgruppe Recht setzte sich mit der Frage auseinander, welche Möglichkeiten das Seerecht, aber auch andere internationale Verträge und die nationalen Gesetze der Anrainerstaaten bieten, um im Verdachtsfall beispielsweise gegen Schiffe der Schattenflotte vorgehen zu können.
Am Ende des Tages stach eine Erkenntnis besonders heraus: Für ein dynamisches maritimes Lagebild ist eine optimale Vernetzung der zahlreichen Akteure, sprich Anrainerstaaten, Streitkräfte, Sicherheitsbehörden, Betreiber und Industrie, essenziell. Im Kern geht es um die Zusammenführung von Daten und Informationen, die von verschiedenen Sensoren erhoben werden – ob unter Wasser, über Wasser, von Drohnen, Schiffen oder Satelliten. Die in Berlin diskutierten Themen werden nun weiterbearbeitet, um den Staats- und Regierungschefs auf dem NATONorth Atlantic Treaty Organization-Gipfel in Den Haag im Juni 2025 Ergebnisse präsentieren zu können.
Inhalte teilen via