Deutschland feiert 2024 das 75-jährige Bestehen des Grundgesetzes, das Freiheit, Frieden und Demokratie garantiert. Die Bundeswehr verteidigt diese Werte. Das ist ihr verfassungsgemäßer Auftrag. Festgelegt ist dieser im Grundgesetz. Dort ist auch geregelt, wer wie die Bundeswehr kontrolliert.
Das Grundgesetz ist die Verfassung der Bundesrepublik. Es regelt seit dem 23. Mai 1949 das Zusammenleben in Deutschland. Seit seinem Inkrafttreten ist die Bundesrepublik ein freiheitlicher und demokratischer Rechtsstaat. Deutsche Streitkräfte waren aber im Grundgesetz – nur vier Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges – zunächst nicht vorgesehen. Doch die neu geschaffene freiheitliche demokratische Grundordnung war eine wichtige Voraussetzung für die Integration der Bundesrepublik in die westliche Staatengemeinschaft und damit auch für den Beitritt in das Wertebündnis der NATONorth Atlantic Treaty Organization sowie den Aufbau deutscher Streitkräfte. Dazu musste jedoch das Grundgesetz schon bald wieder geändert werden.
Im Zuge der der konsequenten Bindung an die westliche Staatengemeinschaft und des sich verschärfenden Ost-West-Konfliktes wurde schon seit 1950 über die Aufstellung eigener Streitkräfte nachgedacht. Mit dem Ausbruch des Koreakrieges erschien die Bedrohung aus dem Osten immer stärker. Angesichts des Bedarfs an zusätzlichen Truppen zeigten sich die West-Alliierten immer aufgeschlossener für eine westdeutsche Wiederbewaffnung.
Der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer machte Theodor Blank zu seinem „Beauftragten für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen“. Er und weitere Experten seiner Dienststelle, dem „Amt Blank“, berieten schon ab 1951 mit Vertretern der Westmächte die grundsätzlichen Bedingungen für künftige westdeutsche Streitkräfte: Sie sollten von vornherein als Armee im Bündnis und in der Demokratie angelegt sein sollte.
Bei der deutschen Bevölkerung war die Wiederbewaffnung zeitweise sehr umstritten. Weite Teile lehnten sie mit Blick auf die noch recht frischen Kriegserfahrungen grundsätzlich ab. Die Politik der Wiederbewaffnung wurde dennoch fortgesetzt: Am 9. Mai 1955 trat Deutschland der NATONorth Atlantic Treaty Organization bei und am 7. Juni 1955 wurde das Bundesverteidigungsministerium gegründet. Was noch fehlte, war eine Armee.
Nach den Diskussionen über die Wiederbewaffnung befasste sich das Parlament mit den rechtlichen Bedingungen für die Aufstellung der zunächst noch namenlosen Truppe. Zwei Drittel der Bundestagsabgeordneten stimmten schließlich für die dafür nötigen Grundgesetzänderungen: Die Wehrverfassung konnte am 22. März 1956 in Kraft treten.
Doch was ist mit Wehrverfassung gemeint? Im Grundgesetz gibt es keinen eigenen Abschnitt für die Bundeswehr. Für die Streitkräfte relevante Bestimmungen finden sich in vielen Artikeln der Verfassung. Die zentrale Norm ist jedoch Artikel 87a des Grundgesetzes: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf“, heißt es dort. Damit ist der Kernauftrag der Bundeswehr festgelegt. Vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen sollte ein Missbrauch der Streitkräfte künftig ausgeschlossen sein. Deshalb dürfen laut Absatz 2 des Artikels die Streitkräfte außer zur Verteidigung nur eingesetzt werden, soweit das Grundgesetz es ausdrücklich zulässt. Dazu gehören:
Die Besonderheit an Artikel 24 Absatz 2 GG ist, dass hier Auslandseinsätze der Streitkräfte nicht ausdrücklich erwähnt sind: „Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern.“
Doch mit seinem Urteil vom 12. Juli 1994 bestätigte das Bundesverfassungsgericht, dass Deutschland als Mitglied in diesen Sicherheitssystemen wie den Vereinten Nationen und der NATONorth Atlantic Treaty Organization befugt ist, sich mit der Bundeswehr an Einsätzen auch außerhalb des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Territoriums („out of area“) zu beteiligen. Allerdings stellte Deutschlands höchstes Gericht einschränkend fest, dass diese Auslandseinsätze grundsätzlich der vorherigen Zustimmung des Bundestages bedürfen. Mit diesem „Parlamentsvorbehalt“ wurde der Status der Bundeswehr als Parlamentsarmee bekräftigt.
Deutlich wird die Kontrollfunktion des Parlamentes auch durch die im Grundgesetz festgelegte Budgethoheit des Bundestages. Gleich nach der Beschreibung des Auftrages der Streitkräfte heißt es im Artikel 87a des Grundgesetzes: „Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.“ Der Bundeshaushalt – und damit auch der Verteidigungsetat – müssen also vom Parlament beschlossen werden. So hat das Parlament auch über die Finanzierung einen Einfluss auf die Bundeswehr.
Außerdem müssen Beschaffungen der Bundeswehr, die teurer als 25 Millionen Euro sind, vom Haushaltsausschuss des Bundestages vorab genehmigt werden. Die Einrichtung des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens für die Bundeswehr in Artikel 87a Absatz 1a GG ist die jüngste Grundgesetzänderung zur Bundeswehr. Es wurde angesichts der Bedrohung durch Russland zur Stärkung der Landes- und Bündnisverteidigung 2022 vom Bundestag verabschiedet.
Nach Artikel 45a GG muss der Bundestag auch einen Verteidigungsausschuss einrichten, der das Verteidigungsministerium und die Bundeswehr kontrolliert. Es ist der einzige Parlamentsausschuss, der das Recht hat, sich auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder selbst zu einem Untersuchungsausschuss zu machen. Dann kann er sogar Zeugen vernehmen und Dokumente beschlagnahmen.
Eine weitere parlamentarische Kontrollinstanz für die inneren Vorgänge in den Streitkräften ist die Berufung eines Wehrbeauftragten oder einer Wehrbeauftragten gemäß Artikel 45b des Grundgesetzes. Sie oder er wird vom Bundestag in geheimer Wahl auf die Dauer von fünf Jahren gewählt. Der oder die Wehrbeauftragte ist gegenüber dem Verteidigungsministerium befugt, Auskünfte und Akteneinsicht zu verlangen sowie Truppenteile und Dienststellen jederzeit – auch unangemeldet – zu besuchen. Die Erkenntnisse erscheinen jährlich in einem Bericht und werden im Bundestag debattiert. Diese Berichtspflicht ist im Wehrbeauftragtengesetz in Paragraf 2 festgelegt.
In der Wehrverfassung wurde ebenfalls aufgrund der historischen Erfahrungen festgelegt, dass die Bundeswehr unter ziviler und nicht unter militärischer Führung steht. Die Verteidigungsministerin oder der Minister haben nach Artikel 65a GG die Befehls- und Kommandogewalt inne. Sie geht gemäß Artikel 115b GG, also mit der Verkündung des Verteidigungsfalles auf Bundeskanzlerin oder -kanzler über.
Ein weiterer verfassungsmäßiger Einschnitt in die bisherige deutsche Militärtradition war die funktionale und organisatorische Trennung von Streitkräften und Wehrverwaltung. Das Grundgesetz sieht in Artikel 87b die Einrichtung der Bundeswehrverwaltung vor. Die Verfügungsgewalt über Rüstung und Verwaltung sowie die damit verbundenen zugewiesenen Finanzmittel erhalten zivile Beamte.
Nach Artikel 12a GG können Männer „zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden“. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ergibt sich aus Artikel 4 Abatz 3 GG. Ab 1957 wurden die ersten jungen Männer zum Grundwehrdienst einberufen.
Am 1. Juli 2011 wurde durch einen Beschluss des Bundestages die verpflichtende Einberufung zum Grundwehrdienst ausgesetzt. Grundlage für diese Entscheidung waren die veränderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen – die Bundeswehr brauchte nach dem Kalten Krieg weniger Personal und engagierte sich vor allem in Auslandsmissionen. Allerdings blieb die Allgemeine Wehrpflicht im Grundgesetz verankert. So ist ein künftiger Aufwuchs der Streitkräfte bei veränderter Bedrohungslage möglich.
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