Kriegstüchtigkeit, Führungsfähigkeit und Wehrpflichtfähigkeit – diese Grundanforderungen stehen hinter der neuen Struktur für die Bundeswehr. Detaillierte Informationen dazu und zur Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung finden Sie hier.
Vom brutalen und völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, den stetigen Drohgebärden aus Moskau gegen NATONorth Atlantic Treaty Organization, EUEuropäische Union und Deutschlands Bündnispartner bis hin zu den hybriden Angriffen Russlands auch gegen Deutschland und dessen gesellschaftlichen Zusammenhalt – alles das führt täglich vor Augen, dass zeitgemäße Landes- und Bündnisverteidigung für die Bundeswehr wieder im Zentrum der Anstrengungen stehen muss. Das erfordert eine andere Struktur als die zuletzt auf internationales Krisenmanagement optimierte Organisationsstruktur der Streitkräfte und der Wehrverwaltung.
Die Bundeswehr muss kriegstüchtig werden. Sie benötigt Entscheidungs- und Abstimmungsprozesse, die sich maßgeblich an den Faktoren Schnelligkeit, Informationsüberlegenheit und Belastbarkeit orientieren. Sie muss Schnittstellen reduzieren, Stabslastigkeit abbauen und die unteren taktischen Ebenen als entscheidende Träger von Wirkung stärken. Die Formulierung der Kriegstüchtigkeit als Anspruch ist kein Säbelrasseln.
Genügt die Bundeswehr diesem Anspruch, erlangt sie dadurch die Fähigkeit, Deutschlands Sicherheit und die seiner Bündnispartner bereits durch Abschreckung zu garantieren. Zugleich werden im Falle einer Aggression gegen Bündnispartner die Fähigkeiten der Bundesrepublik Deutschland gestärkt, diesen entschlossen zur Hilfe zu kommen.
Die sicherheitspolitische Lage ist dynamischer und unvorhersehbarer geworden. Tagtäglich wird deutlich, was die Bundeswehr im Falle eines groß angelegten Verteidigungseinsatzes im Bündnisrahmen wird leisten müssen. Strukturen sind nur ein Faktor, aber sie müssen die Bundeswehr künftig bei der Wahrnehmung des Verteidigungsauftrages bestmöglich unterstützen.
In dieser Legislatur ist viel passiert. Konzeptionell hat die Bundesregierung eine Nationale Sicherheitsstrategie verabschiedet. Daraus wurden neue Verteidigungspolitische Richtlinien abgeleitet. Das Sondervermögen war der Anfangspunkt einer grundlegenden Trendumkehr. Beschleunigungsmaßnahmen im Rahmen der Beschaffungen schlossen sich an, dann folgten Maßnahmen im Kontext Personal, die Neuaufstellung des Leitungsbereiches im BMVgBundesministerium der Verteidigung mit der Einführung des Planungs- und Führungsstabes und schließlich die Reorganisation des BMVgBundesministerium der Verteidigung.
Daher ist jetzt ein guter Zeitpunkt, die begonnenen Weichenstellungen im Rahmen der Refokussierung auf den Verteidigungsauftrag auch auf den nachgeordneten Bereich zu übertragen und eine neue Struktur der Streitkräfte und des nachgeordneten zivilen Bereiches auf den Weg zu bringen.
Die Bundeswehr der Zeitenwende steht für die Refokussierung auf die Verteidigung als vorrangigen Auftrag der Bundeswehr. Sie versetzt die Bundeswehr in die Lage, dem Anspruch der Kriegstüchtigkeit in Zukunft zu genügen. Das bedeutet, dass Personal, Ausstattung und Prozesse sowie das Mindset auf die Wahrnehmung fordernder Aufträge bis hin zum hochintensiven Gefecht in Verteidigungseinsätzen ausgerichtet sind.
Die neue Struktur unterstützt die Bundeswehr bei der Wahrnehmung des verfassungsmäßigen Auftrages zur Landes- und Bündnisverteidigung. Das schafft sie durch eine klare Rollenverteilung im Verteidigungsfall, optimierte Entscheidungswege und -prozesse sowie die Etablierung einer Führung und Planung aus einer Hand, die im Bündnis anschlussfähig ist.
Einen wichtigen Beitrag dazu wird auch die Bundeswehrverwaltung erbringen, die in groß angelegten Verteidigungseinsätzen ganz andere Bedarfe erfüllen muss als bislang und die ihren Unterstützungsauftrag in der neuen Struktur ansatzlos und bruchfrei wird wahrnehmen können.
Von der Refokussierung auf den Verteidigungsauftrag ist die Bundeswehr als Ganzes betroffen. Der Bereich der operativen Führung, die heutige Streitkräftebasis sowie der Zentrale Sanitätsdienst sind von den konkreten Strukturentscheidungen stärker betroffen als andere. Wichtig ist, grundlegend neu zu denken und die Erfahrungen aus den Auslandseinsätzen zwar mitzunehmen, sich aber auf eine völlig neue Einsatzrealität mit ganz anderen Erfordernissen als in den letzten Jahren einzustellen. Dies geht weit über das Verteidigungsressort hinaus, denn ein Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung im Sinne der Abwehr eines militärischen Aggressors hätte ganz erhebliche Folgen für alle Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens.
Welche konkreten Auswirkungen es auf das Personal ergeben wird, zeigt sich erst mit der Feinausplanung. Eine Reduzierung des allgemeinen Personalumfanges ist nicht beabsichtigt.
Die Bundeswehr der Zeitenwende umfasst ein großes Maßnahmenbündel: Der bisherige Organisationsbereich CIRCyber- und Informationsraum wird künftig die vierte Teilstreitkraft der Bundeswehr. Der Bereich CIRCyber- und Informationsraum erfüllt die entscheidenden Kriterien einer Teilstreitkraft, indem er eine räumliche Verantwortung hat und militärische Handlungen in diesem Raum vornimmt.
Weiterhin erfolgt die Vereinheitlichung der operativen Führung in einem Operativen Führungskommando ebenso wie die Schaffung eines zentralen und für die Teilstreitkräfte gesamtverfügbaren Unterstützungsbereiches und die damit einhergehenden Änderungen in den Prozessen der Operationsführung.
Außerdem wird die Truppe konsequent entlastet. Wehrerfassungs- und Musterungsprozesse werden strukturell vorbereitet, um einen verpflichtenden Wehrdienst im Spannungs- und Verteidigungsfall verwaltungsseitig bewältigen zu können, so dieser politisch beschlossen wird. Auch der Bereich „Ausbildung“ in der Truppe muss zusätzlich gedacht werden. Neben diesen konkret umrissenen Maßnahmen hat die Projektgruppe „Struktur Bundeswehr“ Leitprinzipien erarbeitet, die vor allem der Bedeutung der Aufwuchsfähigkeit, der Agilität, der Digitalisierung sowie der Innovationsoffenheit für die Aufgabenwahrnehmung der Bundeswehr Rechnung tragen.
Die Bundeswehr achtet bei der Umstrukturierung sorgfältig darauf, dass Fachexpertise und bestehende Kompetenzen erhalten bleiben. Beispiel Auslandseinsätze im Rahmen des internationalen Krisenmanagements: Aktuell zeigen die sich erneut zuspitzende Lage im Kosovo und die Angriffe der Huthi auf Handels- und Kriegsschiffe im Roten Meer, dass Deutschland mit der Bundeswehr als einem Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik jederzeit bereit sein muss, auf vielfältige und teilweise kaum vorhersehbare internationale Krisen, Friedensbrüche und Sicherheitsbedrohungen mit dem Einsatz von Kräften zu reagieren. Dazu wird auch eine strukturell auf den Verteidigungsauftrag ausgerichtete Bundeswehr die Expertise benötigen, die sie sich im Rahmen teils langjähriger Auslandseinsätze hart erarbeitet hat.
Die zivilen Bereiche sind genauso wie die militärischen Bereiche von der Refokussierung auf den Verteidigungsauftrag betroffen. Ziel ist es, den bundeswehrgemeinsamen Ansatz stärker zu leben. Dabei werden Streitkräfte und Wehrverwaltung enger verzahnt, als sie es heute bereits sind. So können sie effizienter miteinander arbeiten und in den Bereichen Personal, Material, Infrastruktur abgestimmter agieren. Außerdem wird auch im Bereich der Wehrverwaltung Vorsorge für den Verteidigungsfall getroffen. Dabei werden die drei großen zivilen Organisationsbereiche Personal, Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung (AINAusrüstung, Informationstechnik und Nutzung) sowie Infrastruktur Umweltschutz und Dienstleistungen (IUDInfrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen) jeweils eigene Strukturveränderungen umsetzen – die sich unter anderem aus den Leitprinzipien ableiten lassen.
Im Bereich IUDInfrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen sind dies beispielsweise die Ausplanung von Länderbeauftragten als Ansprechpartner der Wehrverwaltung für die Streitkräfte und die Länder, die Ausplanung mobiler und in die Streitkräfte integrierter Unterstützungselemente, die Koordinierung des Vollzuges von Vorsorge- und Sicherstellungsgesetzen sowie die Wahrnehmung von Wallmeisteraufgaben, um einen möglichen feindlichen Aufmarsch zu stoppen.
Im Bereich AINAusrüstung, Informationstechnik und Nutzung werden zum Beispiel Maßnahmen zur fortgesetzten Gewährleistung der Ausrüstungsnutzung in Abweichung von Sicherheitsbestimmungen im äußeren Notstand umzusetzen sein sowie die Festlegungen von Mindestbevorratungsmengen, etwa im Bereich der Bekleidung und persönlichen Ausrüstung, um die Aufwuchsfähigkeit zu gewährleisten.
Im Bereich Personal werden Wehrerfassungs- und Musterungsprozesse vorzubereiten sein, um eine verpflichtende Einberufung zum Wehrdienst etwa im Spannungs- und Verteidigungsfall verwaltungsseitig bewältigen zu können, sofern das durch die Politik beschlossen wird. Regionale Strukturen werden zudem verstärkt durch Regionale Personalzentren mit eigener Entscheidungsverantwortung sowie zur Steigerung der Reaktionsfähigkeit im Verteidigungsfall.
Die Reserve wird künftig eine immer stärkere Rolle spielen. Die Aufgabe der Koordinierung der Personalgewinnung und Ausbildung von Reservistinnen und Reservisten wird in Zukunft im Bereich des Heimatschutzes wahrgenommen. Der Heimatschutz wird im Heer verortet. Wer nicht im Heimatschutz beordert werden möchte, kann seinen Reservedienst in den nichtaktiven Truppenteilen der anderen Teilstreitkräfte oder dem Unterstützungsbereich leisten.
Das Wehrpflichtgesetz sieht die Reaktivierung der Wehrpflicht im Falle einer parlamentarischen Entscheidung über den Spannungs- und Verteidigungsfall vor. Wenn die Bundeswehr sich auf den Verteidigungsfall ausrichtet, dann braucht sie im Bereich Personal auch eine Struktur, die eine von Rechts wegen reaktivierte Wehrpflicht überhaupt verwaltungsseitig bewältigen kann. Dafür müssen jetzt die erforderlichen Schritte gegangen werden.
Nach der Entscheidung durch den Minister wurden zunächst die direkt betroffenen Dienststellen informiert. Jetzt schließen sich die Ausarbeitung von detaillierten Vorgaben für die Umsetzung und damit zusammenhängende erste organisatorische Schritte an.
Ziel ist es, die Anpassungen der Organisationsstruktur innerhalb eines Jahres abzuschließen.
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