Im Ozean verlegte Pipelines oder Datenkabel müssen in Zeiten verschärfter geopolitischer Spannungen besonders geschützt werden. Eine Herausforderung angesichts der riesigen Seegebiete und enormer Verlegetiefen. Die NATONorth Atlantic Treaty Organization hat das Problem erkannt und schafft die Voraussetzungen für den effizienten Schutz dieser Infrastrukturen. Das geht nur gemeinsam.
Es ist eine beunruhigende Gewissheit: Russland spioniert seit Jahren in nordischen Gewässern. Im Großen Belt, im Kattegat und in der Nordsee. Mit regulären Marineeinheiten, aber auch verdeckt mit zivilen Schiffen wie dem Forschungsschiff „Admiral Wladimirsky“. Manchmal mit, oft ohne die üblichen Positionstransmitter. Dabei zumeist im Fokus der Russen: Gaspipelines, Offshore-Windparks und Unterseekabel. Also die Nervenstränge der Energieversorgung und Kommunikation des Westens, kritische unterseeische Infrastruktur par excellence.
Generalleutnant a.D.außer Dienst Hans-Werner Wiermann überrascht das nicht. Bereits im Februar hatte der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Rat auf Ebene der Verteidigungsminister die Einrichtung einer Koordinierungszelle zum Schutz kritischer Unterwasserinfrastruktur angekündigt. Die Initiative dazu ging von Norwegen und Deutschland aus. Wiermann, der erst im August 2022 in den Ruhestand gegangen war, kehrte als Leiter dieser Zelle nach Brüssel zurück.
Seither sind er und seine Mitstreiter viel unterwegs. Wiermann berichtet das in einem Berliner Hotel. Tags zuvor war er schon im Kanzleramt und im Verteidigungsministerium. Nach dem Gespräch geht es ins Auswärtige Amt und am nächsten Tag weiter nach Litauen. „Wir führen die Gesprächsfäden zusammen“, sagt Wiermann. „Dazu reden wir vorwiegend mit Regierungen und Militärs aus NATONorth Atlantic Treaty Organization-Staaten und mit Vertretern der Industrie. Unsere Botschaft lautet: Die NATONorth Atlantic Treaty Organization kann dabei helfen, diese Unterwasserinfrastrukturen effektiv zu schützen.“ Als maritimes Bündnis sei die Allianz sogar dafür prädestiniert, so Wiermann weiter. Aber der Nordatlantik und die angrenzenden Meere seien ein sehr großes Gebiet. „Und um dort erfolgreich zu agieren, brauchen wir eine solide Datenbasis.“
So seien einerseits technische Details zu bestimmten Infrastrukturen von Belang, andererseits die genaue geografische Verortung von Leitungen. „Die Industrie nutzt heute schon technisch ausgereifte Systeme, die anzeigen, wenn ein Kabel bricht oder sich ein Objekt annähert“, sagt Wiermann. Allerdings bedürfe es künftig einer engeren Vernetzung, namentlich auch zur Auswertung gewonnener Daten. Dies werde von vielen großen Unternehmen auch ausdrücklich gewünscht. Überhaupt spielen die Gewinnung, Analyse und Nutzung von Daten eine entscheidende Rolle.
Nach dem Anschlag auf die Nord-Stream-Trassen im September 2022 hatte die NATONorth Atlantic Treaty Organization ihre Kräfte in Nord- und Ostsee verdoppelt, um entlang der eigenen Infrastrukturen Flagge zu zeigen. Dennoch: Geschwader von Flugzeugen und Schiffen zur Seeüberwachung können nicht die alleinige Antwort der Allianz auf Spionagetätigkeiten sein. Angesichts des riesigen Gebiets sei es unmöglich, jeden Meter Datenkabel oder Pipeline rund um die Uhr zu überwachen. Beabsichtigt sei vielmehr, das Monitoring durch verschiedene Sensoren so dicht zu gestalten, dass ein Angriff auf die Infrastruktur einem etwaigen Angreifer nachgewiesen werden kann. „Wenn nämlich Seekabel tausende Meter tief verlegt wurden, ist es bislang technisch schwierig, zweifelsfrei einen Verantwortlichen zu benennen. Und das wirkt auf potenzielle Gegner im Rahmen der hybriden Kriegsführung einladend“, sagt Wiermann. So lasse sich gegebenenfalls schwerer Schaden anrichten. „Ist aber klar, wer für einen Angriff verantwortlich zeichnet, wirkt das abschreckend“, erklärt Wiermann. „Und auch darauf kommt es an.“
Bis zum NATONorth Atlantic Treaty Organization-Gipfel in Vilnius im Juli will der ehemalige Dreisternegeneral weiter mit Hochdruck daran arbeiten, alle Partner in der Allianz davon zu überzeugen, ein passendes Konzept durch den Nordatlantik-Rat zu bringen. „Gelingt es uns, in Litauen die Weichen zu stellen, können wir unmittelbar danach an die Umsetzung gehen“, sagt Wiermann. „Das wird kein Spaziergang, ist aber ohne Alternative.”
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