Wie haben sich die Einstellungen der Deutschen zur Bundeswehr und zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik über die vergangenen zehn Jahre entwickelt? Eine aktuelle Studie des Zentrums für Sozialwissenschaften und Militärgeschichte der Bundeswehr gibt einen Überblick.
Die Studie „Trendradar 2021“ von Timo Graf basiert auf den jährlichen repräsentativen Bevölkerungsbefragungen des ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, der längsten Reihe sicherheits- und verteidigungspolitischer Umfragen in Deutschland. Sie gibt die Trends zu den Einstellungen der Bevölkerung zur deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, zur NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union-Verteidigungszusammenarbeit, zur Höhe der Verteidigungsausgaben und zum militärischen Personalumfang der Bundeswehr im Verlauf der vergangenen zehn Jahre wieder.
Darüber hinaus analysiert sie Entwicklungen bei den Haltungen der Bürgerinnen und Bürger zur Bundeswehr: Wie werden die Bundeswehr und ihre Aufgaben in der Öffentlichkeit wahrgenommen?
Der Autor stellt fest, dass die Grundhaltung der Bevölkerung zur Bundeswehr seit Beginn des analysierten Zeitraums stabil positiv ausfällt. Die deutschen Streitkräfte genossen ein hohes gesellschaftliches Ansehen – im Studienzeitraum waren mindestens 75 Prozent der Deutschen gegenüber der Bundeswehr positiv eingestellt. 2020 galt das sogar für 82 Prozent.
Außerdem schenkte eine große Mehrheit, nämlich vier von fünf Bürgerinnen und Bürgern, der Bundeswehr ihr Vertrauen. Darüber hinaus erfuhren alle Aufgaben der Bundeswehr im Zeitverlauf stabil die Zustimmung einer klaren Bevölkerungsmehrheit, allen voran die Landes- und Bündnisverteidigung (zwischen 82 und 91 Prozent) sowie das internationale Krisenmanagement (zwischen 58 und 62 Prozent) und der Kampf gegen den internationalen Terrorismus (zwischen 62 und 71 Prozent).
Auch das Verhältnis von Bundeswehr und Gesellschaft wird seit vielen Jahren mehrheitlich positiv bewertet. Zwischen 72 und 90 Prozent der Bevölkerung hielten die Bundeswehr für einen ganz normalen Teil der Gesellschaft. 75 bis 87 Prozent fanden, dass diese zum Schutz unserer freiheitlichen Grundordnung beiträgt und 63 bis 83 Prozent, dass sie zentrale Werte wie Freiheit und Gerechtigkeit verkörpert. Immer mehr Menschen – zuletzt 52 Prozent – sind jedoch der Meinung, dass die Bundeswehr nicht genug unternimmt, um mit der Gesellschaft in Kontakt zu bleiben.
Die Bewertung von Ausrüstung und Leistung der Bundeswehr ist ebenfalls über die Jahre konstant geblieben: Eine deutliche Mehrheit der Deutschen beurteilte die Leistungen der Bundeswehr im Inland als positiv und überwiegend positiv im Ausland. Die Ausrüstung und Bewaffnung hingegen wurde mehrheitlich negativ und seit 2018 sogar überwiegend negativ gesehen: „Der verbesserungswürdige Ausrüstungsstand der Streitkräfte ist also seit mehreren Jahren im Bewusstsein der Bevölkerung (unverändert) präsent“, so die Studie.
Gefestigt sind die Einstellungen der Bevölkerung zur NATONorth Atlantic Treaty Organization und zur EUEuropäische Union-Verteidigungszusammenarbeit. Eine große Mehrheit (zwischen 58 und 60 Prozent) war der Auffassung, Deutschland solle sich sicherheits- und verteidigungspolitisch vorrangig in der NATONorth Atlantic Treaty Organization engagieren.
Zwischen 71 und 75 Prozent unterstützten die deutsche Mitgliedschaft in der Allianz. Auch die EUEuropäische Union-Verteidigungszusammenarbeit – Einstellungen erhoben seit 2016 – erfuhr stabil großen Zuspruch: Zwischen 66 und 71 Prozent der Deutschen waren dafür, dass die EUEuropäische Union eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik hat.
Zwischen 55 und 60 Prozent befürworteten, dass die EUEuropäische Union als eigenständiger Akteur in dem Bereich auftritt, und zwischen 46 und 49 Prozent sind für eine EUEuropäische Union-Armee.
In den anderen Themenbereichen gab es mehr Bewegung bei den Einstellungen. Besonders die Zustimmung zu einer aktiven Außenpolitik, zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben und zum militärischen Personal der Bundeswehr sind seit 2014 „geradezu sprunghaft“ gestiegen, wie die Studie feststellt.
Sie führt dies auf die Annexion der Krim durch Russland in demselben Jahr, den beginnenden Konflikt in der Ostukraine, das Erstarken der Terrormiliz ,,Islamischer Staat'' in Syrien und im Irak sowie den Elitendiskurs in Deutschland zur gewachsenen Verantwortung des Landes zurück. Im Jahr 2015 erreichte die Zustimmung mit 66 Prozent ihren Höchstwert seit Beginn der Erhebung dieser Frage im Jahr 2000 und blieb nach einem leichten Rückgang seit 2017 auf einem hohen Niveau (57 bis 59 Prozent) stabil.
2014 sprachen sich zudem 32 Prozent der Bevölkerung für eine Erhöhung des Verteidigungsetats aus. Das sind 13 Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahr. 2015 stieg diese Zustimmung auf 51 Prozent. Dieser Zuwachs spiegelt sich auch in den Zahlen zur Erhöhung des militärischen Personals der Bundeswehr wieder. Seit dem Höchstwert von 52 Prozent sinkt dieser Trend wieder leicht.
Bei der Wahl der Mittel der Außen- und Sicherheitspolitik präferiert eine Mehrheit der Deutschen weiterhin diplomatische Verhandlungen und Entwicklungszusammenarbeit sowie Ausbildungs- und Stabilisierungseinsätze. Kampfeinsätze hielt konstant nur eine Minderheit von 27 bis 34 Prozent für ein geeignetes Instrument. Dies deckt sich mit der Aussage, dass lediglich zwischen 45 und 51 Prozent der Deutschen der Meinung waren, dass die Bundeswehr gegnerischer Kräfte im Auslandseinsatz bekämpfen sollte – eine Einstellung, die seit Erhebung der Daten im Jahr 2015 stabil geblieben ist.
Im Zeitraum der Studie ist die Anzahl der Auslandseinsätze der Bundeswehr gestiegen, der Kenntnisstand in der Bevölkerung über sie ist jedoch zurückgegangen. Die Studie kann keine einheitliche Entwicklung der Bekanntheit der verschiedenen Einsätze ablesen, stellt jedoch eine grundsätzliche Entwicklung fest: „Während in den Jahren 2010 bis 2014 zumindest einzelne Einsätze einer absoluten Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger bekannt waren, ist seit 2015 kein einziger Auslandseinsatz der Bundeswehr einer absoluten Mehrheit in der Bevölkerung bekannt.“
Dies spiegelt sich im Indikator „Informiertheit“ wieder. Im Jahr 2015 fühlen sich noch 40 Prozent der Deutschen sehr gut oder eher gut informiert, im Jahr 2020 waren es nur noch 16.
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