Die Veranstaltung zum so genannten Traditionserlass der Bundeswehr an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKSBundesakademie für Sicherheitspolitik) in Berlin stand unter der Überschrift: „Bundeswehreigene Tradition: Wie bewahrt und tradiert die Bundeswehr ihr Erbe?“
Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVgBundesministerium der Verteidigung) hat damit die vierteilige Workshop-Serie zur Überarbeitung des Traditionserlasses abgeschlossen.
Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Vizeadmiral Joachim Rühle, sagte: Es gehe bei der Überarbeitung des mittlerweile 35 Jahre alten Traditionserlasses nicht um „radikale Neuschreibung“, sondern um eine sinnvolle Weiterentwicklung. „Unsere Tradition muss die freiheitlichen Werte unseres Staates spiegeln“, so Rühle. Er erinnerte an den verstorbenen Altbundeskanzler Helmut Schmidt, der am 20. Juli 2008 beim öffentlichen Gelöbnis vor dem Deutschen Bundestag zu den Rekruten gesagt hatte: „Dieser Staat wird Euch nicht missbrauchen.“ Ein Satz, der der modernen Tradition der Bundeswehr innewohnen müsse. Rühle bekam Beifall für sein klares Statement.
Der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Karl-Heinz Kamp, betonte: Die Überarbeitung des Traditionserlasses sei nicht wegen des Fehlverhaltens Einzelner in der Bundeswehr nötig geworden. Der Prozess, den die Ministerin initiiert habe, sei notwendig, weil sich die Zeiten geändert hätten. Weil die Bundeswehr seit Mauerfall und Auslandseinsätzen eine andere geworden sei. Die Überarbeitung ihres Traditionserlasses müsse im gesamtgesellschaftlichen Maßstab betrachtet werden.
Und so wählten die Organisatoren dieses Workshops aus BMVgBundesministerium der Verteidigung und BAKSBundesakademie für Sicherheitspolitik einen „ressortübergreifenden Ansatz“, quasi den Blick über den Tellerrand - auch zur Polizei. Mathias Schaef, Polizeidirektor in der Bundespolizei, schilderte beispielsweise einen deutlich anderen Umgang mit dem Thema Tradition in seinem Bereich. Statt den Blick in die Vergangenheit zu richten, sei es in der Bundespolizei üblich, sich mit den aktuellen Aufgaben zu identifizieren. So etwa mit einer gerade erfolgreich abgeschlossenen Ermittlung oder dem besonders gut durchgeführten Polizeieinsatz. Der Rückgriff auf historische Vorbilder habe bei der Polizei eine vergleichsweise geringe Bedeutung. Das hatte der ein oder andere Zuhörer im Saal nicht so erwartet.
Weiteres Beispiel: Der Einsatz der GSG-9 im Jahre 1977 in Mogadischu, die Befreiung der Lufthansa-Maschine „Landshut“. Das sei gewiss ein sehr wichtiger Einsatz gewesen, so Jerome Fuchs, Kommandeur der GSG 9. Aber, - so stellte der ehemalige Gebirgsjäger und Leitende Polizeidirektor klar: Diese historische Mission dürfe auch nicht überhöht werden.
Bodo Hechelhammer, Leiter des historischen Büros des Bundesnachrichtendienstes (BNDBundesnachrichtendienst), sprach den Umgang mit der Vergangenheit an. Für den BNDBundesnachrichtendienst sei die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte eine absolute Notwendigkeit. Im Unterschied zur Bundeswehr gebe es allerdings für den BNDBundesnachrichtendienst vor 1945 keine Traditionslinien. Danach sehr wohl. Der BNDBundesnachrichtendienst heutiger Tage habe sich grundlegend von seinen Anfängen weiterentwickelt.
Historische Betrachtungen gab es in dem Workshop an der BAKSBundesakademie für Sicherheitspolitik natürlich auch zur Bundeswehr: Das Erbe der Aufbaugeneration nahm Generalleutnant a.D.außer Dienst Klaus Olshausen in den Blick. Unter dem Motto „Keine Stunde Null“ vertrat er die Ansicht, dass der Aufbau der jungen Bundeswehr ohne große Persönlichkeiten des Nachkriegsdeutschlands nicht möglich gewesen wäre. Diese Personen seien daher auch für die Tradition relevant. Er erwähnte beispielsweise die großen Verdienste von Generalleutnant Wolf Graf von Baudissin oder dem früheren Generalinspekteur der Bundeswehr, General Ulrich de Maizière. Für die Traditionspflege der Bundeswehr seien sie auch weiterhin von unschätzbarem Wert.
Ebenfalls ist die Geschichte der Bundeswehr als Parlamentsarmee von großer Bedeutung. Hieran erinnerte Martin Elbe, Professor am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr). Es sei eine Errungenschaft, dass sich jeder Soldat stets auf die Grundwerte unserer Verfassung berufen könne. Hinzu komme das Soldatengesetz, die Beschwerdeverordnung und der Parlamentsvorbehalt – diese Bundeswehr stehe nicht in Gefahr, ein „Staat im Staate“ zu werden. Der Einfluss des Parlaments sei traditionsbildend.
Das ist ganz gewiss auch die Armee der Einheit. Generalleutnant a.D.außer Dienst Werner von Scheven erinnerte an die große Loyalität und Kooperationsbereitschaft der Kameraden der früheren Nationalen Volksarmee (NVA), die in die Bundeswehr kamen. Immerhin hätten sie die Bindung an Rechtstaat und Demokratie erst lernen müssen. Die Soldaten aus West und Ost seien so etwas wie eine „zweite Aufbaugeneration“ gewesen. Sie hätten mit der Armee der Einheit eines der erfolgreichsten Kapitel der Wiedervereinigung geschrieben, so von Scheven.
Schließlich deutete Generalleutnant Erich Pfeffer abschließend auf ein besonders wichtiges traditionsstiftendes Element: die Einsätze. Pfeffer betonte: Der Wesenskern der Streitkräfte bleibe das Gefecht. Der Soldat brauche „Bilder, Vorbilder und Namen“ aus dem Kampf. Diese seien unerlässlich für die Tradition der Bundeswehr von heute. Sie müssten dem Soldaten in der Truppe „konkret und handfest“ nahegebracht werden. „Sie sprechen mir aus der Seele“, bekannte ein Zuhörer.
Ich fand es sehr positiv, dass der Workshop ressortübergreifend angelegt war. Dadurch haben wir auch mal einen Einblick in andere Bereiche erhalten, etwa bei der Polizei. Insgesamt wurde ein guter Überblick gegeben. Gerade für einen studierenden Offiziersanwärter ist es besonders interessant, an solch einem Workshop teilzunehmen, da an der Universität auch häufiger die Diskussion zum Thema Tradition aufkommt. Es ist gut, dass darüber breit diskutiert wird. So schärft sich auch das eigene Meinungsbild.Fähnrich zur See Leonie Pagel, Studentischer Konvent Universität der Bundeswehr Hamburg,
Die vorherigen Workshops waren eher rückgewandt. Heute haben wir in die Zukunft gerichtet diskutiert. Das fand ich gut. Der Vergleich zwischen der Bundeswehr und anderen Ressorts, etwa der Polizei, zeigt, wie unterschiedlich mit dem Thema Tradition umgegangen wird. Am Ende haben wir gesehen, wie wichtig die Tradition in der Bundeswehr genommen wird. Das ist einmalig. Die Workshops sind ein guter Anfang. Sie müssen aber auf Dauer nicht ganz so akademisch sein.Leutnant Nick Falkner, Vorsitzender des Studentischen Konvents der Universität der Bundeswehr Hamburg ,
Neben diesem BAKSBundesakademie für Sicherheitspolitik-Workshop in Berlin bestand die Workshop-Serie aus Veranstaltungen in Hamburg, Koblenz und Potsdam. Insgesamt haben die Workshops die Grundlage für die weitere Überarbeitung des Traditionserlasses der Bundeswehr und die nun folgende Textarbeit gelegt.
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