Das Zentrum Innere Führung war Gastgeber des zweiten Workshops zur Überarbeitung des Traditionserlasses. Am 11. und 12. September gingen Führungspersönlichkeiten der Bundeswehr der Frage: „Welche Traditionen benötigt die Bundeswehr?“ auf den Grund.
„Tradition schlägt eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft. Sie bildet sich in einem Prozess werteorientierter Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.“ So steht es im derzeit gültigen Traditionserlass der Bundeswehr aus dem Jahr 1982. Seitdem haben sich die Gesellschaft und damit auch die Bundeswehr weiterentwickelt. Wie soll er also sein, der Bundeswehrsoldat des 21. Jahrhunderts?
Prof. Dr. Donald Abenheim stellte zu Beginn der Veranstaltung seine Sicht von außen auf die Bundeswehr und deren Tradition und Identität dar.Besonders wichtig ist ihm hierbei die Unterscheidung zwischen Tradition und Traditionspflege: „Damit meine ich, die Unfähigkeit, nicht zwischen Werten, Prinzipien und Ideen auf der einen Seite und der „Dinglichkeit“, also Gegenständen, unterscheiden zu können.“ Das Bild der Bundeswehr von außen sei durchweg positiv – ganz im Gegensatz zur Eigenwahrnehmung.
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Generalleutnant Jörg Vollmer, Inspekteur des Heeres, zeichnete in seinem Impulsvortrag ein Bild der Geschichte des Heeres. Hier sei bereits vieles verankert, was auch traditionsstiftend für die Bundeswehr sei. Kampfhandlungen gehörten aber erst seit dem Afghanistaneinsatz zur Bundeswehr. Hieraus gelte es Vorbilder zu generieren, die traditionsstiftend für die Bundeswehr sein können.
In den anschließenden fünf Workshops konnten Teilnehmer unterschiedliche Fragestellungen diskutieren. Unter anderem ging es um die Frage, ob ein Traditionsverständnis von oben vorgegeben werden könne oder von unten, aus der Truppe heraus, wachsen müsse.
Am Ende der Workshops wurden die Ergebnisse präsentiert. Dabei wurde deutlich, dass es keinen Bedarf an einer grundsätzlichen Neufassung des Traditionserlasses gibt. Es genüge, so die mehrheitliche Meinung, den bestehenden Erlass zu modifizieren und zu ergänzen.
Mit welchen Erwartungen sind Sie in den Workshop zur Überarbeitung des Traditionserlasses am Zentrum Innere Führung gegangen, welche Eindrücke haben Sie gewonnen und was haben Sie für sich persönlich daraus mitgenommen?
Major Markus Danisch, 34 Jahre, Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, Lehrgang General-/Admiralstabsdienst 2016:
„Dieser Workshop ist für mich wichtig, weil ich erkenne, dass es ein Problem in der Truppe gibt und der bestehende Traditionserlass definitiv veraltet ist. Daher erwarte ich, dass wir einen Beitrag zur Erstellung eines neuen Erlasses leisten können, der eine Rahmenrichtlinie für die Soldatinnen und Soldaten vorgibt und Handlungssicherheit im Umgang mit Tradition schafft. Für mich persönlich ist der Workshop von besonderem Interesse, da ich im Rahmen meiner Tätigkeit an der Führungsakademie eine Lehrgangsarbeit zum Thema Tradition in der Bundeswehr schreiben werde.“
Oberfähnrich Nick Falkner, Vorsitzender des Studentischen Konvents an der Universität der Bundeswehr in Hamburg:
„Unabhängig davon, welche Gründe die Durchführung dieses Workshops nötig machten, freue ich mich darüber, dass es endlich einmal eine Plattform gibt, auf der sich Kameradinnen und Kameraden aus den unterschiedlichsten Bereichen austauschen können. Tradition ist für mich etwas, das gelebt und von jedem mitgestaltet werden muss. Ich bin der Meinung, dass hier etwas getan wird, was schon längst hätte getan werden müssen: Einfach einmal über Traditionen diskutieren und darüber sprechen. Von diesem Workshop erhoffe ich mir deshalb, dass das, was hier besprochen wird, auch für die Zukunft übernommen werden wird.“
Blenina Buzhala, 20 Jahre, Studentin der Politikwissenschaften in Göttingen und Praktikantin am Zentrum Innere Führung in Koblenz:
„Ich erwartete mir keine klare Antwort auf die Frage nach der Identität der Bundeswehr, da ich diese für unbeantwortbar halte. Aber die Erwartung, an einem Austausch zwischen zivilen und militärischen Angehörigen der Bundeswehr teilzuhaben, wurde erfüllt. Ich fand es interessant, zu erleben, dass die Bundeswehr sich mit dem Thema Tradition auseinandersetzt und sich mit diesen Dingen wirklich konfrontieren lässt. Auch der von mir eingebrachte Blick von außen auf die Bundeswehr wurde angenommen, das fand ich sehr gut, wichtig und schön.“
Fahnenjunker Carina Todeskino, 21 Jahre, Offizierschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck:
„Ich hatte, ehrlich gesagt, keine genaue Erwartung an den Workshop. Die Gespräche waren sehr offen, wir sind sehr frei an die Sache herangegangen. In den Diskussionen habe ich mich gut wahrgenommen gefühlt, auch wenn ich wahrscheinlich mit Abstand den niedrigsten Dienstgrad innehatte. Aus meiner Sicht ist das Thema Tradition sehr diskussionswürdig, denn auf allen Ebenen gibt es kritische Punkte und es wird nach einer neuen Identität gesucht. Für mich war der Workshop sehr bereichernd. Er gab Anreize für eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema, und so fühle ich mich jetzt sicherer dabei, es auch zukünftig an Untergebene weiterzuvermitteln.“
Oberst Reinhold Janke, Zentrum Innere Führung Koblenz:
„Im Vorfeld habe ich ja diesen zweiten Workshop mitkonzipiert, mitorganisiert und jetzt auch als Panelleiter mit durchgeführt. Meine Erwartungen sind alle erfüllt worden. Es war eine angeregte Diskussion. Wir haben versucht, eine große Bandbreite an Teilnehmern zu erreichen. So kamen viele interessante und auch kontroverse Beiträge, die das Thema angemessen abgedeckt haben. Ein wesentlicher Aspekt dieses Workshops war es, dass sich ein großer Teilnehmerkreis zum ersten Mal wieder mit einem Thema befasst. Es hat eine Bewusstseinsbildung stattgefunden. Neben dem Partizipationsaspekt ist dies besonders wichtig und ich hoffe, dass diese Leute als Multiplikatoren jetzt wieder zurück in ihre Dienststellen gehen und diese Ideen weitertragen. Dann ist schon sehr viel erreicht.“
Generalstabsarzt Dr. Stephan Schoeps, Kommandeur Gesundheitseinrichtungen und Stellvertreter des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr:
„Ich finde es wichtig, sich mit der Tradition in der Bundeswehr zu beschäftigen, allein, weil ich den bereits 1982 geschriebenen, gültigen Erlass immer für ein sehr gutes Papier hielt und halte. Dass er nach 35 sehr ereignisreichen Jahren für die Bundeswehr fortgeschrieben werden muss, ist offensichtlich, da zum Beispiel das Ende der Ost-West Konfrontation, die Auslandseinsätze oder die Aussetzung der Wehrpflicht darin nicht vorkommen. Gut zusammengestellte Arbeitsgruppen mit Jung und Alt, zivil und militärisch, haben wirklich interessant und ernsthaft diskutiert. Die unterschiedlichen Sichtweisen zu erfahren, war das Interessanteste für mich. Ich selbst habe ein großes Interesse an Militärgeschichte und Tradition. Auch Vorbilder sind mir wichtig, wie beispielsweise Hans Scholl, den wir an der Sanitätsakademie der Bundeswehr ehren. Die Impulsvorträge, die Panelarbeit und die Diskussion im Plenum haben, glaube ich, jedem genutzt. Ich freue mich auf die weitere Einbindung in den Gestaltungsprozess eines fortgeschriebenen Traditionserlasses.“
Der dritte von insgesamt vier Workshops findet am 12. Oktober Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaft der Bundeswehr in Potsdam statt.
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