Mit der neuen „Agentur für Innovation in der Cybersicherheit“ wollen das Bundesministerium des Innern und das Bundesministerium der Verteidigung gemeinsam ambitionierte Forschungs- und Innovationsvorhaben im Bereich der Cybersicherheit anstoßen, fördern und finanzieren. Im Interview erklärt die Leiterin des Projektes, Frau Dr. Boeck wie die Agentur ein internationales, exzellenzorientiertes, dynamisches und inspirierendes Arbeitsumfeld bereitstellen wird.
Frau Dr. Boeck, seit April dieses Jahres leiten Sie das Projekt „ADIC“. Wofür steht ADIC?
ADIC stand bis vor kurzem für „Agentur zur Förderung bedarfsorientierter Forschung an disruptiven Innovationen im Bereich Cybersicherheit und Schlüsseltechnologien“. Dieser Begriff war allerdings nur ein Arbeitstitel. Im September geht der Aufbaustab ADIC in den Aufstellungsstab Cyberagentur über.
Und welche Ziele verfolgt der neue Aufstellungsstab dann?
Mit Einrichtung eines gemeinsamen, ressortübergreifenden Aufbaustabs haben das BMVgBundesministerium der Verteidigung und das BMIBundesministerium des Innern seit Januar bis Ende August zusammen das Ziel verfolgt, die Rahmenbedingungen für die Einrichtung einer der Koalitionsvereinbarung entsprechenden, übergreifenden Forschungs- und Innovationsagentur für disruptive Innovationen in Cybersicherheit und diesbezüglicher Schlüsseltechnologien zu klären. Der künftige Aufstellungsstab wird diese Arbeit fortsetzen und insbesondere bei Gründung und Inbetriebnahme der neuen Agentur unterstützen.
Warum ist, aus Ihrer Sicht, die Gründung einer solchen Cyberagentur notwendig?
Die derzeitige Lage im Bereich der Cyber-Abwehr ist gekennzeichnet durch sehr reale digitale Konfliktszenarien, wie hybride Kriegsführung oder erhöhte Bedrohungen durch Cyber-Angriffe wie beispielsweise Cyber-Kriminalität, Cyber-Spionage und -Sabotage, Terrororganisationen. Diese Bedrohungslage wird sich mittel- bis langfristig verstärken. Grund dafür ist die wachsende Durchdringung der Gesellschaft mit ITInformationstechnik, welche die Anzahl der Möglichkeiten für Cyberangriffe deutlich erhöhen wird. Dabei ist die deutsche Forschungslandschaft exzellent. Es fehlt allerdings eine zielgerichtete, am Bedarf der inneren und äußeren Sicherheit orientierte Beauftragung der Forschungseinrichtungen. Dies führt letztendlich dazu, dass insbesondere im Bereich der Cybersicherheit nationale und europäische Schlüsseltechnologien nur noch rudimentär gegeben sind. Dies gefährdet die Gewährleistung der staatlichen Sicherheitsvorsorge im Cyberraum. Eine Agentur für Innovation in der Cybersicherheit (Cyberagentur) wird diese Lücke schließen und dadurch für Deutschland mittel- bis langfristig eine nachhaltige Technologiesouveränität erreichen und sicherstellen.
Aber was soll die Cyberagentur künftig genau machen?
Die Agentur soll Cybersicherheits- und Schlüsseltechnologien der Inneren und äußeren Sicherheit mit hohem Innovationspotenzial identifizieren und fördern. Voraussetzung hierfür ist ein Interesse des Bundes. Die Technologie muss also der Inneren und äußeren Sicherheit dienen oder einen nachhaltigen Beitrag zur ressortübergreifenden Aufgabenwahrnehmung leisten können. Ziel ist, in explizit risikofreudiger Methodik, bahnbrechende und ambitionierte Cybersicherheits-Technologien und weitere Schlüsseltechnologien, die strategische Vorteile für die Innere und äußere Sicherheit schaffen können, zu initiieren und für die Bedarfe der Bundeswehr bis zur Einsatzreife weiterzuentwickeln. Außerdem soll die Agentur neben nationalen auch europäische Technologien, Expertensysteme und Cluster- und Öko-Systeme stärken.
In der Bundeswehr existiert bereits der Cyber Innovation Hub und im Bundesministerium für Bildung und Forschung ist gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen geplant. Wie grenzen sich diese den voneinander ab und wo arbeiten diese zusammen?
Der jeweilige Aufgabenzuschnitt ergänzt sich sinnvoll in Bezug auf Technologien sowie auf den Reifegrad der Innovationen. Die Cyberagentur wird Ideen fördern, die noch nicht entwickelt sind, aber ein enormes Potential bieten – Ideen, die erst noch erforscht werden müssen; Ideen, die sich gegeben falls als Irrweg erweisen. Sicher ist dies wagnisbehaftet, aber nur so bietet sich uns die Möglichkeit sehr schnell die notwendige Teilhabe an wirklich bahnbrechenden Ideen zu sichern. Die beiden genannten und weiteren Einrichtungen der Ressorts – insbesondere von BMIBundesministerium des Innern und BMBF – bilden zusammen mit der Cyberagentur ein Ökosystem zum Identifizieren, Fördern und Entwickeln von vielversprechenden Ideen und Innovationen. In diesem Ökosystem geht es im Zeitalter der Digitalisierung darum, die Partner intelligent miteinander zu vernetzen und zielorientiert zusammenzuarbeiten. Dadurch werden erfolgversprechende Erkenntnisse weiterverfolgt und gleichzeitig Redundanzen weitgehend vermieden. Um dies zu gewährleisten, stimmen wir uns regelmäßig mit den zukünftigen Partnern aus den Ressorts des Bundes, der Wirtschaft und Wissenschaft ab.
Es findet also ein regelmäßigerer Austausch statt?
Auch um Doppelförderungen zu vermeiden, sind Schnittstellen in der Steuerung des Auftraggebers, zur geplanten Agentur für Sprunginnovationen erforderlich. Um aber vor allem Gemeinsamkeiten gerecht zu werden und Synergieeffekte zu nutzen, werden beide Agenturen sich zur Abstimmung der Arbeitsprogramme miteinander austauschen, so zum Beispiel durch gegenseitige Beauftragungen bei agenturübergreifenden Themen. Ebenso erfolgt ein Abgleich mit den bestehenden Forschungsprogrammen der Bundesregierung.
Wie sieht die Organisationform der Agentur aus?
Aus dem Koalitionsvertrag ergibt sich, dass die Agentur als eigenständige Organisationseinheit errichtet werden soll. Zudem muss sie über einen notwendigen Grad an Selbständigkeit verfügen und vor allem für das Thema disruptive Innovationen in der Cybersicherheit und Schlüsseltechnologien zuständig sein soll. Aus diesem Grund, wird die Agentur in der Rechtsform einer GmbHGesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet. Auch der geplante Aufbau der Agentur verfolgt den Grundsatz der weitgehenden unternehmerischen und wissenschaftlichen Freiheit bei gleichzeitiger notwendiger Kontrolle des Gesellschafters.
Und wie wird diese gesteuert beziehungsweise geleitet?
Die Agentur wird von einer Doppelspitze aus kaufmännischem Leiter beziehungsweise Leiterin und einem wissenschaftlichen Forschungsdirektor oder Forschungsdirektorin geführt. Die Geschäftsführung verantwortet sowohl das operative Geschäft in den administrativen Prozessen als auch das Portfolio und die Prioritätssetzung in den wissenschaftlichen Themengebieten.
Und wer wird dort überhaupt tätig sein?
Die Cyberagentur wird in einem sich ständig verändernden Umfeld tätig sein. Kurze Innovationszyklen, die hohe Dynamik in der technologischen Entwicklung und sich überholende Bedrohungslagen erfordern eine vergleichsweise hohe Flexibilität bei der Aufgabenwahrnehmung. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor zur Zielerreichung wird deshalb die hohe Güte des Personals sein. Hoch qualifiziertes, motiviertes und kreatives Personal ist die Schlüsselressource und wird über hohe Freiheitsgrade in Unternehmensführung und wissenschaftlicher Ausrichtung sowie ein exzellenzorientiertes, dynamisches und inspirierendes Arbeitsumfeld gewonnen.
Wie stellen Sie sicher, dass die von der Cyberagentur kreierten Innovationen tatsächlich Eingang in den Arbeitsalltag einer großen Organisation wie der Bundeswehr finden?
Genau das ist ja ein Ziel der Agentur – sich innerhalb der bestehenden Strukturen zu vernetzen, um die Integration und Umsetzung von entwickelten Innovationen voranzutreiben. Aber auch innerhalb der Programme und Projekte soll die Agentur den späteren Anwendungsbezug zu jederzeit sicherstellen. Deshalb werden die potenziellen Nutzer in die Projektarbeit eingebunden und die gewonnenen Erkenntnisse am Ende der Programme an die Bedarfsträger übergeben. Dabei wollen wir insbesondere mit der Qualität und Passgenauigkeit der angebotenen Lösungen überzeugen. Grundlage hierfür sind fundierte Kenntnisse über aktuellen Herausforderungen und Bedürfnisse in der gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge.
Frau Dr. Boeck, wie sieht denn der weitere Zeitplan für Sie und ihr Team aus?
Am 29. August hat das Bundeskabinett unserem Vorschlag zugestimmt, die Cyberagentur in der Rechtsform einer GmbHGesellschaft mit beschränkter Haftung zu gründen. Nunmehr geht es unmittelbar darum, die letzten – aber relevanten – Einzelheiten mit dem Bundesministerium für Finanzen abzustimmen und danach die obligatorische Zustimmung in den Ausschüssen des Parlaments zu gewinnen. Die Zeitlinien sind eng gesetzt, da die Agentur noch im Jahre 2018 gegründet werden soll und ihren Betrieb – inklusive erster Projekte – zeitnah aufnehmen wird. Damit die Agentur ihre Tätigkeiten unmittelbar nach dem Aufbau aufnehmen kann, muss sie schnellstmöglich Personal gewinnen und eine Infrastruktur - insbesondere Büroräumlichkeiten und -ausstattung sowie ITInformationstechnik- aufbauen können.
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