In einem gemeinsamen Tagesbefehl haben Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und Generalinspekteur Eberhard Zorn über die derzeitige Bestandaufnahme für eine Bundeswehr der Zukunft informiert. Eine einsatzbereite und leistungsfähige Bundeswehr, die ihren Kernauftrag voll erfüllen kann: die Landes- und Bündnisverteidigung.
Soldatinnen und Soldaten, Reservistinnen und Reservisten,
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter!
Die Bundeswehr wird kontinuierlich entlang sich wandelnder Rahmenbedingungen ausgerichtet. Ziel ist es, Deutschland militärisch so aufzustellen, dass es in Europa und in der Welt seine Interessen wahren und verlässlich an der Seite seiner Partner und Verbündeten stehen kann. Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien wurde vereinbart, die Bundeswehr einer umfassenden Bestandsaufnahme zu unterziehen, um ihre Strukturen effektiver und effizienter zu machen und ihre Einsatzbereitschaft zu erhöhen. Diese Bestandsaufnahme wird derzeit durchgeführt.
Die vergangenen Monate haben uns schmerzhaft vor Augen geführt, dass Deutschland, dass wir Europäer sehr viel wehrhafter werden müssen. Russlands brutaler Angriffskrieg auf die Ukraine erschüttert die europäische Friedensordnung. Niemand weiß, wie weit der russische Präsident seinen Großmachtwahn noch treiben wird. Das müssen wir in der Bestandsaufnahme berücksichtigen. Sie ist durch die jüngsten Entwicklungen noch dringlicher geworden. Es kommt jetzt umso mehr darauf an, die richtigen Fragen zu stellen, Lehren zu ziehen, aber auch ohne Zögern da anzupacken, wo etwas verändert werden muss. Für eine einsatzbereite und leistungsfähige Bundeswehr, die ihren Kernauftrag voll erfüllen kann: Unser Land und unser Bündnis zu verteidigen.
Dort, wo der Handlungsbedarf am dringlichsten ist und wo wir rasch wirksame Veränderungen erzielen können, haben wir nicht gewartet, sondern setzen wichtige Maßnahmen bereits um: Zum Beispiel mit Blick auf die Strukturen der Bundeswehr, die wir konsequent auf die Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) ausrichten. Mit der Einrichtung des neuen Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr (TerrFüKdoBwTerritoriales Führungskommando Bundeswehr) passen wir die Führungsorganisation der Streitkräfte an die neuen Erfordernisse der LV/BV an. Das TerrFüKdoBwTerritoriales Führungskommando Bundeswehr bildet für die Aufgabenwahrnehmung im Inland das Pendant zum bewährten Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam: Gewährleistung von operativer Führung nationaler Kräfte aus einer Hand beim Heimatschutz und für die Drehscheibe Deutschland.
Zudem haben wir damit begonnen, das Heer umzugliedern, damit enger als bisher zusammengeführt wird, was im Ernstfall LV/BV zusammengehört. Erstes Zwischenziel ist eine einsatzbereite und voll ausgestattete Division bis 2025. Hierzu werden die Strukturen auf Ebene der Bataillone, Brigaden und Divisionen angepasst. Wir erhöhen so insbesondere unsere Kaltstart- und Verlegefähigkeit.
Auch die Reserve ist für die LV/BV unverzichtbar und für die Einsatzbereitschaft der gesamten Bundeswehr von zentraler Bedeutung. Eine starke Reserve trägt zur Auftragserfüllung bei und schafft Entlastung. Sie verankert die Bundeswehr in der Bevölkerung – im ganzen Land. Wir werden den Umfang von Stellen für die Reserve daher bis 2027 auf 7.500 erhöhen und auf diesem Niveau verstetigen.
Um die Einsatzbereitschaft zu erhöhen, Ausbildung und Übungen angemessen zu ermöglichen, müssen wir zudem dringend die arbeitszeitrechtlichen Regelungen für die Streitkräfte anpassen. Wir werden noch in diesem Jahr die Weiterentwicklung des Arbeitszeitrechts für die Streitkräfte anstoßen. Damit wir auftragsnäher und einsatzgerechter ausbilden und üben und uns damit besser auf den Ernstfall vorbereiten können.
Ein entscheidender Faktor für die Einsatzbereitschaft und die schnellere und bessere Ausrüstung der Truppe ist die Beschaffung. Hier stellen wir in diesem Jahr wichtige Weichen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr leisten hervorragende Arbeit. Aber sie haben es mit komplizierten, aufwendigen und langwierigen Verfahren zu tun, die in vielen Bereichen gesetzlich vorgegeben sind.
Hier schaffen wir mit der Reform des Beschaffungswesens Abhilfe.
Zum Beispiel mit dem Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz, einem umfassenden Maßnahmenpaket, das zahlreiche Bremsklötze beseitigt: für schnellere Verfahren, weniger Zersplitterung von Projekten, einfachere europäische Kooperation. Und vor allem: Unsere Sicherheitsinteressen bekommen einen noch höheren Stellenwert im Vergleich zu anderen wichtigen Faktoren der Beschaffung.
Dies alles gehört dazu, wenn wir von der Bundeswehr in der Zeitenwende sprechen. Die nachhaltige Stärkung der Einsatzbereitschaft und der Fokus auf LV/BV betrifft uns alle. Sie wird Ihnen manches abverlangen – auch Ihren Familien, Freundinnen und Freunden. Wir werden diese Belastungen von Beginn an berücksichtigen. Eine Truppe mit hoher Einsatzbereitschaft und schneller Verfügbarkeit muss auch das familiäre und private Umfeld ihrer Soldatinnen und Soldaten fest im Blick haben. Sie werden mit den Konsequenzen des Umbaus nicht allein gelassen – zum Beispiel, wenn es darum geht, familiäre Pflichten, Betreuungs- und Pflegefragen zu organisieren.
Wir haben nun erste wichtige Schritte unternommen, aber die laufende kritische Bestandsaufnahme wird weitere Reformschritte nach sich ziehen. Dabei gilt es, internationale wie nationale Leitlinien – wie etwa die Nationale Sicherheitsstrategie, den Strategischen Kompass der EUEuropäische Union und das Strategische Konzept der NATONorth Atlantic Treaty Organization – und das Sondervermögen Bundeswehr im Blick zu behalten.
Erste Zwischenergebnisse wollen wir im September in Berlin auf einer Bundeswehrtagung unter dem Motto „Die Bundeswehr in der Zeitenwende – eine kritische Bestandsaufnahme in Zeiten des Krieges in Europa“ erörtern. Anschließende Regionaltagungen sorgen für Transparenz und ermöglichen breite Partizipation. So können wir das Wissen und die Expertise der Bundeswehr bündeln. Die abschließenden Ergebnisse der Bestandsaufnahme sollen bis Ende dieses Jahres vorliegen.
Das Ziel ist klar: Wir brauchen eine voll einsatzfähige Bundeswehr, die kaltstartfähig ist. Und dazu brauchen wir die passenden Rahmenbedingungen: bei Personal, Strukturen und Abläufen, in rechtlicher Hinsicht und ohne Vernachlässigung der sozialen Aspekte. Wir, als einsatz- und leistungsfähige Bundeswehr im Schulterschluss mit unseren Verbündeten. Und auch jeder einzelne von Ihnen – denn Sie sind es, die die Bundeswehr ausmachen – und stark machen.
Christine Lambrecht
Bundesministerin der Verteidigung
Eberhard Zorn
Generalinspekteur
Inhalte teilen via