Im Verteidigungsministerium hat am 26. Juni die 11. Sitzung des Arktisdialogs stattgefunden. Das überwiegend mit Wissenschaftlern besetzte Gremium diskutierte dieses Mal neben Klimawandel und anderen Forschungsthemen auch sicherheitspolitische Fragen.
Das Nordpolargebiet ist ein Frühwarnsystem. Nirgendwo sonst ist der Klimawandel spürbarer als hier – aber die Konsequenzen der Erderwärmung treffen den ganzen Planeten. „Was in der Arktis passiert, bleibt nicht in der Arktis“, erklärt Volker Rachold, Leiter des Deutschen Arktisbüros und Organisator des Forums.
Der „Arktisdialog“ ist Deutschlands Kooperationsnetzwerk für diese Region. In ihm beraten sich halbjährlich die an Arktisfragen beteiligten sieben Bundesministerien – Umwelt, Forschung, Wirtschaft, Landwirtschaft, Verkehr, Auswärtiges und Verteidigung – mit den interessierten Forschungseinrichtungen und Organisationen: 37 Expertinnen und Experten haben sich zu der Sitzung am 26. Juni getroffen, dieses Mal im Bundesministerium der Verteidigung.
Das Verteidigungsressort bringt in diese Runde strategische und sicherheitspolitische Expertise mit ein, vor allem das Instrument der „strategischen Vorausschau“. Oder wie Rüdiger Huth, Stellvertretender Abteilungsleiter Politik, zur Einführung der Sitzung erklärte: „Es geht beim Thema Klimawandel nach den Vorgaben des Weißbuchs auch um sicherheitspolitische Vorsorge für unser Land.“
Das Nordpolargebiet – die Region des Globus jenseits des Nördlichen Polarkreises umfasst nicht nur den Arktischen Ozean, sondern auch weite Landstriche im Norden Kanadas, Alaskas, Skandinaviens, Russlands und praktisch ganz Grönland. Zwar leben dort nur rund vier Millionen Menschen, aber 20 bis 30 Prozent der bisher unentdeckten Erdgas- und Erdölvorkommen der Welt werden hier vermutet.
Auch das Interesse Deutschlands an der Arktis ist groß: Zwar ist die Bundesrepublik kein Anrainer der Nordpolarregion, aber das Land deckt einen Großteil seines Bedarfs an Öl und Gas aus Quellen in den Arktisstaaten Norwegen und Russland. Deutsche Reedereien besitzen die viertgrößte Handels- und die größte Containerschiffsflotte der Welt; neue Seewege wären ein erheblicher Einflussfaktor für den Außenhandel Deutschlands.
Die deutlichste Veränderung in der Arktis: das Schmelzen des Polareises. Solche massiven Umweltveränderungen bieten Chancen und bergen Risiken. Die Rohstoffe sind leichter zu erschließen; neue Seewege zwischen Europa und Asien öffnen sich, denn die Nordostpassage vor der Küste Sibiriens verspricht eines Tages eisfrei zu sein.
Indes werden gewisse Interessensunterschiede unter den Anrainerstaaten, aber auch gegenüber „arktisnahen“ Playern wie China, deutlicher. Die Erfahrungen der letzten Jahre, so Experten aus dem Verteidigungsministerium, hätten gezeigt, wie die bislang vorherrschende Kooperationsbereitschaft einzelner Akteure schwinden könne.
„Die Arktis ist dennoch weit entfernt davon, Schauplatz eines ‚neuen Kalten Krieges‘ zu sein“, meinte Tobias Etzold von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die Spannungen seien zwar gestiegen, aber die Kooperation würde fortgesetzt, bilanzierte er das bisherige Verhalten der Anrainerstaaten und Chinas, des Newcomers in der Region. Die Wissenschaft leiste zum Pflegen und Verbessern der Beziehungen in der Region einen erheblichen Beitrag. Auch wegen dieses positiven Einflusses der Polarforschung bleibe das wahrscheinlichste Szenario für die nahe Zukunft wohl eine Mischung aus friedlicher Zusammenarbeit und wirtschaftlichem Wettbewerb.
Ziel deutscher Arktispolitik ist es, die dortigen Chancen friedlich, kooperativ und umweltschonend zu nutzen – unter Akzeptanz gegenseitiger Interessenlagen und Wahrung des Rechts. Im internationalen Arktischen Rat und anderen Gremien setzt sich die Bundesrepublik dafür ein. Deutschland ist zum Beispiel ständiger Beobachter im Arktischen Rat, in dem sich die Anrainer USA, Kanada, Norwegen, Russland und Dänemark treffen. Ebenso ist es als Forschungsnation vertreten in wissenschaftlichen Gremien, wie es sich auch am „Arctic Security Forces Roundtable“ beteiligt.
Das Auswärtige Amt formuliert federführend die deutsche Position im Arktischen Rat. Sie ist veröffentlicht in den „Leitlinien deutscher Arktispolitik – Verantwortung übernehmen, Chancen nutzen“ von 2013. Die Vertreter des Außenministeriums zeigten in der Sitzung auf, wie sich diese gemeinsame Arbeit koordiniert fortsetzen ließe. Carsten Rüpke, Leiter des Nordeuropareferats, nahm die Anregungen, die sich aus der Diskussion ergaben, dankbar auf.
Die Referenten der Abteilungen Politik sowie Strategie und Einsatz des Verteidigungsministeriums analysierten mögliche Konfliktpotentiale in der Arktis aus der Sicht ihres Hauses. Zuerst betonten sie allerdings die Bedeutung des Arktisdialogs: Er diene deutschen Vertretern in den unterschiedlichen diplomatischen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, sicherheitspolitischen Arktisgremien dazu, sich auszutauschen und zu koordinieren.
Russland identifizierten die Referenten als den Akteur, der auch auf längere Sicht die meisten und wichtigsten Fähigkeiten im arktischen Raum besäße. Dazu gehörten die zivile und militärische Infrastruktur an der Nordküste Sibiriens genauso wie die größte Eisbrecherflotte der Welt. Einerseits seien diese Fähigkeiten zukünftig für eine sichere Seefahrt auf dem potentiellen internationalen Seeweg vor der Küste Sibiriens unerlässlich, andererseits seien diese eben auch „multi-purpose“. Sie wären damit prinzipiell geeignet, im arktischen Raum auch negativ, also nicht-kooperativ, zu wirken.
Ebenso berichteten die Verteidigungsexperten über die Ansätze Chinas in der Region: Sie kannten Hintergründe zur sogenannten „Polaren Neuen Seidenstraße“ – also das Interesse der Volksrepublik an der Nordostpassage.
Die Vertreter im Arktisdialog waren sich einig: Die Hauptanstrengungen der internationalen Gemeinschaft sollten darauf liegen, den Politikansatz in der Arktis fortzusetzen, der auf Regeln basiert und Gremienentscheidungen respektiert. Daran wollten sie alle weiterarbeiten.
Verteidigungsministerium wie auch Bundesregierung insgesamt verbessern indes die Fähigkeiten zur strategischen Vorausschau und zur Krisenfrüherkennung. Störpotentiale und etwaige Vorzeichen nicht-kooperativen Verhaltens auch in der Arktis lassen sich so frühzeitiger erkennen. Solche Erkenntnisse lassen sich dann sich in konkreter Vorsorge umsetzen.
Das Alfred-Wegener-Institut (AWI), Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, hat den Arktisdialog 2013 initiiert. Dessen Zweck ist, den Informationsaustausch zwischen Forschung und Politik zu verbessern sowie allen an Arktisfragen beteiligten Bundesministerien Wissen, Erfahrung und Kontakte anzubieten. Die halbjährlich stattfindenden Informationsveranstaltungen organisiert das Deutsche Arktisbüro des AWI gemeinsam mit jeweils einem gastgebenden Bundesministerium oder Forschungsinstitut. Sie behandeln aktuelle Fragen der deutschen, aber auch der internationalen Arktisforschung und -politik. Das nächste Treffen des Arktisdialogs wird am 21. November 2018 im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit stattfinden. |
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