Die litauischen Streitkräfte befinden sich in einer umfassenden Transformation – größer und moderner wollen sie werden. Für die Armee bedeutet dies die dritte große Herausforderung in ihrer noch jungen Geschichte. Nach Wiedererlangung der Unabhängigkeit 1990 hat das Land 1994 den ersten Auslandseinsatz in Kroatien absolviert. Der zweite Meilenstein war die Anpassung an die Anforderungen der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mitgliedschaft. Seit 2004 ist Litauen Bündnispartner. Die derzeitige Transformation ist eine Reaktion auf die sicherheitspolitische Entwicklung in Osteuropa.
Die Annexion der Krim und der Ukrainekonflikt haben die Verteidigungsplanungen der osteuropäischen NATONorth Atlantic Treaty Organization- Staaten, vor allem die der baltischen Länder, tiefgreifend verändert. Die direkte Nachbarschaft zu Russland sorgt für eine besondere Bedrohungswahrnehmung. Für Litauen kommt zusätzlich noch das russische Kaliningrad als geostrategischer Faktor hinzu. Von Russland aus führt der kürzeste Weg in die Enklave – und damit an die Ostsee – durch Litauen, das sogenannte Suwalki Gap.
Die Modernisierung und Vergrößerung der Streitkräfte erreicht Litauen mit einem rasant wachsenden Verteidigungshaushalt. In diesem Jahr soll der Etat bei 873 Millionen Euro liegen. 2014 waren es noch rund 322 Millionen Euro. Der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt knackt in diesem Jahr die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Zielvorgabe von zwei Prozent. 2014 waren es noch 0,89 Prozent.
Finanziert wird damit einerseits der personelle Aufwuchs, der allein zwischen 2014 und 2016 fast 25 Prozent betrug. In diesem Jahr wird eine Gesamtstärke des militärischen Personals von 19.740 angepeilt. 4.000 Soldaten werden Wehrpflichtige sein, denn vor drei Jahren hat das Land mit seinen 2,8 Millionen Einwohnern den neunmonatigen Dienst wieder eingeführt.
Mit umfangreichen Beschaffungsprogrammen treibt Litauen auch die Modernisierung der Streitkräfte voran. Etwa 30 Prozent des Verteidigungsetats werden in Ausrüstung investiert. Dabei hat die Weiterentwicklung der Landstreitkräfte Priorität. Das Ziel ist deren Mechanisierung: Zu den wichtigsten Projekten gehört die Ausstattung von zwei Infanterie-Bataillonen mit gepanzerten Transportfahrzeugen „Boxer“ und Panzerhaubitzen 2000 für ein Artillerie-Bataillon. Für die Luftverteidigung wird das norwegische Flugabwehrsystem NASAMS beschafft. Insgesamt wird Litauen zwischen 2017 und 2022 mehr als 2,5 Milliarden Euro in die Modernisierung seiner Streitkräfte stecken.
Im Zuge der Anpassungen an die neue sicherheitspolitische Lage wurde 2014 eine schnelle Eingreiftruppe gegründet. Zwei Battlegroups sind innerhalb von 2 bis 24 Stunden einsatzbereit, um auf hybride Bedrohungen – also den Einsatz ziviler und militärischer Mittel unterhalb der Schwelle eines konventionellen Krieges – reagieren zu können. Diese „National Rapid Reaction Force“ kann auch in Friedenszeiten durch eine Entscheidung des Präsidenten eingesetzt werden.
Mit Verbesserungen der Infrastruktur werden die Ausbildungsmöglichkeiten der Truppe verbessert. Die Fläche der modernen Übungsplätze in Pabrade und Gaiziunai wurde mehr als verdoppelt. Das kommt auch der Bundeswehr zugute, die in Litauen die Führung des multinationalen NATONorth Atlantic Treaty Organization-Verbandes innehat. Etwa 450 deutsche Soldatinnen und Soldaten sind seit 2017 als Teil der „Erweiterten Vorauspräsenz“ der NATONorth Atlantic Treaty Organization (Enhanced Forward Presence, EFPEnhanced Forward Presence) in Rukla stationiert.
„Deutschland leistet einen wesentlichen Beitrag zur Abschreckung und für die Verteidigung der NATONorth Atlantic Treaty Organization im Ostseeraum“, heißt es im litauischen Weißbuch von 2017. Deutschlands Rolle bei EFPEnhanced Forward Presence zeige „die Entschlossenheit und das Engagement für die Sicherheit und Verteidigung der baltischen Staaten“. Die militärische Kooperation beschränkt sich nicht nur auf Litauens Rolle als „Host Nation“ bei EFPEnhanced Forward Presence. Vor allem in der Ausbildung gibt es eine intensive Zusammenarbeit. So wurden zum Beispiel die litauischen Geschützbesatzungen für die Panzerhaubitze 2000 sowohl in Deutschland als auch in Litauen von deutschen Kameraden ausgebildet.
Diese bi- und multilateralen Kooperationen im Baltikum zeigen, dass die NATONorth Atlantic Treaty Organization als Bündnis kollektiver Verteidigung Wandlungsfähig ist, um den neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen gerecht zu werden.
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