Im neuen Streitkräftemodell der NATONorth Atlantic Treaty Organization, dem NATONorth Atlantic Treaty Organization Force Model, soll die Bundeswehr laut Planungen ein Vielfaches ihrer derzeitigen Aufgaben wahrnehmen. Dafür soll sie dauerhaft deutlich mehr Kräfte in allen Dimensionen bereitstellen. Mit dem 100-Milliarden-Sondervermögen soll dieser historische Aufbruch markiert werden.
Soldatinnen und Soldaten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Reservistinnen und Reservisten!
Auf unsere Streitkräfte kommen in der durch den brutalen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgelösten Zeitenwende gewaltige Herausforderungen zu. Wir müssen im Verfassungsauftrag der Landes- und Bündnisverteidigung bestehen. Dass wir das können, haben wir durch die schnelle Bereitstellung von Kräften aller Organisationsbereiche an der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke im Zuge des Kriegsausbruchs gezeigt und dadurch unsere Verlässlichkeit als Bündnispartner unter Beweis gestellt.
Nach den aktuellen Planungen werden wir im neuen Streitkräftemodell der NATONorth Atlantic Treaty Organization, dem NATONorth Atlantic Treaty Organization Force Model, ein Vielfaches unserer heutigen Aufgaben wahrnehmen und dafür eine erhebliche Anzahl an Kräften in allen Dimensionen bereitstellen – und zwar dauerhaft. So haben wir uns dazu verpflichtet, der NATONorth Atlantic Treaty Organization ab 2025 eine vollausgestattete und einsatzbereite Heeresdivision einschließlich der erforderlichen Unterstützungskräfte zur Verfügung zu stellen („Division 2025“). Es ist daher höchste Zeit, dass Jahrzehnte der Vernachlässigung und der strukturellen Unterfinanzierung der Bundeswehr ein Ende haben. Genau dafür sorgen wir jetzt. Das 100 Milliarden Euro Sondervermögen, fest verankert in unserer Verfassung, markiert einen historischen Aufbruch.
Endlich können wir unsere dringendsten Ausrüstungslücken schließen. Das ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, aus der Bundeswehr wieder eine Armee zu machen, die in ihrer Gesamtheit kaltstart-, durchsetzungs- und durchhaltefähig ist. Erst gestern ist uns dabei der nächste große Schritt gelungen: Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat acht wichtigen Beschaffungsvorhaben im Umfang von insgesamt fast 13 Milliarden Euro (!) zugestimmt:
Weitere wichtige Weichen für die Rüstung haben wir gestellt, zum Beispiel bei der Drohnenbewaffnung, dem „Chinook“ als Nachfolger des schweren Transporthubschraubers und der Digitalisierung in allen Organisationsbereichen, für die allein rund 20 Milliarden Euro im Sondervermögen veranschlagt sind.
Sie können zudem erwarten, dass ab jetzt die persönliche Vollausstattung der aktiven Truppe mit Gefechtshelmen, Rucksäcken, Kampfbekleidungssätzen und ballistischer Schutzausstattung bei Ihnen ankommen wird – bis spätestens 2025 und damit sechs Jahre früher als geplant. Zuerst ausgestattet werden alle Verbände in den laufenden einsatzgleichen Verpflichtungen, in den Auslandseinsätzen, in der NATONorth Atlantic Treaty Organization Eingreiftruppe inklusive NATONorth Atlantic Treaty Organization-Speerspitze (NRFNATO Response Force, VJTFVery High Readiness Joint Task Force ), in der nationalen Krisenvorsorge und bei assignierten Kräften für unseren Beitrag zur Umsetzung des NATONorth Atlantic Treaty Organization Force Model („Division 2025“). Die Vollausstattung wird Ihnen durchgängig zur Verfügung stehen, ohne ständige Aus- und Rückgabe. So können Sie mit der Ausstattung üben, mit der Sie im Ernstfall kämpfen. Sie erhöhen damit Ihre persönliche Einsatzbereitschaft und Kaltstartfähigkeit.
Gegenüber dem Haushalt 2021 der vergangenen Legislatur verdoppeln sich unsere Rüstungsinvestitionen im kommenden Jahr auf insgesamt über 16 Milliarden Euro. Das ist ein gewaltiger Sprung in extrem kurzer Zeit, der uns ermöglicht, dem Haushaltsausschuss 2023 eine beispiellos große Zahl an Beschaffungsvorhaben zur Entscheidung vorzulegen.
Uns allen in unserem Land muss eines ganz deutlich sein: Wir haben unter extremen Rahmenbedingungen und unter hohem Zeitdruck Entscheidungen getroffen, wie sie in den vergangenen drei Jahrzehnten in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik in unserem Land kaum vorstellbar waren. Aber wir haben sie getroffen, und zwar auch jene, die längst in der Vergangenheit hätten entschieden werden müssen. Jetzt geht es um den langen Atem, damit aus dem Aufbruch ein langfristiger Aufbau wird.
Wir machen die Bundeswehr wieder ohne Einschränkungen fit für die Landes- und Bündnisverteidigung, ohne dabei unsere Verpflichtungen, die sich aus dem Internationalen Krisenmanagement ergeben, aus dem Blick zu verlieren. Das ist nach den Versäumnissen der vergangenen Jahrzehnte eine gewaltige Aufgabe. Und bei dieser Aufgabe geht es um weit mehr als um das Material. Es geht um Strukturen, Verfahren, Infrastruktur, Personal – darum, dass das große Ganze funktioniert. Dabei muss uns bewusst sein: Komplexe Herausforderungen verlangen komplexe Antworten. Da müssen wir genau hinschauen. Das ist mühsam und manchmal auch kleinteilig. Aber nur das ist auch wirksam. Zudem müssen wir den Kurs des Supertankers Bundeswehr bei voller Fahrt korrigieren. Wir können uns nicht bei einer handstreichartigen Generalüberholung über lange Zeit nur mit uns selbst beschäftigen oder auch nur kurz handlungsunfähig sein. Daher wird es auch nicht die eine „große Strukturreform“ geben. Alle Organisationsbereiche und Standorte bleiben erhalten. Gleichwohl setzen wir in der Breite sehr viele Verbesserungen um, mit denen wir unsere Einsatzbereitschaft und Funktionalität entscheidend erhöhen:
Wir haben wichtige Maßnahmen ergriffen, um bei der Beschaffung schneller zu werden – und zwar sowohl mit neuen gesetzlichen Regelungen als auch mit zahlreichen Verbesserungen unserer internen Prozesse. Hier bleiben wir am Ball.
Wir haben unmittelbar nach dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 rund dreißig Sofortmaßnahmen ermittelt und ergriffen, mit denen wir unsere Bundeswehr möglichst schnell einsatzbereiter machen. Dafür sind wir gerade auch an die Strukturen gegangen. Einige Beispiele:
Mit der kritischen Bestandsaufnahme, die wir in Kürze vorstellen werden, leiten wir rund 200 Maßnahmen (!) ein, die unsere Strukturen in allen Bereichen effektiver und effizienter machen. Wir packen an, Neues und lange Überfälliges. Im Großen und im Kleinen. Und wir stellen uns bei voller Fahrt für die gewaltigen Aufgaben der Zukunft auf.
Bei allen Maßnahmen, die wir nun ergreifen, müssen und werden wir auch neue und unkonventionelle Wege gehen – so wie beispielsweise beim Marine-Arsenal. Um den enormen Instandsetzungsbedarf unserer Flotte besser decken zu können, haben wir Teile der insolventen MV Werften übernommen. Damit stärken wir die Einsatzbereitschaft der Marine. Gleichzeitig gewinnen wir qualifizierte und spezialisierte Arbeitskräfte, indem wir Arbeitsplätze erhalten.
Klar ist: Wir können den gewaltigen Aufgaben, vor denen wir stehen, nur gerecht werden, wenn wir sie nachhaltig finanziell untermauern. Dafür wird das Sondervermögen allein nicht ausreichen. Für eine voll einsatzbereite Bundeswehr muss der reguläre Verteidigungshaushalt in den kommenden Jahren erheblich wachsen. Der Bundeskanzler hat sich zurecht klar dazu bekannt: zwei Prozent unserer Wirtschaftsleistung für die Verteidigung. Und zwar auch über das Sondervermögen hinaus. Dafür setzen auch wir, die Bundesministerin und der Generalinspekteur, uns mit Nachdruck ein.
Natürlich können wir unsere Ausgaben nicht in wenigen Sekunden von Null auf Hundert beschleunigen. Das geben die Kapazitäten in Bundeswehr und Industrie und übrigens auch das Haushaltsrecht nicht her. Doch schon sehr bald werden wir das viele Geld brauchen, damit die steigenden Betriebskosten unseren Investitionsspielraum nicht auffressen, damit wir ausreichend erstklassiges Personal einstellen und auch bei uns halten können, damit wir weiter in moderne Technik investieren können. Das ist es, was uns die Zeitenwende abverlangt.
Soldatinnen und Soldaten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Reservistinnen und Reservisten!
Der Aufbruch ist geschafft. Es ist eine gewaltige Aufgabe, die Bundeswehr wieder voll und ganz fit zu machen. Wir freuen uns, dass wir diese Aufgabe mit Ihnen zusammen angehen dürfen. Jetzt heißt es für jede und jeden Einzelnen: Ärmel hochkrempeln, kräftig mit anpacken, Gutes bewahren, Mängel abstellen und den Mut, konservative Denk- und Handlungspfade zu verlassen. Das ist viel Arbeit, die uns allen viel Durchhaltevermögen, Schweiß und auch Geduld abverlangt. Aber es ist Arbeit, die sich lohnt. Schließlich geht es um die Sicherheit unseres Landes.
Christine Lambrecht
Bundesministerin der Verteidigung
und
Eberhard Zorn
Generalinspekteur
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