Bei der Bundeswehrtagung 2022 hat Bundeskanzler Olaf Scholz den Streitkräften seine volle politische Unterstützung für mutige Entscheidungen zugesagt. Ohne die Menschen in der Bundeswehr sei das beste Material nichts. Er dankte den Soldatinnen und Soldaten für ihren Einsatz und forderte sie auf, den Geist der Veränderung in die Bundeswehr zu tragen.
Der Bundeskanzler betonte in seiner „Klartextrede“, die Zeitenwende sei allein mit dem Sonderpaket in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr unzureichend beschrieben. Die Zeitenwende sei mehr als Geld und Material, sondern vor allem ein Wandel im Denken von Politik, Bundeswehr und Gesellschaft.
Zeitenwende, das heiße, Abschied zu nehmen von alten Gewissheiten. „Das heißt umzudenken, auch strategisch“, sagte der Kanzler vor rund 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, Spitzenpersonal der Bundeswehr sowie Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Verbänden und Thinktanks. „Tragen Sie den Geist des Aufbruches und der Veränderung auch in die Truppe! Leben Sie ihn vor.“ Scholz sagte: „Die Bundeswehr ist wieder dorthin gerückt, wo sie hingehört: in die Mitte unseres Landes.“
Vor diesem Hintergrund richtete der Kanzler den Blick auf den Kernauftrag der Bundeswehr in Zeiten des Ukrainekrieges. Angesichts einer dramatischen Verschiebung der Sicherheitsarchitektur in Europa sei die Landes- und Bündnisverteidigung der Kernauftrag der Bundeswehr. „Alle anderen Aufgaben haben sich ihm unterzuordnen“, betonte Scholz mit besonderem Nachdruck. „Das ist mein Anspruch als Bundeskanzler. Daran können Sie mich messen.“
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An die Adresse des Führungspersonals der Bundeswehr fügte Scholz hinzu: „Zugleich wünsche ich mir, dass diese Vorgabe auch Ihr Denken und Handeln als militärische Vorgesetzte bestimmt. Landes- und Bündnisverteidigung bedeute nichts anderes als: Wir werden jeden Quadratmeter des Bündnisgebietes verteidigen“, so Scholz in seiner Klartextrede.
„Ich meine das sehr ernst – und das wird auch ernst genommen.“ Es gehe längst um mehr, als um eine Rückversicherung gegenüber unseren östlichen Alliierten. „Es geht um unsere Sicherheit, die von der Sicherheit unserer Bündnispartner nicht zu trennen ist“, erklärte der Kanzler.
Der Regierungschef zeigte sich überzeugt, dass die Bundeswehr die großen Herausforderungen schaffen werde. Dies sei eine Herkulesaufgabe. „Die Frauen und Männer der Bundeswehr, Sie alle, kriegen das hin, mit Rückendeckung der Politik!“
Die deutsche Politik habe mit ihrer bisherigen Staatspraxis bei Waffenlieferungen gebrochen und bewiesen: „Wir scheuen keine Veränderungen!“ Dass die Bundeswehr dafür auch auf ihre knappen Bestände zurückgegriffen habe, wo immer das vertretbar gewesen sei, dafür sei er sehr dankbar, so Scholz.
Er habe auf dem Truppenübungsplatz in Putlos gesehen, wie die ukrainischen Streitkräfte am Flugabwehrpanzer Gepard ausgebildet würden. „Ich muss sagen: Es ist beeindruckend, wie tapfer die Ukrainerinnen und Ukrainer ihr Land, ihre Freiheit und unsere europäischen Werte verteidigen.“
Es gebe keinen Zweifel mehr: „Von Putins Russland geht – darauf stellen wir uns im Rahmen der NATONorth Atlantic Treaty Organization ein – derzeit die größte Bedrohung für unser Bündnis aus.“
Scholz bekräftigte die Verantwortung und zugleich den Führungsanspruch Deutschlands in Europa: „Deutschland ist bereit, an führender Stelle Verantwortung zu übernehmen für die Sicherheit unseres Kontinentes.“ Als bevölkerungsreichste Nation mit der größten Wirtschaftskraft und Land in der Mitte des Kontinentes müsse die Bundeswehr zum Grundpfeiler konventioneller Verteidigung in Europa werden, zur am besten ausgestatteten Streitkraft in Europa.
Deutschland solle den europäischen Pfeiler in der NATONorth Atlantic Treaty Organization stärken. „Wir Europäer aber müssen innerhalb der NATONorth Atlantic Treaty Organization deutlich mehr Verantwortung übernehmen“, betonte der Bundeskanzler. Die NATONorth Atlantic Treaty Organization habe in den zurückliegenden Monaten bewiesen, dass sie quicklebendig sei. Dafür sei die enge Abstimmung mit US-Präsident Joe Biden essenziell gewesen.
Vor diesem Hintergrund dankte Scholz Verteidigungsministerin Christine Lambrecht für ihr umfassendes Reformvorhaben im Beschaffungswesen. Dazu seien Rechtsgrundlagen verändert worden, um Beschaffung dramatisch zu beschleunigen und Verfahren zu vereinfachen. „Dafür bin ich Christine Lambrecht sehr dankbar!“, sagte der Kanzler bei dieser Bundeswehrtagung. Nur so könnten die 100 Milliarden Euro des Sondervermögens für die Bundeswehr schnell und gezielt investiert werden.
„Und das erwarten die Bürgerinnen und Bürger – gerade auch angesichts der angespannten Wirtschafts- und Finanzlage – zu Recht von uns.“ Gleichzeitig unterstrich der Kanzler, was aus seiner Sicht für eine demokratische Armee wie die Bundeswehr enorm wichtig sei: „Sie haben auch den Rückhalt der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.“
Im Q&A mit Oberstleutnant der Reserve, Prof. Klaus Schweinsberg, und im Dialog mit dem Publikum richtete Scholz unter anderem den Blick auf die Bedeutung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik in unserer Gesellschaft. Diese sei längst kein Randthema mehr.
Der Kanzler erinnerte daran, dass schon seine Amtsvorgänger Willy Brandt und Helmut Schmidt umfassende Bücher über dieses Thema geschrieben hätten. Mittlerweile sei die Sicherheits- und Verteidigungspolitik von zentralem Interesse für die Bürgerinnen und Bürger.
Zum Schluss der Bundeswehrtagung 2022 richtete Verteidigungsministerin Christine Lambrecht das Wort ans Plenum. Dies sei eine lebendige und konstruktive Tagung gewesen. „Es ist uns gelungen, den Begriff Zeitenwende durchzudeklinieren“, sagte die Ministerin.
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