Bei der durch das Referat Politik II 5 jährlich durchgeführten Nationalen Rüstungskontrolltagung 2020 hat der Referatsleiter Politik II 5 im BMVgBundesministerium der Verteidigung, Ernst-Christoph Meier, den Fokus auf die praktische Rüstungskontrollpolitik gelenkt.
All jene, die sich in der Bundeswehr national wie international mit dem Thema Rüstungskontrolle befassen, seien Adressat dieser Veranstaltung. Mit dieser informierte das Bundesministerium der Verteidigung (BMVgBundesministerium der Verteidigung) über die aktuelle Situation in der Rüstungskontrolle informiere und Orientierung gebe zur ministeriellen Sichtweise. Information und Austausch seien der konkrete Nutzen der Nationalen Rüstungskontrolltagung.
Dabei lenkte Meier nicht ohne Sorge den Blick auf den Vertrag über den Offenen Himmel (OHOffener Himmel-Vertrag). Die USA prüfen diesen gegenwärtig und behalten sich den Ausstieg vor. Pessimismus sei zwar angebracht, was den Erhalt des Vertrages angehe, aber die „Messe ist noch nicht gelesen“, so Meier. Er bezeichnete den Vertrag als wichtiges Instrument der Rüstungskontrolle, an dem Deutschland und seine europäischen Partner sowie auch Kanada vitales Interesse hätten. Die Bundesregierung trete daher nachdrücklich für den Erhalt des OHOffener Himmel-Vertrags und den Verbleib der USA in diesem Vertrag ein. Dies beinhalte künftig auch eine bessere Koordinierung und Planung der OHOffener Himmel-Flüge über russischem Territorium. Moskau belaste aber weiterhin den Vertrag durch sein Implementierungsverhalten.
Das BMVgBundesministerium der Verteidigung befasse sich intensiv mit dem Thema Offener Himmel. Die Bundeswehr könne mit ihrem Airbus 319 CJ, der im Juni 2019 von Lufthansa Technik an die Bundeswehr übergeben worden war, voraussichtlich ab 2021 mit regulären Flügen einen erheblichen Beitrag zur besseren Implementierung des OHOffener Himmel-Vertrags leisten.
Der Referatsleiter Politik II 5 bekräftigte, was bereits bei der Auftaktveranstaltung zur Tagung angeklungen war: Rüstungskontrolle sei kein Selbstzweck. Sie sei Teil der Sicherheitspolitik, diene der Vertrauensbildung, aber auch dazu, Erkenntnisse zu generieren. An diese Prinzipien im Geiste des Wiener Dokuments halte sich der Westen auch bei der kommenden US-Großübung DEFENDER 2020. Dabei würde Manöverbeobachtern aus anderen OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa-Teilnehmerstaaten im Rahmen einer freiwilligen Übungsbeobachtung in Deutschland die Möglichkeit eingeräumt, einen wesentlichen Einblick in das Übungsgeschehen zu bekommen.
Im Sinne der guten und engen Kooperation zwischen BMVgBundesministerium der Verteidigung und Auswärtigem Amt (AAAuswärtiges Amt) gab Ministerialdirektorin Susanne Baumann, die Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle, aus dem AAAuswärtiges Amt einen Überblick über aktuelle Schwerpunkte der Rüstungskontrolle. Strategische Stabilität sei längst nicht mehr auf den nuklearen und konventionellen Bereich beschränkt. Der Rahmen müsse beispielsweise erweitert werden um Weltraum und Cyber. „Wir arbeiten an der Rüstungskontrolle der Zukunft“, so Baumann.
Gemeinsames Ziel zwischen BMVgBundesministerium der Verteidigung und AAAuswärtiges Amt müsse sein, ihren Beitrag dazu zu leisten, dass die Erosion der Rüstungskontrolle gestoppt werde. So gelte es etwa, neben dem OHOffener Himmel-Vertrag auch den New STARTStrategic Arms Reduction Treaty (Strategic Arms Reduction Treaty) zu erhalten. Die Bundesregierung habe ein großes Interesse an der Verlängerung des 2021 auslaufenden New STARTStrategic Arms Reduction Treaty-Vertrags. Wichtig sei, dass beide Ressorts mit vereinten Kräften weiter für die Rüstungskontrolle engagiert blieben. „Wir verstehen Rüstungskontrolle als Sicherheitspolitik.“ Abschreckungsfähigkeit und Rüstungskontrolle seien gemäß Harmel-Bericht zwei Seiten derselben Medaille.
Baumann wies weiter auf die Proliferationskrisen im Iran, in Nordkorea und in Syrien hin. Die Krise der Wiener Nuklearvereinbarung über das iranische Atomprogramm (Joint Comprehensive Plan of Action/ JCPoA) bereite Sorge, ebenso die unvermindert voranschreitenden Aufrüstungsbestrebungen Nordkoreas – und schließlich das fortbestehende Problem rund um Chemiewaffen in Syrien. Das JCPoA sei das beste Mittel, um iranische Nuklearwaffen zu verhindern, aber nur, wenn Iran sich weiterhin strikt an seine Bestimmungen halte.
Die Einbindung Chinas in die Rüstungskontrolle, die vor allem von Seiten Washingtons gefordert werde, solle aus deutscher Sicht gegebenenfalls in neuen Formaten verhandelt werden. China habe seine Verteidigungsfähigkeiten in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut. So auch in der Weltraumtechnologie und bei Cyber. In diesem Kontext zitierte Baumann Bundeskanzlerin Angela Merkel, die gesagt hatte, China müsse als globaler Akteur auch seiner Verantwortung in der Rüstungskontrolle nachkommen. Derzeit, so Baumann, sei die Realität aber leider oft so, dass Peking zwar die Bereitschaft zur Rüstungskontrolle beteuere, wenn es aber konkret werde, sich nicht beteilige.
Für die Einbeziehung Chinas in die Rüstungskontrolle sei unter bestimmten Bedingungen auch Russland. Das bestätigte Anne Braun aus der Deutschen Botschaft in Moskau. Sie berichtete aus der russischen Hauptstadt, das Thema Rüstungskontrolle habe dort in der Diktion der russischen Regierung einen hohen Stellenwert, auch weil Russland grundsätzlich kostspielige Rüstungswettläufe scheue. Dies sei ein Grund, warum Russland durchaus ein Interesse am Erhalt des New STARTStrategic Arms Reduction Treaty-Vertrags haben dürfte. Dies auch deshalb, um im Falle einer Nichtverlängerung des Vertrags durch die USA moralisch auf der „richtigen Seite“ zu stehen, so Braun.
Zum Thema Rüstungskontrolle aus amerikanischer Sicht äußerte sich Heeresattaché Oberst i. G. Stefan Weber aus der Deutschen Botschaft in Washington. Vor dem Hintergrund der US National Defense Strategy (Nationale Verteidigungsstrategie der USA) sagte er, im Bewusstsein der US-Regierung habe sich durchaus die Erkenntnis durchgesetzt, dass Amerika nicht mehr die alleinige Supermacht auf der Welt sei. Mit China sei ein ernstzunehmender Konkurrent und Kontrahent erwachsen. Deshalb sehe Washington technologischen und militärischen Aufholbedarf. Daher habe Abrüstung für die US-Administration derzeit keine Priorität. Die Einbeziehung Chinas in die nukleare Rüstungskontrolle sei eine klare Vorgabe von Präsident Donald Trump.
Um seine militärischen Kräfte zu bündeln, setze Amerika zunehmend auf Lastenteilung mit den Partnern in der NATONorth Atlantic Treaty Organization und in Europa. Beispiel dafür sei der Einsatz auf dem Balkan, im Kosovo. Hier sei zu erwarten, dass die USA diese Mission auf Dauer komplett den Partnern übertragen wolle. Im Sinne der Lastenteilung werde in Washington weiterhin begrüßt, dass die Europäischen Partner ihre Anstrengungen für Sicherheit und Verteidigung intensivierten. So beispielsweise mit der Permanent Structured Cooperation (PESCOPermanent Structured Cooperation).
Wie schon in der Auftaktveranstaltung zog sich der Umgang mit neuen Technologien und ihren Implikationen für die Rüstungskontrolle wie ein roter Faden durch die Veranstaltung. Der Referatsleiter Politik II 5, Ernst-Christoph Meier, unterstrich das Ziel, die neuen Technologien für die Modernisierung und Weiterentwicklung der Streitkräfte nutzen zu wollen, dabei natürlich auch neuen Risiken für die Stabilität durch Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung begegnen zu wollen. Marco Fey aus dem Referat Politik II 5 verdeutlichte die gemeinsame Linie der Bundesregierung zum Umgang mit Letalen Autonomen Waffensystemen (LAWS). In einer Break-out Session wurde der Komplex „Digitalisierung und Rüstungskontrolle“ vertieft.
Brigadegeneral Peter Braunstein, Kommandeur Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr (ZVBwZentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr), blickte zum Abschluss der Nationalen Rüstungskontrolltagung 2020 zurück auf das vergangene Jahr und nahm zugleich den Ausblick auf 2020 vor. Dies mit besonderer Beachtung des Themenfelds „Implementierung der Rüstungskontrollverträge und –abkommen und Vertrauensbildende Maßnahmen (VBM)“. Braunstein sandte die Botschaft: Auch, wenn mancher Rüstungskontrollvertrag derzeit unter Druck stehe, so würde doch jeden Tag irgendwo auf dieser Welt Rüstungskontrolle implementiert.
Der Fokus der Rüstungskontrolle sei global. Allerdings rücke gerade aus deutscher Perspektive Afrika ganz besonders in den Blick. So etwa bei der Kontrolle von Kleinwaffen und Munition, beispielsweise bei der Ertüchtigung Malis.
Aber auch in anderen Regionen des afrikanischen Kontinents seien seine Rüstungskontrollbeobachter unterwegs, so Braunstein. Zuweilen in sehr prekären Sicherheitslagen. Der Brigadegeneral betonte, Deutschland stehe bei der konkreten Umsetzung von Rüstungskontrolle für die strikte Einhaltung der Standards.
Bei der Inspektion von militärischen Übungen, die auch im vergangenen Jahr wieder stattfand, habe er beispielsweise bei einer Übung der Deutsch-Französischen Brigade ein sehr positives Beispiel für Transparenz und Kooperation mit den Beobachtern registriert. Vor diesem Hintergrund zeigte sich Braunstein zuversichtlich, dass bei der anstehenden US-Großübung DEFENDER 2020 bestmögliche Transparenz für die Beobachter geschaffen werde. Zur Arbeit des Zentrums für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr (ZVBwZentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr) sagte der Kommandeur: „Wir sind schlagkräftig, und wir wollen noch schlagkräftiger
werden.“
Meier, der Referatsleiter Politik II 5, unterstrich in seinen abschließenden Worten, dass sich die Rüstungskontrolle in einer Phase des Übergangs befinde, die in neuen Formaten und Inhalten münden könnte. Es gehe jetzt darum, bestehende Vereinbarungen weiter zu implementieren, zu modernisieren, wo es möglich sei, und angesichts der neuen politischen, militärischen und technologischen Herausforderungen auch neue Ansätze zu entwickeln. Dabei komme es seitens des BMVgBundesministerium der Verteidigung darauf an, seine sicherheits- und verteidigungspolitischen Interessen zu wahren und einzubringen.
Diverse Felder der Rüstungskontrolle |
---|
Diverse Felder der Rüstungskontrolle sind im weiteren Verlauf der Nationalen Rüstungskontrolltagung 2020 thematisch ausdifferenziert worden. Auf dem Themenfeld „Konventionelle Rüstungskontrolle in Europa“ referierte Oberstleutnant i. G. Schroeder, BMVgBundesministerium der Verteidigung Pol II 5, zu den Aspekten KSEKonventionelle Streitkräfte in Europa Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSEKonventionelle Streitkräfte in Europa), Wiener Dokument (WDWiener Dokument) samt Modernisierungspaket und Vertrag über den Offenen Himmel (OHOffener Himmel), hier auch zur Zertifizierung des OHOffener Himmel-Beobachtungsflugzeugs der Bundeswehr. Kommentiert von Oberst i. G. Rogat, Ständige Vertretung OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Wien.
Weiter ging es um das Themenfeld „Militärische Übungen und Rüstungskontrolle“. In diesem Kontext sprachen Oberstleutnant i. G. Schroeder BMVgBundesministerium der Verteidigung, Pol II 5, zu Aspekten der Rüstungskontrolle, Oberstleutnant i. G. Harder, BMVgBundesministerium der Verteidigung FüSK I 3, zu Übungen Deutschland/NATONorth Atlantic Treaty Organization, Oberstleutnant i. G. Dördrechter, BMVgBundesministerium der Verteidigung SE I 3, zu Übungen Russlands.
Zum Themenbereich OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa führte Oberregierungsrat Schmidt, BMVgBundesministerium der Verteidigung Pol II 5, zum Aspekt „Strukturierter Dialog“ aus, kommentiert von Oberst i. G. Rogat, Ständige Vertretung OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Wien.
Zum Themenfeld „Weltweite Rüstungskontrolle“/Kleinwaffen referierte Frau Steller, BMVgBundesministerium der Verteidigung Pol II 5, hier insbesondere zu den Kontroll-Initiativen in den Bereichen Kleinwaffen und Munition und zum Ertüchtigungsprojekt zur Munitionssicherheit in Mali.
Zum Thema „Neue Herausforderungen der Rüstungskontrolle“ führte Marco Fey, BMVgBundesministerium der Verteidigung Pol II 5, zu den Aspekten LAWS und Weltraum aus. Kapitän zur See Nievelstein, Ständige Vertretung CDConference of Disarment Genf, sprach zum Aspekt Explosive Weapons in Populated Areas (EWIPA). Kapitän zur See Martin, Ständige Vertretung OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Wien, führte zum Aspekt Cyber aus.
Der zweite Konferenztag begann mit zwei Breakout Sessions. Zur NATONorth Atlantic Treaty Organization-Großübung DEFENDER 2020 – hier mit Oberstleutnant i. G. Schroeder, Pol II 5, und Oberstleutnant i.G.im Generalstabsdienst Harder, FüSK I 3 - sowie zum Thema „Digitalisierung und Rüstungskontrolle“ mit Herrn Fey, Pol II 5, und Oberstleutnant i. G. Siegelmann, Pol II 1.
Nach einer Zusammenfassung der Breakout Sessions durch Oberstleutnant i.G.im Generalstabsdienst Schroeder und Herrn Fey, beide BMVgBundesministerium der Verteidigung Pol II 5, referierte Herr Broer, BMVgBundesministerium der Verteidigung Pol II 5, über das Themenfeld „Rüstungskontrolle Nuklearwaffen“, insbesondere über die anstehende Überprüfungskonferenz zum nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVVNichtverbreitungsvertrag für Nuklearwaffen).
Zum Themenbereich „Rüstungskontrolle Nichtnukleare Massenvernichtungswaffen“ führte Oberstleutnant i.G.im Generalstabsdienst Lutz, BMVgBundesministerium der Verteidigung Pol II 5, aus zu den Aspekten Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ Chemiewaffenübereinkommen), inklusive Einsatz von Chemiewaffen in Syrien, und Biowaffenübereinkommen (BWÜBiologiewaffenübereinkommen), inklusive deutsches Biosicherheitsprogramm und –projekt im Rahmen der Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung. |
Inhalte teilen via