Im nordrhein-westfälischen Geilenkirchen befindet sich seit 1991 das Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr. In der Streitkräftebasis ist diese Dienststelle ein Unikat. Sie wurde von den Ministern Hans-Dietrich Genscher und Gerhard Stoltenberg am Ende des Kalten Krieges und zur Umsetzung von Maßnahmen zur Rüstungskontrolle sowie Vertrauensbildung ins Leben gerufen. Das ZVBwZentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr ist heute mit knapp 170 Mitarbeitern in Europa die größte Organisation, die Rüstungskontrollen im In- und Ausland vorbereitet und durchführt sowie Kontrollpersonal ausbildet und die Ministerien berät.
Die Gründung dieser einzigartigen Dienststelle der Bundeswehr im deutsch-niederländischen Grenzgebiet geht auf die sicherheitspolitischen Veränderungen in Deutschland und Europa Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre zurück. Kennzeichnend für diese Zeit waren der Fall der Mauer sowie die Wiedervereinigung Deutschlands. Damit einher ging auch die Neuordnung Europas. Das gemeinsame Verständnis von Sicherheit gründete auf völkerrechtliche Verträge und Abkommen, wie dem Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa und dem Wiener Dokument über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen. Das neu geschaffene Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr trägt seither mit ihrem fachkundigen Personal zu Transparenz und Vertrauensbildung bei.
Grundsätzlich liegt die Rüstungskontrolle in der jeweiligen Verantwortung der teilnehmenden Nationen. Die Umsetzung erfolgt zumeist in multinational besetzten Teams. Bei den sehr kurzfristig stattfindenden Inspektionen, den sogenannten Verfikationsmissionen, prüfen die Kontrolleure (Verifikateure), ob die vertraglich festgelegten Zahlen mit den real existierenden Waffensystemen sowie deren Standorten übereinstimmen. Die Kurzfristigkeit der Inspektionsankündigungen fordert hohe Flexibilität beim Personal sowie umfangreiches Wissen der Inhalte völkerrechtlicher Verträge oder politisch verbindlicher Dokumente und die Fähigkeit, unterschiedlichste Waffensysteme erkennen zu können. Hierzu findet die Ausbildung sowohl am Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr als auch in anderen Ländern oder Organisationen statt.
Zwischen 2012 und 2017 hat sich die Ausbildungskapazität an dieser Dienststelle der Streitkräftebasis mehr als verdreifacht. Insgesamt werden über 13.500 Stunden zur Ausbildung von qualifizierten Rüstungskontrollinspekteuren erbracht. Im Rahmen der Ausbildung sind Referenten und Ausbildungspersonal aus dem internationalen Umfeld ebenso integraler Bestandteil des Lehrgangsangebotes wie die multinationale Zusammensetzung der Lehrgangsteilnehmer.
Mit dem internationalen Lehrgang zum Wiener Dokument findet zweimal jährlich eine Hochwertausbildung statt. Sie ist für jeweils maximal 20 Lehrgangsteilnehmer ausgelegt und erfreut sich hoher internationaler Reputation. Im Juni 2017 nahmen 32 Teilnehmer aus 18 Nationen an der Ausbildung teil. Der zweiwöchige Lehrgang besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Teil.
Der Lehrgang wendet sich mit Theorie und Praxis an militärische und zivile Angehörige von Verifikationsorganisationen sowie Personal in den Verteidigungs- und Außenministerien der OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa-Mitgliedsstaaten. Die Lehrgangsinhalte umfassen neben Grundlagen zum Informationsaustausch und Informationspflichten der Teilnehmerstaaten – insbesondere der Grundsätze und Maßnahmen des Wiener Dokumentes für erhöhte militärische Transparenz – auch Grundlagen zur militärischen Vertrauensbildung sowie Mechanismen zur Verhinderung von Konflikten.
Alle OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa-Mitgliedsstaaten nutzen diese Instrumente zur militärischen Vertrauensbildung. Um Grundlagen, Verfahren und Abläufe kennenzulernen, bildet ein international zusammengesetztes Ausbilderteam die Lehrgangsteilnehmer aus. Neben den theoretischen Grundlagen sind zwei praktische Ausbildungen vorgesehen. Hierbei sollen unter Einbeziehung einer ausländischen Dienststelle und eines deutschen Truppenteils Verifikationsmaßnahmen wie Übungsbesuche und Inspektionen durchgeführt werden.
Im Praxistest vom 13. bis 24. November wurden eine solche Inspektion und ein Überprüfungsbesuch nach dem Wiener Dokument durchgeführt. Die Lehrgangsgruppe überflog dabei ein sogenanntes „bezeichnetes Gebiet“ im schweizerischen Chamblon mit dem Hubschrauber, um beispielsweise vorher erhaltene Informationen über Truppenformationen, Truppenteile und Hauptwaffensysteme aus der Luft zu identifizieren, zu dokumentieren, zu überprüfen und auszuwerten. Zusätzlich erhielt ein Mitglied der Inspektionsgruppe gemäß des Wiener Dokumentes die Erlaubnis, jederzeit die Anzeigen der Navigationsinstrumente des Luftfahrzeuges mit zu verfolgen und Karten und Navigationsunterlagen einzusehen. Für die Ausbildung künftiger Rüstungskontrolleure eine unerlässliche Erfahrung.
An der Artillerieschule der Schweizer Armee in Biѐre erlebten die Lehrgangsteilnehmer das schweizerische Hauptwaffensystem der Artillerietruppe, die Panzerhaubitze M 109, im „scharfen“ Schuss und erhielten Einblicke in die Ausbildung der Artilleriebeobachter. Durch Vor- und Nachbereitung der Praxisteile Inspektion und Überprüfung erhielten die Lehrgangsteilnehmer ein umfassendes Bild über die Tätigkeit und Aufgaben eines Inspektors, Überprüfers, Beobachters und Begleiters im Rahmen des Wiener Dokumentes. Mit dem internationalen Lehrgang zum Wiener Dokument und seiner multinationalen Ausrichtung leistet das Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr als größte Rüstungskontrollorganisation in Europa einen besonderen und wichtigen Beitrag für die Umsetzung vertrauens- und sicherheitsbildender Maßnahmen im OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa-Raum.
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