Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete,
ich spreche heute hier unter erkennbar außergewöhnlichen Umständen zu Ihnen. Und außergewöhnlich und wertvoll ist die besondere Beziehung zwischen Parlament und Parlamentsarmee, zwischen dem Deutschen Bundestag und der Bundeswehr.
Ich habe größten Respekt vor den Soldatinnen und Soldaten, für Ihren Dienst, und vor den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Bundeswehr. Ich habe größten Respekt vor Ihrer Verantwortung als Abgeordnete des Deutschen Bundestages für unsere Bundeswehr. Dieser Respekt ist für mich die Grundlage meiner Arbeit und unserer Zusammenarbeit.
In den letzten Tagen haben eine Reihe von Mitgliedern dieses Hauses Erwartungen zum Verteidigungsbereich geäußert. Auch in den persönlichen Gesprächen mit mir. Für mich sind diese Erwartungen zuerst einmal Ausdruck Ihres Engagements für unsere Streitkräfte. Für unsere Streitkräfte, auf die wir alle stolz sein können. Ich jedenfalls bin es!
Stolz auf die enorme Leistung der mehr als 180.000 Soldatinnen und Soldaten, die jeden Tag für Deutschlands Sicherheit einstehen und unsere Freiheit verteidigen. Und ich bin stolz auf die mehr als 60.000 zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die genau dafür die Voraussetzungen schaffen – von der Ausrüstung bis zum Personalwesen. Und darin schließe ich alle Familien ausdrücklich mit ein, denn die haben oft ein schweres Los mitzutragen.
Dieser Dienst braucht Unterstützung – und zwar konkret und mit Priorität. Denn diese Frauen und Männer dienen, damit wir in Frieden und Freiheit leben können. In einem Frieden, der leider nicht selbstverständlich ist. Nicht selbstverständlich gerade in Zeiten, in denen sich die Welt rasant wandelt und die Sicherheitslage durch erhebliche Risiken geprägt ist. Die aktuellen Entwicklungen in der Straße von Hormus zeugen davon. Gerade in diesen Zeiten ist unsere Bundeswehr eines der zentralen Instrumente unserer Sicherheit.
Denn wir tragen Verantwortung – gerade auch als nicht-ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.
Wir tragen Verantwortung für eine internationale Ordnung, in der nicht das Recht des Stärkeren gilt, sondern die Stärke des Rechts.
Wir tragen Verantwortung für eine Friedensordnung, die eine freiheitliche Ordnung ist, freiheitlich deshalb, weil sie der unantastbaren Würde jedes einzelnen Menschen verpflichtet ist.
Und wir tragen Verantwortung für die Verteidigung unseres Bündnisgebietes, die gemeinsamen Anstrengungen zur Landes- und Bündnisverteidigung im engen Schulterschluss mit unseren Freunden.
Den Anspruch an unser Handeln gibt uns dabei das Grundgesetz vor:
„In einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
zu Recht hat Ursula von der Leyen letzte Woche in Brüssel gefordert, und ich darf sie zitieren: „Die Welt ruft nach mehr Europa. Und die Welt braucht mehr Europa!“
Wir wollen Europa stark machen – auch in handfesten militärischen Fähigkeiten. Vieles haben wir angestoßen. Und wir haben mit der Ratspräsidentschaft im nächsten Jahr die Gelegenheit, die Europäische Verteidigungsunion weiter auszugestalten – so, wie wir uns das im Koalitionsvertrag vorgenommen haben.
Aber dabei gilt unverändert: Deutschland ist und bleibt fest verankert im transatlantischen Bündnis, ist und bleibt fest verankert in der NATONorth Atlantic Treaty Organization. Die NATONorth Atlantic Treaty Organization ist der Garant unserer Sicherheit. Sie vereint als politische und militärische Allianz die Werte und die Interessen aller ihrer Mitglieder. Die historischen und kulturellen Erfahrungen, und unsere politischen Überzeugungen binden uns dabei zusammen. Und genau dieses Band unterscheidet uns von den autoritären Kräften, die uns und die internationale Ordnung herausfordern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
wir wissen, auf welcher Seite des Tisches wir sitzen. Wir sind ein verlässlicher Verbündeter, der einen fairen Teil der gemeinsamen Aufgaben schultert. Und das wird auch in Zukunft so bleiben.
An dem Ziel der Bundesregierung, 2% anzustreben, ein Ziel, auf das sich alle Verbündeten wiederholt geeinigt haben, halte ich daher fest. Auf dem Weg dahin müssen und wollen wir bis 2024 ein Verteidigungsbudget in Höhe von 1,5% des Bruttoinlandproduktes erreichen. Diesen Wert haben wir abgestimmt gegenüber der NATONorth Atlantic Treaty Organization angezeigt und er entspricht im Minimum auch unserem Bedarf. Es geht hier, um das ganz deutlich zu sagen, nicht um Wünsche von außen, es geht hier nicht um Aufrüstung, es geht hier um Ausrüstung und Personal. Es geht um unsere Bundeswehr. Es geht um eine Bundeswehr, die die Aufgaben erfüllen kann, die wir ihr geben. Es geht um unser ureigenes Interesse.
In diesem Interesse liegen die Einsätze, die einsatzgleichen Verpflichtungen, die Dauereinsatzaufgaben und die Nationale Krisenvorsorge. Rund 18.000 Soldatinnen und Soldaten sind zurzeit in diesen Aufgaben gebunden, von der Präsenz an den Grenzen unseres östlichen Bündnisgebietes über die Stabilisierungsmissionen in Afghanistan und Mali bis zu den Beiträgen zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus in der Counter-Daesh-Koalition und unseren Stand-by-Verpflichtungen.
Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr stehen gemeinsam mit den Frauen und Männern im Polizeidienst, bei der Entwicklungshilfe, im diplomatischen Dienst, in der zivilen Aufbauhilfe, in genau dieser Minute an vielen Orten dieser Welt für Freiheit und Frieden ein – und das teilweise unter erheblicher persönlicher Gefahr. Das dürfen wir nie vergessen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Sie verkörpern damit ganz praktisch unseren vernetzten Ansatz von Friedenspolitik und sie verdienen unsere Anerkennung und unseren Dank!
Unsere Einsätze sind nie Selbstzweck. Wir müssen sie immer wieder prüfen und an veränderte Entwicklungen anpassen. Dabei ist mir eines wichtig: Unsere Beiträge, die Gestaltung unserer Kontingente, die Obergrenzen unserer Mandate und die Festlegung unserer Einsatzregeln, das alles sind und dürfen keine parteipolitischen Fragen sein. Sondern Fragen, die in Verantwortung für unsere Soldatinnen und Soldaten, in Verantwortung für unser Land und gemeinsam mit unseren Verbündeten und Partnern entschieden werden müssen.
Das heißt, dass wir Unterstützungsanfragen unserer Partner immer gewissenhaft prüfen müssen. Weder dürfen wir sie vorschnell bejahen, noch ihnen reflexartige Absagen erteilen. Und das heißt auch, dass wir unsere Einsatzregeln so gestalten, wie dies militärisch sinnvoll und partnerschaftlich geboten erscheint. An diesen Fragen muss sich unsere Diskussion über Einsätze und Mandate künftig orientieren. Das ist der politische Maßstab!
Meine Damen und Herren,
ich sage es in aller Klarheit: Damit wir in Deutschland in Zukunft gut und sicher leben können, braucht es auch eine einsatzbereite Bundeswehr.
Lange, ja vielleicht zu lange, haben wir daran geglaubt, dass die Welt um uns herum immer friedlicher, die Ordnung immer stabiler wird. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, das war ein trügerisches Bild. Deshalb haben wir nach 25 Jahren des Sparens den Schalter umgelegt. Dafür bin ich allen, die daran mitgewirkt haben, und insbesondere meiner Vorgängerin, von Herzen dankbar.
Die Bundeswehr wächst wieder. Personal und Material, alle Trendlinien zeigen endlich wieder aufwärts. Diese Trendwenden will ich fortsetzen. Und diese Trendwenden müssen dauerhaft abgesichert werden. Die Grundlagen dafür liegen auf dem Tisch: Das Weißbuch der Bundesregierung, darauf aufbauend die Konzeption der Bundeswehr und das Fähigkeitsprofil. Es ist – Sie wissen das – ein ehrgeiziger Weg! Aber dieser Weg ist erforderlich, weil es um unsere Sicherheit geht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Basis dafür ist und bleibt eine verlässliche Finanzierung. Wir haben dazu und zu anderen Bereichen generelle Vereinbarungen im Koalitionsvertrag getroffen. Es bleibt festzuhalten: Wenn die Bundeswehr die Fähigkeiten zeigen soll, die wir von ihr verlangen und die wir erwarten, dann muss der Verteidigungshaushalt weiter ansteigen, dann brauchen wir 1,5 Prozent in 2024 und dann brauchen wir einen verlässlich stetig wachsenden Pfad bis dorthin. Auch dafür werde ich mich einsetzen.
Ich weiß, dass es nicht einfach ist, die Anstrengungen der letzten Jahre fortzusetzen. Ich weiß, dass Geld allein nicht ausreicht. Die Mittel, die Sie in diesem Haus zur Verfügung stellen, müssen schneller und reibungsloser als bisher in Personal und Material sichtbar und spürbar investiert werden.
Das gilt für die dringend benötigten Großprojekte. Das gilt für die Projekte, die wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern entwickeln, wie das künftige Kampfflugzeug und den Kampfpanzer. Und für die nationalen Projekte, die Sie alle kennen. Wir werden bis zum Herbst entscheiden und vorlegen, wann wir in dieser Legislaturperiode mit welchen Projekten in das Parlament gehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
das gilt aber auch für den Grundbetrieb. Unsere Soldatinnen und Soldaten sollen Tag für Tag erleben, wie sich endlich die Lücken bei Material und Ausrüstung schließen. Dass sie das bestmögliche Gerät, die beste Ausrüstung und modernste persönliche Ausstattung – nicht nur im Einsatz und bei großen Übungen, sondern schon für die tägliche Ausbildung haben. Dass wir genügend Flugstunden, einsatzklare Schiffe und gefechtsbereite Panzer haben. Dass die Munitionslager voll sind und Ersatzteile schnell ankommen, auch in der Fläche.
Unsere Soldatinnen und Soldaten sollen das Gerät beherrschen, das sie im Einsatz nutzen. Wenn jeder Soldat das Gerät hat, das er für seine Aufgabe braucht – und ich betone: in seiner Einheit und nicht auf Leihschein – dann ist die Bundeswehr wirklich auch ein attraktiver Arbeitgeber. Und daran arbeiten wir.
Was ist dazu getan worden und was müssen wir tun?
Erstens, die Agenda Nutzung gestartet. Mit ihr bringen wir Logistik und Ersatzteilversorgung nach vorn, nah an die Truppe. Die Expertenempfehlungen zur Anpassung und zur Verbesserung der Beschaffungs- und Nutzungsorganisation liegen auf dem Tisch. Wir werden nach Ende der Sommerpause einen Vorschlag zur Umsetzung machen.
Wir werden, zweitens, die Entscheidungsfreiheit der Kommandeure und Verantwortlichen vor Ort stärken – auf der Grundlage des Programms „Innere Führung – HEUTE“.
Und drittens: Wir werden die Sichtbarkeit der Bundeswehr in unserem Land, in unserer Gesellschaft erhöhen. Ob das das freie Bahnfahren in Uniform ist, oder Gelöbnisse oder Zapfenstreiche in der Öffentlichkeit.
Meine Damen und Herren,
unsere Soldatinnen und Soldaten kommen aus der Mitte unserer Gesellschaft. Deshalb ist die Bundeswehr kein Platz, und deshalb ist in der Bundeswehr kein Platz für Extremisten. Aber deshalb gehört die Bundeswehr aber auch erkennbar und sichtbar in die Mitte unserer Städte und Gemeinden.
Ich habe alle Ministerpräsidenten angeschrieben und Ihnen vorgeschlagen, zum Geburtstag unserer Bundeswehr am 12. November in ihren Bundesländern öffentliche Gelöbnisse durchzuführen. Das wäre ein starkes Signal und ein großartiges Zeichen der Anerkennung für unsere Soldatinnen und Soldaten. Und für die Bundeswehr als Parlamentsarmee würde ich mir auch ein Gelöbnis vor dem Reichstag wünschen.
Meine Damen und Herren Abgeordnete,
es gibt viel zu tun. Für eine einsatzbereite Bundeswehr! Für eine Bundeswehr, auf die unser Land stolz sein kann!
Lassen Sie mich zurückkommen auf Paul Löbe, den der Bundestagspräsident eben zitiert hat: „Es braucht nicht niederreißende Polemik, sondern aufbauende Tat.“
Das sollte uns auch heute leiten. Denn es geht um unsere Bundeswehr! Es geht um unser Land!
Vielen Dank.
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