Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat am 14. Januar im Parlament zur Verteidigungspolitik gesprochen. Gegenüber dem Deutschen Bundestag erläuterte sie anlässlich der Generalaussprache die Sicherheits- und Verteidigungspolitischen Vorhaben.
Es gilt das gesprochene Wort!
Frau Präsidentin/Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
unsere Sicherheit in Europa steht aktuell vor großen Herausforderungen.
Das informelle Treffen der EUEuropäische Union-Verteidigungsministerinnen und -minister, das die französische Ratspräsidentschaft gestern ausgerichtet hat, war ein sehr gutes Format, um über diese Herausforderungen zu beraten.
Ein ganz zentrales Thema gestern war: Russland und die Ukraine.
Der russische Aufmarsch an der ukrainischen Grenze verstößt gegen alle Regeln des friedlichen Miteinanders. Jeder russische Angriff auf die Ukraine wird Konsequenzen nach sich ziehen.
Der Konflikt bedroht den Frieden in Europa. Daher müssen wir Europäer uns aktiv einbringen. Und das tun wir auch: Im NATONorth Atlantic Treaty Organization Russland Rat, der endlich, nach über zwei Jahren wieder stattfindet. In der OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa – überall, wo Gespräche geführt werden, haben wir eine starke Stimme.
Es war die Woche der Gespräche. Und es werden weitere Gespräche folgen. Denn klar ist: Wir müssen alle diplomatischen Mittel ausschöpfen, um den Konflikt zu entschärfen.
Gleichzeitig haben wir Europäer – zusammen mit unseren amerikanischen Freunden – deutlich gemacht:
Niemand hat erwartet, dass diese Gespräche mit der russischen Seite einfach werden. Diese Woche hat dann auch gezeigt, wie schwer es wird. Aber zwischen den roten Linien und einer militärischen Auseinandersetzung liegt viel Spielraum für Diplomatie. Wir werden diesen Spielraum voll nutzen!
Die russische Aggression verdeutlicht einmal mehr: Wir müssen in Europa und in der NATONorth Atlantic Treaty Organization eng beieinander stehen. In der kommenden Woche treffe ich Jens Stoltenberg hier in Berlin. Wir werden dann intensiv über die russische Aggression beraten.
Ganz bewusst bin ich für meinen ersten Truppenbesuch im Ausland nach Litauen gereist: zu unserem Kontingent bei der enhanced Forward Presence der NATONorth Atlantic Treaty Organization.
Ich war beeindruckt von der hohen Einsatzbereitschaft unserer Soldatinnen und Soldaten vor Ort. Und ich habe mich bei ihnen bedankt. Denn jede und jeder von ihnen steht für eine wirksame Abschreckung. Und sie alle machen damit eines sehr deutlich: Die Sicherheit unserer Verbündeten ist unsere Sicherheit – auch und gerade in Mittel- und Osteuropa!
Die Bedrohung durch Russland ist das eine. Vor uns liegt aber eine ganze Reihe globaler sicherheitspolitischer Herausforderungen.
Bei alldem gilt: Deutschland steht zu seiner Verantwortung für den Frieden in Europa und der Welt. Und das beweisen wir immer wieder.
Denken Sie nur an unser Engagement im Kampf gegen den IS„Islamischer Staat“ und zur Stabilisierung des Irak. – Über das Mandat wird der Bundestag heute Nachmittag beraten. Unsere Bundeswehr leistet hier – an der Seite unserer Partner und Verbündeten – einen wichtigen Beitrag.
Vergangenes Wochenende war ich in Jordanien und im Irak. Ich habe mit unseren Soldatinnen und Soldaten gesprochen und mir ein Bild von den Umständen gemacht.
Ihr Einsatz ist entbehrungsreich. Und vor allem auch gefährlich: Noch kurz vor meinem Besuch sind wieder einmal Raketen auf der Al Asad Air Base eingeschlagen. Unsere Soldatinnen und Soldaten haben Schutzmaßnahmen ergriffen. Gott sei Dank sind alle wohlauf.
Wir schulden es unseren Frauen und Männern, dass wir ihren hohen persönlichen Einsatz klug und besonnen abwägen. Daher müssen wir und daher werden wir jeden Auslandseinsatz genau evaluieren. – Selbstverständlich im engen, ehrlichen Austausch mit unseren Partnern und Verbündeten.
Es geht darum, Ziele und Instrumente zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen:
Was wollen wir erreichen?
Wie ist unser militärischer Beitrag in politische und zivile Maßnahmen eingebettet?
Und auch: Haben wir eine Exit Strategie?
Mir ist bewusst, dass die Evaluierung ein hoch politischer Vorgang ist. Er betrifft die gesamte Bundesregierung. Unsere Bündnisse. Und unsere Rolle als sicherheitspolitischer Partner in der Welt.
Wir dürfen Einsätze nicht auf das Militärische verengen. Ein Einsatz ist immer auch eine politische Maßnahme. Das ist die wichtigste Lehre aus Afghanistan: Jeder Einsatz steht und fällt politisch.
Das hat auch mit der politischen Lage im Einsatzland zu tun. Und ganz konkret mit der Frage: Wen unterstützen wir eigentlich? Wen bilden wir aus? Und ist dies mit unseren Zielen und Werten vereinbar?
In Mali fordert die internationale Gemeinschaft zurecht eine Rückkehr zu Demokratie und Wahlen – und das nicht erst in fünf Jahren. Mali muss schnell Neuwahlen ansetzen. Alles andere ist inakzeptabel. Zudem ist es ein schwerer Fehler, dass in Mali von Russland unterstützte Söldner im Einsatz sind. Söldner, die dafür bekannt sind, Menschenrechte zu verletzen, zu morden und zu foltern, und andere Staaten zu destabilisieren.
Für unseren Einsatz dort vor Ort gilt: Wenn sich in Mali nichts ändert, kann es ein einfaches „Weiter so“ nicht geben. Das muss allen Beteiligten sehr bewusst sein.
Meine Damen und Herren,
– das ist die Aufgabe unserer Bundeswehr.
Und für diese große Aufgabe werden wir sie auch ausstatten.
Unsere Soldatinnen und Soldaten riskieren ihr Leben für unser Gemeinwesen. – Umso mehr müssen sie darauf vertrauen können, dass wir sie bestmöglich ausrüsten. Daher teile ich die Meinung des Bundeskanzlers: Unsere Ausgaben für die Verteidigung müssen weiter steigen.
Wir brauchen dieses Geld, um unsere Truppe mit dem nötigen Material auszustatten:
Aber es geht nicht nur um mehr Geld. Wir müssen auch das Beste herausholen aus dem, was wir haben.
Hier gab und gibt es zu viele Missstände. Hubschrauber, die nicht fliegen, oder Gewehre, die nicht treffen, haben zu oft für Gespött gesorgt. Daher werde ich das Beschaffungswesen gründlich modernisieren. Da geht es um dicke Bretter. Sie reichen von einer flexibleren Haushaltsführung, über das Vergaberecht bis hin zu digitaler Effizienz. Und mir ist auch klar, dass wir uns die Strukturen der Beschaffung genau ansehen müssen. Das ist eine große Herausforderung.
Aber ich sage immer: „Wenn es einfach wäre, würden es andere machen.“
Meine Damen und Herren,
ich habe unsere Truppe nun schon einige Male besucht – zuhause und im Einsatz. Viele Gespräche geführt – mit unseren Frauen und Männern in Uniform und in Zivil. Und ich kann Ihnen sagen: Wir haben eine hoch motivierte Truppe, auf die sich unsere Bürgerinnen und Bürger verlassen können. Das zeigt sich, immer wenn es drauf ankommt: im vergangenen Sommer bei Fluthilfe. Und jetzt, einmal mehr, in der Pandemie.
Seit bald zwei Jahren sind unsere Soldatinnen und Soldaten im Einsatz gegen das gefährliche Virus – auch unsere Reservistinnen und Reservisten: in Impfzentren, Testzentren und Pflegeheimen. Sie helfen in den Gesundheitsämtern, beim Krankentransport und bei der internationalen Corona Hilfe. Sie tun das unter oft schwierigen Bedingungen, die auch die Helfer belasten.
Ich möchte allen Soldatinnen und Soldaten, die in dieser Pandemie den Menschen in unserem Land zur Seite stehen, sehr ausdrücklich und von Herzen danken!
Aber ich sage auch sehr deutlich: Danke zu sagen allein, reicht nicht. Wir werden deshalb genau prüfen, ob die Anrechnungsregelung, die für die Polizei angekündigt wurde, auch für unsere Soldatinnen und Soldaten umgesetzt werden kann.
Auch persönlich handeln unsere Soldatinnen und Soldaten hoch verantwortlich: Über 90 Prozent haben sich gegen das gefährliche Virus impfen lassen. Damit liegt ihre Impfquote weit über dem Durchschnitt.
Diesen verantwortlichen, solidarischen Geist unserer Truppe gilt es zu bewahren. Wir müssen ihn gegen diejenigen verteidigen, die unsere Werte nicht teilen. – Gegen die Hetzer, die menschenverachtende Verschwörungsgeschichten befeuern und rechtsextremistischen Hass schüren.
Lassen Sie mich hier sehr deutlich werden: Es gibt null Toleranz gegenüber jeder Form von Extremismus. Ein Wegschauen, eine falsch verstandene Kameradschaft darf es nicht geben. Extremisten müssen wir konsequent verfolgen und schnell aus der Bundeswehr entfernen. – Auch durch eine Reform der soldatenrechtlichen Vorschriften, die jetzt sehr schnell kommen wird.
Denn zu einer starken Bundeswehr gehört eines ganz sicher:
Dass man mit beiden Beinen fest auf dem Boden unseres Grundgesetztes steht!
Dass man die Werte lebt, für die man kämpft!
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