Rede des Kommandeurs der Schule für Feldjäger und Stabsdienst Oberst Dirk Waldau anlässlich der Umbenennung der „Emmich-Cambrai-Kaserne„ in „Hauptfeldwebel-Lagenstein-Kaserne“ am 28. März 2018 in Hannover.
Es gilt das gesprochene Wort!
Frau Bundesministerin, Herr General, liebe Familien Schüller und Lagenstein, meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich bin 1987, so wie sie heute, durch das Tor dieser Liegenschaft gefahren, um an einem Offizierlehrgang teilzunehmen.
Damals weckte der Kasernenname Emmich-Cambrai keine Erinnerung in mir und wurde fortan in der Ausbildung auch nicht thematisiert. Er blieb ein Schriftzug neben der Wache, über den ich mir keine großen Gedanken machte – und genauso wird es danach vielen tausend anderen Soldaten auch gegangen sein.
Nach meinem Dienstantritt als Kommandeur der Schule für Feldjäger und Stabsdienst habe ich dieses Thema aufgenommen und bei vielen Begegnungen mit Lehrgangsteilnehmern die historischen Bezüge zu General von Emmich und dem Ort Cambrai gern erklärt. Dazu musste ich in den Köpfen den ersten Weltkrieg aufklappen, habe ich seine Ursachen und seinen Verlauf gestreift, die mit hohen Orden gewürdigten Leistungen des Generals skizziert, das Gefechtsgeschehen vor Cambrai im November 1917 dargestellt, an die knapp 100.000 Gefallenen und Verwundeten erinnert und zu erläutern versucht, ob und wie die Panzer- und die Infanterietruppe von heute dazu einen Bezug haben.
Nicht in jedem Fall habe ich Interesse an meinen Worten verspürt. Nahezu niemand –weder Stammsoldaten noch Lehrgangsteilnehmer - konnten oder wollten sich mit Ort und Person identifizieren.
Ich habe mit diesem Kasernennamen die Soldaten nicht erreichen können, was letztlich auch nicht verwundert, da die damaligen Ereignisse zu weit weg vom heute sind – nicht nur zeitlich; auch inhaltlich sind Auftrag und Verpflichtung der hier dienenden Soldaten gänzlich anders.
Innere Führung, unsere Unternehmensphilosophie, verlangt aber gerade, dass die Vorgesetzten Antworten und konkrete Anknüpfungspunkte zur Identität eines Soldaten der Bundeswehr liefern.
Das meine Soldaten zu Emmich und Cambrai keinen Zugang fanden, war Anstoß für den Umbenennungsprozeß, den wir im vergangenen Jahr begonnen haben.
Wir haben Namensvorschläge gesammelt, von Regionen, von Personen, und dann miteinander und ohne Ansehen vom Amt und Stellung darüber diskutiert. Dabei haben wir unbewusst auch unser heutiges berufliches Selbstverständnis geklärt und geschärft.
Wir wollten einen Namen finden, der uns einen Bezug zu unserem heutigen soldatischen Dienst erlaubt, der uns etwas sagt, der uns motiviert, der uns auch stolz machen kann.
Der Vorschlag Hauptfeldwebel Lagenstein war schnell da.
Geboren im April 1980 und eingetreten in die Bundeswehr im September 2000, erreichte er 2005 den Dienstgrad Feldwebel und diente fortan im Feldjägerdienstkommando Bremen. 2010 wurde er zum Berufssoldaten und Hauptfeldwebel ernannt und schloss die Ausbildung zum Führer im Personenschutz ab. In seiner Laufbahn hat er freiwillig an drei Auslandseinsätzen teilgenommen; während seines vierten Einsatzes fiel er am 28.Mai 2011 im afghanischen Taloquan, getötet bei einem ferngezündeten Sprengstoffanschlag.
Hauptfeldwebel Lagenstein bleibt uns als ein Maßstäbe setzender Unteroffizier mit Portepee in Erinnerung, der in außergewöhnlichem Maße zur Menschenführung befähigt war. Durch seine mitreißende Art, seine Freude an und in der Verantwortung sowie sein Führen von vorn ist er ein herausragendes Vorbild für die nachwachsenden Feldwebelgenerationen. Dabei blieb er stets bescheiden im Auftreten, konsequent und unbeirrbar in der Auftragserfüllung.
Hauptfeldwebel Lagenstein ist im März 2011 an diese Schule versetzt worden und sollte nach der Rückkehr aus Afghanistan in der Ausbildung der angehenden Vorgesetzten seine Aufgabe finden – er war dafür vorbildlich geeignet.
Auch wenn er als Berufsunteroffizier zur Feldjägertruppe gehört, können sich die Angehörigen der Dienststellen des Sanitätsdienstes und der anderen hier dienenden Truppengattungen mit ihm als Person sicher und eindeutig identifizieren. Er steht für Werte, die, losgelöst von Barett- oder Kragenspiegelfarbe, universell gültig sind und jeden Soldaten unmittelbar betreffen und binden: Pflichtbewusstsein, Führungswillen, Verantwortungsgefühl, Tapferkeit.
Sein Lebenslauf, seine militärische Profession und seine Leistung im Einsatz in Afghanistan haben uns überzeugt, die von ihm gelebten Werte sind auch unsere Werte, sie bestimmen unser Selbstverständnis – so soll unsere Kaserne heißen.
Ich freue mich daher und bin dankbar im Namen aller hier angetretenen Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften, dass unserem Vorschlag entsprochen wird.
Wenn unsere jungen Lehrgangsteilnehmer demnächst durch das Kasernentor fahren, so wie ich vor mehr als 30 Jahren, sollen sie mit dem Kasernennamen Hauptfeldwebel Lagenstein etwas verbinden: Erinnerung an den Menschen Tobias Lagenstein und Verpflichtung auf die von ihm als Hauptfeldwebel der Bundeswehr verkörperten Werte - und die jungen Menschen sollen es nicht nur verstehen, sondern es für ihre berufliche Zukunft nicht mehr vergessen.
Für die heute angetretene Truppe wird dieser Appell eine ähnlich anhaltende Wirkung entfalten. Das hat seine Ursache nicht nur in dem bedeutsamen, weil auch seltenen, Anlass der Umbenennung der Kaserne, sondern in der beeindruckenden Anwesenheit vieler prominenter Gäste.
Ich freue mich über jeden einzelnen von ihnen, sagen ihnen allen Herzlich Willkommen und Dank für ihren Besuch. Wenige Repräsentanten möchte ich
namentlich begrüßen und bitte darum, sich den Begrüßungsapplaus bis zu meinem Abschluss aufzusparen.
Ich danke ihnen.
Inhalte teilen via