Rede der Bundesministerin der Verteidigung Ursula von der Leyen anlässlich der Serenade zum 70. Jahrestag des Endes der Berlin-Blockade und der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an General John W. Nicholson.
Es gilt das gesprochene Wort.
Morgen vor genau 70 Jahren, am 12. Mai 1949, endete die Berliner Blockade. Diesen Tag feiern wir an diesem Wochenende.
Fast ein Jahr lang hatte Stalins Sowjetunion Berlin im Klammergriff. Der Zugang über Straßen, Schienen und Wasserwege war versperrt, die Menschen der westlichen Sektoren Berlins sollten frieren und hungern – und sie sollten so leichte Beute für die kommunistische Herrschaft werden.
Es waren die Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Frankreich, die in diesem Moment der größten Not entschlossen eingriffen. Sie riefen die heute so legendäre Luftbrücke ins Leben und sicherten so die Freiheit Westberlins.
Und was zunächst nur für den westlichen Teil der Stadt galt, gilt seit der Wiedervereinigung endlich für die ganze Hauptstadt, ja, unser ganzes Land.
So wirken der Mut und die Tatkraft derjenigen, die sich der Blockade Berlins entgegenstellten, bis heute fort.
Meine Damen und Herren, es gibt viele gute Gründe, diesen Jahrestag zu feiern.
Ich möchte einige herausgreifen.
Die Luftbrücke war eine Meisterleistung!
Vom 28. Juni 1948 bis zum 6. Oktober 1949 – brachten die Alliierten rund 5.000 Tonnen Ladung in die Stadt – jeden einzelnen Tag!
In der Spitze waren es bis zu 13.000 Tonnen an einem einzigen Tag – mehr Güter, als vor der Blockade auf dem Landweg in die Stadt je gekommen waren. Geleistet wurde das über die 3 Flughäfen der Westalliierten – Tempelhof im amerikanischen Sektor, Gatow im britischen Sektor und Tegel im französischen Sektor.
Tegel wurde eigens für die Luftbrücke gebaut, mit der damals längsten Landebahn in Europa. Übrigens in nur 3 Monaten Bauzeit –….
Während der Luftbrücke landete alle 2 bis 3 Minuten ein „Rosinenbomber“ in Berlin. Dieses außergewöhnliche Museum zeugt davon. Kohle wurde tonnenweise eingeflogen, um die Energieversorgung sicherzustellen. Es ging um alle Güter des täglichen Bedarfs. Legendär sind die Süßigkeiten für die Kinder, die an kleinen Fallschirmen über den Straßen abgeworfen wurden.
Der Pilot, der diese Idee hatte und als 1. in die Tat umsetzte, ist heute bei uns – ich verneige mich vor „Mr. Candy Bomber“ himself, Colonel Gail Halvorsen.
Ganze Generationen von Deutschen sind mit dem Bild der amerikanischen Rosinenbomber aufgewachsen. Meine Damen und Herren, in dieser Erinnerung schwingt mehr mit als ein nostalgisches Gefühl. So wie das Bild der Rosinenbomber für mehr steht als für eine militärische und logistische Meisterleistung. Es steht für die Versöhnung zwischen Deutschen und den Westmächten.
Die Luftbrücke begann keine 3 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, und sie symbolisiert sein wirkliches Ende. Das Ende des Krieges in den Köpfen der Deutschen, der Franzosen, der Briten, der Amerikaner.
Die Luftbrücke war eine gefährliche Operation – die Flieger wurden beschossen von sowjetischer Flak, bedrängt von sowjetischen Kampfflugzeugen.
Aber die Alliierten waren bereit, sich für ein freies Berlin bis zum Äußersten einzusetzen. 80 Briten und Amerikaner ließen in der Luftbrücke ihr Leben.
Das Luftbrückendenkmal in Tempelhof bewahrt ihnen ein ehrendes Andenken.
Diese Einsatzbereitschaft war die ausgestreckte der Hand der ehemaligen Kriegsgegner an Deutschland.
Sie zeigten durch ihr Handeln: Wir lassen euch nicht im Stich!
Und die Berliner zeigten ihnen: Wenn ihr uns helft, lassen wir uns nicht kleinkriegen!
Und damit wurde ein neuer Zusammenhalt besiegelt.
Hier wurde mit Leben gefüllt, was es heißt, der Westen zu sein. Gemeinsam stark, als souveräne Nationen, auf dem festen Fundament gemeinsamer Werte von Demokratie und Menschenrechten. Und das freie Deutschland wurde ein Teil dieses Westens.
Denn zur Idee des Westens gehört auch, dass er stets einladend ist.
Eine Wertegemeinschaft, die allen offensteht, die unsere Werte teilen.
Die, gerade weil sie um ihre Unvollkommenheit weiß, ständig um die Verwirklichung ihrer Ideale ringt. Und in der alle mit anpacken, jeder nach seinen Kräften. So wie auch Piloten aus Kanada, Neuseeland, Australien und Südafrika an der Luftbrücke beteiligt waren.
Meine Damen und Herren,
auch heute, in unseren wieder sehr bewegten Zeiten, können wir einiges aus der Luftbrücke lernen. Darüber, wie sehr politische Ideen auch immer der politischen Tatkraft bedürfen. Dass Bündnisse erfolgreich sind, wenn das gemeinsame Ziel Vorrang hat gegenüber dem nur nationalen Vorteil.
Dass wirklich stark ist, wer andere stark macht. Nicht zuletzt ist die Reaktion auf die Berlin-Blockade auch ein Lehrstück in maßvoller Besonnenheit. Die Westmächte waren hart in der Sache: Westberlin musste eine freie Stadt bleiben. Aber sie waren zugleich maßvoll und erfinderisch in ihren Methoden. Sie haben Stalins Gewalt nicht mit Gewalt beantwortet, aber sie haben seine Provokation auch nicht hingenommen. Sie vermieden den Krieg, und erreichten dennoch ihr Ziel.
Diese erste Berlin-Krise beglaubigte die Doktrin der Eindämmung, die Amerikas Politik bis zum Zerfall der Sowjetunion leiten sollte. Und sie hat uns heute noch etwas zu sagen, wenn nicht mehr physische Blockaden, sondern Informationskampagnen über soziale Medien oder Cyberangriffe die Freiheit bedrohen. Wenn autoritäre Regime von der Krim bis zum Südchinesischen Meer wieder ihre Muskeln spielen lassen. Sie sagt uns, dass Freiheit immer wieder neu errungen und geschützt werden muss. Dass es richtig ist, rote Linien klug zu ziehen – und sie dann entschlossen zu verteidigen. Dass es sich lohnt, das moralisch Richtige zu tun.
Wenn Präsident Truman nur mit den Schultern gezuckt hätte oder nur nach den Kosten gefragt hätte, wäre ganz Berlin damals an Stalin verloren gegangen. Schwer vorstellbar,
dass Deutschland und Europa dann die Entwicklung der letzten 70 Jahre genommen hätten.
Das, meine Damen und Herren, ist ein weiterer Grund heute zu feiern. Die Luftbrücke und das Ende der Berliner Blockade sind eine entscheidende Wegmarke für den Aufbau der Demokratie in Deutschland.
Ein Akt des Widerstands gegen Diktatur und Fremdherrschaft. Ein Akt der Vertrauensbildung, der dem physisch und moralisch zerstörten Deutschland neue Horizonte öffnete. Der den Deutschen das Bewusstsein wiedergab, dass es in ihrer Hand lag, auf den Ruinen einer schrecklichen Vergangenheit etwas Neues, Besseres entstehen zu lassen.
Und dass sie das nicht allein schaffen mussten, sondern auf Unterstützer zählen konnten, die – so unfasslich das vor 70 Jahren auch schien – mit der Zeit Freunde werden sollten. Nur wenige Wochen nach dem Ende der Blockade, verkündete der Parlamentarische Rat am 23. Mai 1949 das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.
Meine Damen und Herren, wir sind seither einen weiten Weg gegangen. Wir Deutschen können stolz sein auf das, was wir erreicht haben. Und wir sind unseren Freunden unendlich dankbar, die ihren eigenen, nur zu berechtigten Groll über das Gestern nicht bestimmen ließen, wie das Morgen aussehen sollte. Aber wir Deutschen wissen auch,
dass Demokratie wehrhaft sein muss. Das verlangt Engagement – und auch handfeste Investitionen. Zwar sind unsere politische Kultur und unsere freiheitliche Ordnung stabil und kraftvoll. Doch wir dürfen sie nie für selbstverständlich nehmen. Unsere Achtung vor dem Rechtsstaat und seinen Institutionen, die Sorgfalt und der Respekt in unserer politischen Debatte, diese hohen Güter müssen immer wieder aufs Neue gepflegt und vermittelt werden. In Deutschland und Europa. In dem die Würde des Einzelnen unantastbar ist. In dem wir die Vielfalt in Einheit leben können.
Und wir tragen so das Erbe der Männer und Frauen weiter, die vor 70 Jahren die Blockade unserer Hauptstadt durchbrochen haben – damit wir in Freiheit und Sicherheit leben können.
Vielen Dank.
Ladies and Gentlemen, allow me just a few further remarks.
And in English, no less - since it is my privilege today to not only celebrate the heroes of the Berlin airlift, but also to honor a steadfast transatlanticist, a distinguished military leader, and a true friend to Germany, General John William Nicholson.
General, throughout your exemplary service in the United States Army, you have embodied the spirit of the transatlantic Alliance.
Courageous in the face of adversity, clear-eyed and capable, loyal to your men and women as well as to your mission, gaining strength from an incorruptible moral compass. Be it as Commander of the NATONorth Atlantic Treaty Organization Allied Land Command, be it as Commander of Mission Resolute Support in Afghanistan – or be it as a young Major serving in the 1st and 3rd Infantry Divisions in Germany – you have always worked tirelessly to make our Alliance even stronger.
You have been the longest serving NATONorth Atlantic Treaty Organization commander in Afghanistan, from March 2016 until your retirement in September of last year. Leading 41 nations, including soldiers from Germany, with your vision, integrity and enthusiasm. Your leadership has helped define in practice what comprehensive, cooperative security means
and what it can achieve. Your leadership has helped make your country stronger and more secure – by making our Alliance and all our countries stronger and more secure. It is for this achievement, in the spirit of the heroes of the Berlin airlift, that I present you with the Knight Commander’s Cross of the Order of Merit of the Federal Republic of Germany.
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