Die Serie der Workshops zur Überarbeitung des Traditionserlasses ist abgeschlossen. Der Leiter des zuständigen Referats Führung Streitkräfte III 3 im Verteidigungsministerium, der promovierte Oberst i.G.im Generalstabsdienst Sven Lange, gibt im Interview mit der Redaktion der Bundeswehr seinen persönlichen Eindruck über den zurückliegenden Debatten-Prozess wieder.
Haben die von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen initiierten Workshops eine solide Grundlage für einen neuen Traditionserlass gelegt?
Eindeutig. Und dies in zweifacher Hinsicht: Zum einen haben wir durch die Workshops an der Führungsakademie, dem Zentrum für Innere Führung, dem Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften sowie an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik vielen Gruppen innerhalb der Bundeswehr die Möglichkeit zur Beteiligung gegeben und immer einen bunten und regional unterschiedlich besetzten Teilnehmerkreis gewinnen können. Zum anderen haben wir von der an den Veranstaltungsorten vorhandenen Expertise profitiert. Jeder Workshop stand unter einem anderen Thema und wir haben uns vorher gründlich überlegt, welcher Aspekt dieser komplexen Thematik an welchem Ort diskutiert werden sollte. Das hat sehr gut funktioniert.
Wie haben Sie persönlich den bewusst alle Teilnehmer einbeziehenden Diskussionsprozess wahrgenommen?
Ich war beeindruckt vom Engagement der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Frage nach unserer Tradition beschäftigt die Soldatinnen und Soldaten, vom General bis zum Gefreiten. Was ich in dieser Form nicht erwartet hatte, war das große Interesse auch der zivilen Angehörigen der Bundeswehr. Hinzu kommt, dass jeder Workshop anders war: andere Teilnehmer, unterschiedliche Aspekte und auch ein unterschiedlicher Ablauf. Da haben wir durchaus experimentiert. Ein Workshop ähnelt ja immer einer Wundertüte. Man weiß vorher nie, ob er ein Erfolg wird. Das hängt maßgeblich von den Vortragenden sowie den Teilnehmern und ihrer Bereitschaft zur Diskussion ab. Ich finde, wir haben am Ende immer einen Treffer gezogen.
Was sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse, die Sie aus den Workshops mitgenommen haben?
Die Bestätigung, wie schwierig es werden wird, einen neuen Erlass zu entwerfen, der Handlungssicherheit mit Handlungsfreiheit vereinbart. Letztlich waren die Workshops ja kein Selbstzweck, sondern sollen uns bei der Erarbeitung eines neuen Erlasses helfen. Die Verunsicherung ist spürbar und entsprechend groß und unterschiedlich sind die Erwartungen. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler hat dies in Potsdam sinngemäß auf den Nenner gebracht, es komme darauf an, komplizierte und komplexe Zusammenhänge einfach und eingängig zu formulieren. Das beschreibt es ganz gut.
Ein Hinweis, den der angesprochene Wissenschaftler Herfried Münkler gegeben hat, lautet: Die Bundeswehr müsse bei ihrer Traditionspflege auch ihre eigenen Heldengeschichten erzählen. Was meinen Sie?
Wenn nicht unbedingt Helden, so benötigen wir doch sicherlich sinnstiftende Vorbilder. Und ich meine, an denen besteht in der Bundeswehr kein Mangel. 2017, mehr als 60 Jahre nach Gründung der Bundeswehr, können wir nunmehr das einlösen, was 1982 noch nicht möglich war, nämlich unsere eigene Geschichte zum zentralen Bezugspunkt unserer Tradition zu machen.
Welchen Einfluss wird die Überarbeitung des Traditionserlasses auf die Rolle der Bundeswehr als Parlamentsarmee und als Teil unserer Gesellschaft haben?
Die Ministerin hat beim ersten Workshop in Hamburg darauf hingewiesen, dass die Tradition der Bundeswehr anschlussfähig an das Geschichtsverständnis der Gesellschaft sein muss. Als Armee der Demokratie darf die Bundeswehr sich nicht vom Geschichtsbild der sie umgebenden Zivilgesellschaft abkoppeln. Gleichzeitig hat die Ministerin aber auch festgestellt, dass anschlussfähig nicht identisch bedeutet. Ich hoffe daher, dass ein neuer Traditionserlass auch zu einer gesellschaftlichen Debatte über Rolle und Aufgaben der Bundeswehr beitragen wird.
Wie beurteilen Sie die Überarbeitung des Traditionserlasses für die Stellung der Bundeswehr im Kreise ihrer internationalen Partner?
Auf dem ersten Workshop sind wir der Frage nachgegangen, ob sich durch die Auslandseinsätze und die immer stärkere Verflechtung in multinationale Verteidigungsstrukturen gemeinsame und internationale Traditionen entwickeln. Es wurde deutlich, dass die Bundeswehr zu dieser Entwicklung nur dann substantiell beitragen kann, wenn sie einen eigenen Standpunkt und ein eigenes Traditionsverständnis besitzt. Dazu wird der neue Traditionserlass entscheidend beitragen.
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