Der Blick ist fest gerichtet auf das Ziel einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion. Ein erster Meilenstein auf diesem Weg ist die Ständige strukturierte Zusammenarbeit in der EUEuropäische Union, PESCOPermanent Structured Cooperation (Permanent Structured Cooperation), die noch in diesem Jahr beschlossen werden soll.
Das Thema hat für die Bundesregierung hohe Priorität. Deshalb legte kürzlich das Bundeskabinett in seiner letzten Sitzung vor der Konstituierung des neuen Deutschen Bundestags Eckpunkte zur Teilnahme an der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit und Verteidigung vor. Denn es ist nicht sicher, ob bis zum Start des Vorhabens am Jahresende eine neue Bundesregierung gebildet werden kann.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wies bei dieser Gelegenheit in Berlin auf die Dimension der Kabinettsentscheidung hin: Ein „wichtiger nationaler Schritt“ in Richtung einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion sei mit diesem Beschluss vollzogen worden.
Ein Experte in Sachen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik pflichtet der Ministerin bei. Elmar Brok, Mitglied des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments, erklärte auf Anfrage der Redaktion der Bundeswehr: „Wir Europäer müssen unsere Sicherheit endlich in die eigenen Hände nehmen. Die PESCOPermanent Structured Cooperation ist das lange vermisste Instrument, um die EUEuropäische Union durch eine Koalition der Willigen im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik komplementär zur NATONorth Atlantic Treaty Organization entscheidend voranzubringen.“
Bei PESCOPermanent Structured Cooperation handelt es sich überdies um ein bürgernahes Thema. „Wenn man die europäischen Bürgerinnen und Bürger fragt, was sie erwarten von der Europäischen Union, dann steht immer ganz oben an das Thema europäische Sicherheit und Verteidigung“, so Ministerin Ursula von der Leyen.
Auf diesem Gebiet sei seit Jahrzehnten zu wenig vorangekommen. Das Thema sei lange „geblockt worden“, insbesondere von den Briten. Nach dem Brexit-Votum hatten die EUEuropäische Union-Staaten auf Initiative Deutschlands und Frankreichs und später mit Italien und Spanien einen neuen Anlauf zur Vertiefung ihrer Verteidigungskooperation genommen. 27 EUEuropäische Union-Länder – soviel werden es nach dem Brexit sein – 27 Armeen, 27 Verteidigungshaushalte. Der Sinn einer Verteidigungsunion ist, Kräfte zu bündeln, Fähigkeiten zu ergänzen und Rüstungsausgaben durch Kooperationen effektiver einzusetzen.
Die Europäer müssten in der Lage sein, so die Ministerin, ihre Probleme in die eigene Hand zu nehmen. Das hätten auch die Entwicklungen des Jahres 2016 mit der Wahl des neuen US-Präsidenten den Europäern nochmals deutlich gezeigt.
Die Ständige strukturierte Zusammenarbeit sieht die Möglichkeit für die EUEuropäische Union-Mitglieder vor, auch in kleineren Gruppen, militärische Vorhaben verbindlicher als bisher umzusetzen. Die Hoffnung der Initiatoren, allen voran Deutschland und Frankreich, ist jedoch, dass sich auf lange Sicht alle EUEuropäische Union-Länder an PESCOPermanent Structured Cooperation beteiligen. Darin verpflichten sich EUEuropäische Union-Staaten, ausgewählte Verteidigungsprojekte gemeinsam durchzuführen.
Denn hier besteht Bedarf an Verbesserung. „Die EUEuropäische Union-Mitgliedsstaaten verschwenden 230 Milliarden Euro jährlich wegen mangelnder Kooperation. Insbesondere im Bereich von Forschung, Entwicklung und Beschaffung sowie Logistik müssen Synergieeffekte erreicht werden – auch unter Nutzung der Europäischen Verteidigungsagentur EDAEuropäische Verteidigungsagentur“, so Elmar Brok.
PESCOPermanent Structured Cooperation soll die Verbesserungen bringen, Beispiel: Wenn 27 Länder sich für das selbe Rüstungsprojekt entscheiden, sinken die Kosten dafür. Weiter können sie die gewonnenen Fähigkeiten schneller einsetzen. In diesem Sinne soll der durch PESCOPermanent Structured Cooperation gesetzte Rahmen mit neuen Projekten ausgefüllt werden. Hier reicht zunächst die Palette der Vorschläge:
Wenn Ausbildung und Material vereinheitlicht werden, kann das die Arbeit der Soldaten erleichtern. Denn ein zuvor unnötiger Wust von Strukturen, Kompetenzen und verschiedenartiger Technik behindert dann nicht mehr ihre Arbeit.
So könnten etwa in dem geplanten Sanitätskommando Mediziner flexibler und schneller eingesetzt werden als in dem bisherigen Strukturwirrwarr.
Ähnlich bei der Logistik. Im Rahmen einer Logistischen Drehscheibe sollen die Planer die Transportkapazitäten zu Lande, auf dem Wasser und in der Luft besser einsetzen können. Dann soll ein Netzwerk das Material an seinen Bestimmungsort bringen.
Die Ministerin sprach in ihrem Statement nach dem Kabinettsbeschluss von einem „Ende der Zersplitterung“ im Miteinander der europäischen Armeen. Der erste Schritt dorthin wurde bereits im Frühjahr dieses Jahres getan. Und zwar mit der Gründung einer gemeinsamen militärischen EUEuropäische Union- Kommandozentrale in Brüssel. Sie soll künftig vor allem Beratungs- und Ausbildungsmissionen koordinieren.
PESCOPermanent Structured Cooperation ist dem Framework Nations Concept der NATONorth Atlantic Treaty Organization ähnlich. Auch dabei geht es darum, Projekte, die nicht mit allen Partnerstaaten umgesetzt werden können, im kleineren Verbund zu realisieren. PESCOPermanent Structured Cooperation kann als Signal an die USA gewertet werden, dass Europa mehr für die gemeinsame Sicherheit und Verteidigung tut. PESCOPermanent Structured Cooperation ist, so hatte Ministerin von der Leyen vielfach betont, nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zur NATONorth Atlantic Treaty Organization gedacht.
Brok resümiert: „Unser volles Potenzial werden wir nur durch Kombination unserer konkurrenzlosen soft power mit der uns bislang weitgehend fehlenden hard power nutzen können. Eine vollständige Umsetzung der im Vertrag von Lissabon vorgesehenen Instrumente der Außen- und Sicherheitspolitik ist hierfür notwendig.“
Der Vertrag von LissabonDie Strukturen für eine europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion, sind im EUEuropäische Union-Vertrag von Lissabon, auch EUEuropäische Union-Grundlagenvertrag, angelegt. Der Vertrag wurde am 13. Dezember 2007 unter der Ratspräsidentschaft Portugals in Lissabon unterzeichnet. Er trat am 1. Dezember 2009 in Kraft und damit auch das Rahmenkonzept einer sogenannten Ständigen strukturierten Zusammenarbeit, PESCOPermanent Structured Cooperation (Permanent Structured Cooperation). Die rechtlichen Grundlagen dafür bilden im Vertrag von Lissabon die Artikel 42 und 46 sowie das Zusatzprotokoll 10. |
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