Was wird aus dem System der Rüstungskontrolle? Um diese Frage ging es am zweiten Tag der Münchner Sicherheitskonferenz. Auf dem Podium im Hotel Bayerischer Hof diskutierten der finnische Präsident Sauli Niinisto, die Abteilungsleiterin für Rüstungskontrolle im US-Außeministerium Andrea Lee Thompson, der stellvertretende russische Außenminister Sergej Ryabkow, die Direktorin des Center on China-American Defence Relations der chinesischen Volksbefreiungsarmee, General Yunzhu Yao, sowie Sybille Bauer, Expertin des Thinktanks Stockholm International Peace Research Institute SIPRIStockholm International Peace Research Institute.
Wie aktuell die Frage ist, zeigte der Beschluss der US-Regierung vom 1. Februar 2019, den Vertrag über Nuklearwaffen mittlerer Reichweite (Intermediate Range Nuclear forces INFIntermediate Range Nuclear Forces) mit einer Frist von sechs Monaten aufzukündigen. Der amerikanisch-russische Vertrag aus dem Jahr 1987 verbietet den Besitz, Entwicklung und die Produktion von landgestützten ballistischen und Marschflugkörpern mit einer Reichweite von 500 bis 5.500 Kilometern. Die Vereinigten Staaten werfen Moskau schon seit geraumer Zeit vor, das Abkommen zu verletzen. Streitpunkt ist eine neue russische Rakete mit der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Bezeichnung SSC-8. Amerikanischen Angaben zufolge habe Russland sie vertragswidrig mit einer größeren Reichweite getestet. Die USA und ihre NATONorth Atlantic Treaty Organization-Verbündeten seien sich einig, dass Russland den Vertrag verletzt habe, sagte US-Diplomatin Thompson in München.
Vize-Außenminister Ryabkow wies die Anschuldigungen zurück. Die Rakete, die in Russland den Namen 9M729 trägt, verletze die Vertragsbestimmungen nicht. Ryabkow warf den USA vor, ihrerseits den INFIntermediate Range Nuclear Forces-Vertrag zu unterlaufen. So sei zu fragen, ob die Flugkörper des amerikanischen Raketenabwehrsystems oder auch bewaffnete Drohnen nicht eigentlich Marschflugkörper seien. Russlands Präsident Wladimir Putin habe jedenfalls ein Moratorium angeordnet und die weitere Stationierung von Flugkörpern einstellen lassen, sagte Ryabkow. Allerdings haben die russischen Streitkräfte bereits drei Bataillone mit insgesamt 64 SSC-8 im Westen Russlands aufgestellt. Gleichzeitig hat Moskau das INFIntermediate Range Nuclear Forces-Abkommen seinerseits ausgesetzt.
Auf die Frage, ob die Volksrepublik China Interesse habe, dem INFIntermediate Range Nuclear Forces-Vertrag beizutreten, antwortete Professorin Yunzhu Yao, da sei sie nicht sicher: „Als bilaterales Abkommen ist der INFIntermediate Range Nuclear Forces-Vertrag tot.“ In Asien herrschten andere Voraussetzungen. China sei traditionell eine Landmacht und habe nicht so große See- oder Luftstreitkräfte wie die USA und Russland. Ein Abkommen über Mittelstreckenwaffen müsste also auch luft- oder seegestützte Systeme umfassen. „Aber das wäre zu kompliziert“, sagte Yunzhu.
Zwar nicht aufgekündigt, aber diskutiert wird das Abrüstungsabkommen New STARTStrategic Arms Reduction Treaty. Der Vertrag, den die USA und Russland am 8. April 2010 unterzeichneten und der 2021 ausläuft, sieht die Halbierung der strategischen nuklearen Trägersysteme beider Länder vor. Laut Sergej Ryabkow würde Russland den Vertrag gern um weitere fünf Jahre verlängern. Dazu müsse das Abkommen aber Probleme lösen, die mit dem Umbau von Trägersystemen durch die Vereinigten Staaten zu tun haben. Bereits zu Anfang hatte Ryabkow gesagt, dass Russland rechtlich dem Ziel eines kompletten Abbaus von Atomwaffen, „Global Zero“ genannt, verpflichtet sei. „Global Zero“ indes ist für die Volksrepublik bislang kein Thema. China sei nur eine kleine Nuklearmacht, sagte Yunzhu Yao. Zunächst müssten die Superatommächte USA und Russland abrüsten.
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