Die Arbeit am neuen Traditionserlass der Bundeswehr geht voran. Ein erster Entwurf liegt nun vor. Wie geht der Prozess weiter? Dazu äußert sich im Interview mit der Redaktion der Bundeswehr der Abteilungsleiter Führung Streitkräfte im BMVgBundesministerium der Verteidigung, Generalleutnant Klaus von Heimendahl.
Beim Entwurf des künftigen Traditionserlasses geht es weniger um eine radikale Neufassung als vielmehr um eine Weiterentwicklung des Bisherigen von 1982. Was jedoch ist aus Ihrer Sicht das Neue daran?
Bei der Überarbeitung geht es in der Tat darum, den derzeit gültigen Erlass zu aktualisieren, ihn zu modernisieren und auch zu präzisieren. Nach 35 Jahren ist das überfällig. Der Entwurf schließt vorhandene Regelungslücken und schafft damit vor allem eines: Handlungssicherheit auf allen Ebenen. Inhaltlich rückt er weit entschiedener als seine Vorgänger die bundeswehreigene Geschichte in das Zentrum unserer Tradition. Gleichzeitig nimmt er die ganze deutsche Militärgeschichte in den Blick. Das gewährt uns die Freiheit, aus allen Epochen Vorbildliches in das Traditionserbe der Bundeswehr zu übernehmen, so lange es für uns sinnstiftend ist und unseren Werten entspricht. Tradition dient ja nicht der Bewahrung der Asche, sondern der Weitergabe der Flamme.
Nachdem nun der Entwurf vorliegt – wie soll der Prozess weitergehen?
Wir haben in Vorbereitung des Entwurfs vier große Workshops durchgeführt. Ähnlich transparent und breit gehen wir nun auch die Beteiligung an. Die Organisationsbereiche, Beteiligungsgremien, Interessenverbände und nicht zuletzt auch die Politik sind aufgefordert, sich zum Entwurf zu äußern. Die Rückläufer werden wir sorgfältig auswerten und den Entwurf, wo nötig, anpassen und ergänzen. Die eigentliche Aufgabe beginnt aber erst danach, denn der neue Traditionserlass muss nach seiner Inkraftsetzung breit innerhalb und außerhalb der Bundeswehr kommuniziert werden. Ergänzende Publikationen und Handreichungen müssen ihn begleiten. Der Erlass setzt einen Rahmen, der durch uns alle gefüllt werden muss.
Welche Rolle werden die Inspekteure der Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche in diesem Prozess spielen?
Die Inspekteure waren an allen Workshops beteiligt und haben in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich eigene Prozesse initiiert. Sie müssen nun definieren, was das besondere Traditionsgut ihrer Teilstreitkraft oder ihres Organisationsbereichs ist, also beispielsweise die spezifische Tradition der Marine oder des Heeres.
Was bedeutet der neue Traditionserlass für die Dienststellenleiter und Bataillonskommandeure?
Sie bekommen mit dem neuen Erlass ein Dokument in die Hand, das viele Unklarheiten aus der Vergangenheit beseitigt und Freiräume schafft, etwa für regionale Besonderheiten oder besondere Bedürfnisse des Verbandes. Praktische Fragen, wie beispielsweise die Benennungen von Kasernen oder der Umgang mit historischen Artefakten und Exponaten werden eindeutig geregelt. Der neue Erlass macht deutlich, dass Traditionspflege eine Führungsaufgabe ist. Um diese zu erleichtern, nennt der Erlass wichtige Ansprechpartner, wie etwa das Militärhistorische Museum oder das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften.
Wenn Sie an Ihre Zeit als junger Soldat zurückdenken, wie ordnen Sie aus Ihrer langjährigen soldatischen Erfahrung heraus die Überarbeitung des Traditionserlasses ein?
Unser historisches Erbe können wir uns nicht aussuchen, wohl aber unsere Tradition als eine bewusste Auswahl aus der Geschichte. Wir sollten uns dabei immer vor Augen halten, dass die Bundeswehr in vielerlei Hinsicht auch als ein Gegenentwurf zu unseren Vorgängern aufgebaut wurde. Es ist nur folgerichtig, wenn die Bundeswehr ihre Tradition daher in erster Linie aus sich selbst heraus entwickelt, wie es der neue Traditionserlass vorsieht. Wir sind dem Erhalt von Freiheit, Demokratie und Rechtstaatlichkeit verpflichtet und wir stehen damit in keiner direkten Nachfolge anderer deutscher Streitkräfte.
Welche Effekte wird die Weiterentwicklung des Traditionserlasses haben – für die Parlamentsarmee Bundeswehr und für die Gesellschaft, in deren Mitte unsere Streitkräfte stehen?
Die Tradition der Bundeswehr ist Teil ihres Selbstverständnisses und sie wirkt auf das wechselseitige Verhältnis von Bundeswehr und Gesellschaft. Die Betonung der bundeswehreigenen Geschichte als zentralen Bezugspunkt unserer Tradition und die Wertorientierung unseres Traditionsverständnisses sind ein starkes Signal nach innen und nach außen: Die Bundeswehr ist die Armee der Demokratie. Sie verdient das Vertrauen unserer Bürgerinnen und Bürger.
Die Fragen stellte Jörg Fleischer.
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