Die Agentur für Innovation in der Cybersicherheit in Halle an der Saale hat mit Christian Hummert einen neuen Forschungsdirektor. Er erklärt im Interview mit der Redaktion der Bundeswehr, wie er Forschung und Innovation im Bereich der Cybersicherheit auch für die Bundeswehr vorantreiben will und beschreibt die Schwerpunkte seiner Agenda.
Als was versteht sich die Cyberagentur?
Die Cyberagentur ist die treibende Kraft, die innovative Forschungsprojekte im Bereich Cybersicherheitstechnologien fördert. Die Agentur versucht angesichts der Bedarfe – insbesondere der Bundeswehr und der Behörden der inneren Sicherheit – zu antizipieren, welche Forschungen für diese Ressorts notwendig sind. Diese Vorhaben finanziert dann die Cyberagentur. Sie forscht aber nicht selbst.
Die Gesellschafterin der Agentur ist die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BMVgBundesministerium der Verteidigung und das BMIBundesministerium des Innern. Worin liegen die Chancen dieser vernetzten Konstruktion?
Der Cyberraum hält sich nicht an Landesgrenzen. Die Trennung zwischen äußerer und innerer Sicherheit verschwimmt hier zunehmend. Die Herausforderungen, die auf jene zukommen, die innere und äußere Sicherheit schützen und verteidigen, sind sehr ähnlich beziehungsweise teilweise gleich. Deshalb müssen dabei häufig ähnliche oder gleiche Technologien angewandt werden. Es ist daher eine große Chance, mit dem Bundesverteidigungsministerium und dem Bundesministerium des Inneren zusammenzuarbeiten, da die Cyberagentur aus beiden Ministerien Input bekommt. Daher können Lösungen, die für das eine Ressort wirken, auch für das andere gut sein. Natürlich ist diese vernetzte Konstruktion eine Herausforderung, weil mit beiden Ressorts Abstimmungsbedarf besteht. Das finde ich gut, denn Abstimmung bedeutet letztlich, dass wir auch das machen, was am Ende beide Ressorts gebrauchen können.
Die Agentur soll als Innovationstreiber im Bereich der Schlüsseltechnologien für Cybersicherheit dienen. Wie gehen Sie an diese Aufgabe heran?
Die Cyberagentur ist offen für die Anforderungen, welche die Bundeswehr an sie stellt. Die Agentur engagiert sich dafür, für diese Anforderungen Lösungen zu präsentieren. Wir verfügen beispielsweise über eine Abteilung Trend- und Szenario-Analyse. Sie identifiziert auf Grundlage der Entwicklungen einer hoch dynamischen Forschungs- und Technologielandschaft, welche Herausforderungen künftig auf die Bundeswehr zukommen könnten. Für mich ist in diesem Kontext der Dialog sehr wichtig. Ich persönlich war nie bei der Bundeswehr. Ich bin zwar in der Lage, mir vorzustellen, vor welchen Herausforderungen die Bundeswehr im ein oder anderen Fall stehen könnte. Aber letztlich muss ich gespiegelt bekommen, ob das, was die Cyberagentur macht, für die Bundeswehr sinnvoll ist. Die Cyberagentur ist im Wesentlichen nachfragegetrieben. Deswegen sind wir vor allem mit dem Kommando Cyber- und Informationsraum (CIRCyber- und Informationsraum) im engen Austausch.
Können Sie konkrete Themen nennen?
Wir haben bisher drei Forschungsausschreibungen veröffentlicht. Dabei geht es erstens um den Schutz kritischer Infrastrukturen. Ein Thema, das auch für die Bundeswehr wichtig ist. Ein weiteres Projekt dreht sich um Verschlüsselung Computing/sichere Kommunikation – ebenfalls sehr bedeutsam für die Streitkräfte. Und in einem dritten Projekt geht es um die wichtige Frage, wie Menschen in Zukunft Computer oder autonome Systeme steuern können.
Wie halten Sie auf dem komplexen Feld der Cybersicherheit, an das die Bundeswehr ganz spezielle Anforderungen stellt, mit den schnellen technologischen Entwicklungen Stand?
Wir müssen weit in die Zukunft blicken. Bei dieser Vorausschau gehen wir nicht zufallsbasiert vor, sondern sehr strukturiert und methodisch. Wir haben einen Zeithorizont, der sich zwischen zehn und fünfzehn Jahren bewegt. Wir schauen uns technologische Trends genau an. Wir beobachten, was in der deutschen und europäischen Forschungslandschaft passiert. Und daraus antizipieren wir, was wir aus diesen Entwicklungen für die Cybersicherheit für Schlüsse ziehen können.
Die Cyberagentur ist offen für die Anforderungen, welche die Bundeswehr an sie stellt. Die Agentur engagiert sich dafür, für diese Anforderungen Lösungen zu präsentieren.Christian Hummert
Bei der Cybersicherheit ist für die Bundeswehr die Kooperation mit ihren europäischen Partnern sehr wichtig. Welchen Part hat in diesem Kontext die Cyberagentur?
Digitale Souveränität ist für die Cyberagentur ein großes Thema. Ich sage dies angesichts der Tatsache, dass bestimmte Technologien derzeit nur in den USA oder in China anzutreffen sind. Das gefällt mir gar nicht, deshalb müssen wir handeln. Das heißt, wir müssen die wichtigen Technologien auf diesem Feld, die noch in Deutschland sind, dort halten. Wir müssen alles daransetzen, weitere Cyber-Technologien wieder zurück nach Deutschland und nach Europa zu holen. Wir denken in diesem Kontext deutsch und europäisch zugleich. Wir schauen über Staatsgrenzen und über Fachbereiche hinaus. Wir brauchen ein „Ökosystem“ aus verschiedenen Partnern, an Universitäten, Forschungseinrichtungen, aber auch kleinen Start-ups und Unternehmen in Deutschland sowie in Europa. Nur durch diese Diversität kommen wir zu Lösungen, die auch der Bundeswehr nützen. Dafür steht die Cyberagentur.
Welchen Beitrag leistet die Agentur, damit Forschung und Innovation wirklich bedarfsgerecht und anwendungsbezogen für die Bundeswehr sind?
Passgenaue Lösungen sind unser Auftrag. Damit das gelingt, ist mir wichtig, die Anwender bei unserer Arbeit mitzunehmen. Sie sollen das, woran wir arbeiten, am Ende auch in der Praxis nutzen können. Allerdings sage ich auch, Hochrisikoforschung ist ergebnisoffen. Dabei stoßen wir, wenn ich Ihnen aus der Praxis berichten darf, durchaus auch mal auf Skepsis. Aber gerade das ist nicht selten ein Hinweis darauf, dass wir angesichts eines sehr weiten Forschungshorizontes von zehn bis fünfzehn Jahren richtigliegen. Ein Beispiel: Im Jahre 1980 hätte es wahrscheinlich jeder für abwegig gehalten, einen Computer in die Hosentasche stecken zu können – heute aber hat jeder ein Handy. So ähnlich ist es auch bei unserer Arbeit.
Ist die Agentur auf dem Feld der Künstlichen Intelligenz tätig?
In Deutschland und Europa gibt es gegenwärtig sehr viel Forschung zu Künstlicher Intelligenz (KIKünstliche Intelligenz). Sie ist sehr gut finanziert. Insofern sehe ich die Cyberagentur hier nicht vorrangig als Geldgeber gefordert. Forschung wird nicht unbedingt besser, wenn wir auf einen großen Haufen Geld noch mehr Geld schmeißen. Die Cyberagentur ist aber auf dem Feld KIKünstliche Intelligenz in sehr speziellen Nischenprojekten tätig, die auch für die Bundeswehr wichtig sind. Insbesondere fokussieren wir uns auf die Sicherheit von KIKünstliche Intelligenz-Anwendungen. Die Absicherung von KIKünstliche Intelligenz wird eines unserer nächsten Vorhaben sein. Es steht schon in den Startlöchern.
Welche Vorteile bietet die Region, in der die Cyberagentur beheimatet ist, Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?
Derzeit sind wir in Halle an der Saale zu Hause. Hier sind wir sehr gut aufgenommen worden und angekommen. Wir fühlen uns als junge Agentur wohl, die noch wachsen will. Die Region Mitteldeutschland ist sehr dynamisch. Es gibt viele kreative junge Leute hier. Es ist sehr vorteilhaft für die Cyberagentur, dass sie gerade in diesem Umfeld angesiedelt ist.
Nun zu Ihnen persönlich: Was für Impulse wollen Sie auf Ihr Arbeitsumfeld geben?
Mein Ziel ist es, unsere Arbeit vor allem offen zu gestalten. Waren wir bislang eher auf Exzellenzforschung fokussiert, so möchte ich nun die Arbeitsweise der Cyberagentur etwas weiter öffnen. Ich will alle relevanten Partner zusammenbringen, insbesondere die Ressorts der inneren und äußeren Sicherheit, also die Bundeswehr und die Behörden der inneren Sicherheit. Darüber hinaus auch Forschungsinstitute, Start-ups, Verbände, Stiftungen und Universitäten. Es wird zu wenig über Cybersicherheit und -technologien geredet. Es findet bislang zu wenig Austausch statt. Das möchte ich ändern.
Was empfinden Sie an Ihrer neuen Aufgabe als besonders reizvoll?
Als ehemaliger Professor, der in der Forschung tätig war, ist meine neue Position als Forschungsdirektor der Cyberagentur natürlich eine sehr spannende Aufgabe. Ich war bereits auf dem Feld der inneren Sicherheit tätig, so etwa bei ZITiS (Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich). Nun eine Aufgabe mit einem erweiterten Fokus zu bekommen, der die äußere Sicherheit mit einbezieht, empfinde ich als besonders reizvoll.
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