In der Vergangenheit wurden Rüstungsprojekte häufig teurer und dauerten länger als ursprünglich geplant. Nicht selten erfüllten sie auch nicht alle militärischen Anforderungen. Mit der „Agenda Rüstung“ und den Trendwenden beim Material und den Finanzen hat das BMVgBundesministerium der Verteidigung weitreichende Veränderungen angestoßen, um das Rüstungswesen zu modernisieren.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat im Sommer 2014 eine externe Bestandsaufnahme der wesentlichen Projekte, Strukturen und Prozesse im Rüstungswesen in Auftrag gegeben. Das Expertengutachten der Unternehmensberatung KPMGDas Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG, der Ingenieurgesellschaft P3 und der Kanzlei Taylor Wessing zeigte aus Sicht der Ministerin „Schwachstellen und Handlungsbedarf“ auf. Mit der „Agenda Rüstung“ zog sie weitreichende Konsequenzen aus dem Gutachten.
Die Agenda Rüstung ist eine Art „Fahrplan“ auf dem Weg zu einem effektiveren Beschaffungswesen. Neben den Handlungsempfehlungen der externen Berater nimmt sie auch interne Bewertungen und Erkenntnisse mit auf. Sie umfasst sechs Grundsätze, um das Rüstungswesen zu professionalisieren:
Seit August 2014 verantwortet die frühere Unternehmensberaterin Katrin Suder den Rüstungsbereich im BMVgBundesministerium der Verteidigung. Der Staatssekretärin unterstellt wurden der „Beauftragte Strategische Steuerung Rüstung“ und eine Projektorganisation, um Ziele wie ein neues Rüstungsmanagement zu erreichen. Seit der „Kickoff“-Veranstaltung im November 2014 ist viel geschehen. Schrittweise wurden zu den großen Rüstungsprojekten der Bundeswehr Statusberichte erstellt, in denen Risiken, Problemfelder und Prognosen dokumentiert werden. Die Projektbeauftragten berichten mittlerweile direkt an die Leitung des Ministeriums. Nur so könnten Probleme frühzeitig erkannt werden. „Das spart Zeit und Geld“, sagte von der Leyen, die sich auch für eine offene und ehrliche Fehlerkultur ausspricht.
Die Leitungsebene des BMVgBundesministerium der Verteidigung trifft sich im halbjährlichen Abstand, um die Statusberichte zu diskutieren. Dem „Rüstungsboard“ unter Vorsitz der Ministerin gehören die Staatssekretäre und der Generalinspekteur der Bundeswehr sowie die fachlich zuständigen Abteilungsleiter und die Leitung des BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr an. Die Ergebnisse des Treffens gehen in den neu geschaffenen „Bericht des Bundesministeriums der Verteidigung zu Rüstungsangelegenheiten“ ein. Der Bericht dokumentiert neben den Statusberichten auch die im Rüstungsboard getroffenen Maßnahmen. Seit März 2015 sind fünf Berichte erschienen, die sich in einen offenen und einen eingestuften Teil gliedern. Sie schaffen eine neue Form der Information und Transparenz gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit.
Die Rüstungsbeschaffung ist grundlegend verändert worden. Die neue Risikoanalyse, ein besseres Berichtswesen und die klareren Verantwortungsstrukturen und Meldewege zeigen Wirkung. Im Bericht vom April 2017 heißt es: „Wesentliche Ziele der Agenda Rüstung sind erreicht worden“. Insgesamt 66 Projekte sind mittlerweile in ein modernes Risikomanagement überführt und in eine Vielzahl von Einzelrisiken eingeteilt worden, um bei Problemen schnell reagieren zu können. Auch mit der Industrie befindet man sich heute in einem strategischen Dialog, um den Streitkräften das benötigte Gerät im bestmöglichen Zeit-, Leistungs- und Kostenrahmen zur Verfügung zu stellen. Das BMVgBundesministerium der Verteidigung spricht im Bericht mit Blick auf die Agenda Rüstung von einem „kontinuierlichen Veränderungsprozess“, der stetig fortgesetzt werden müsse.
Neben der Agenda Rüstung sind auch bei der materiellen Einsatzbereitschaft große Fortschritte erzielt worden. Im Januar 2016 erklärte die Ministerin, dass die Streitkräfte in den kommenden 15 Jahren einen Investitionsbedarf von rund 130 Milliarden Euro haben. Die Materialbeschaffung müsse flexibler und an die Lage und Aufgaben der Bundeswehr angepasst werden. „Wir brauchen eine langfristige und verlässliche Finanzierung der Bundeswehr“, so von der Leyen. Die „Verwaltung des Mangels“ solle ein Ende haben, um insbesondere in den Einsätzen bestmöglich ausgestattet zu sein. Dank zusätzlicher finanzieller Ressourcen, einem einheitlichen Lagebild und vieler weiterer Maßnahmen konnte eine Trendwende bei der materiellen Einsatzbereitschaft eingeleitet werden. Nach einem Bericht des BMVgBundesministerium der Verteidigung im November 2016 hat sich der „Verfügungsbestand“ der 54 Hauptwaffensysteme verbessert. Insbesondere bei der Beschaffung von Ersatzteilen und der Instandhaltung gebe es aber noch Handlungsbedarf.
Die materielle Einsatzbereitschaft stützt sich auf eine verbesserte finanzielle Ausstattung der Truppe. Der Trend sinkender Verteidigungsausgaben wurde umgekehrt. Dank des neuen Rüstungsmanagements können die bewilligten Mittel zudem effektiver ausgeschöpft werden. Zwischen 2013 und 2017 ist der Verteidigungshaushalt um rund vier Milliarden Euro auf 37 Milliarden Euro gestiegen. Nach der Finanzplanung der Bundesregierung soll der Verteidigungshaushalt bis 2021 auf rund 42,4 Milliarden Euro erhöht werden. Die Bundeswehr schiebe einen „gewaltigen Modernisierungsstau“ vor sich her, erklärte die Ministerin. Es gehe darum, hohle Strukturen aufzufüllen, altes Material zu ersetzen und neue Fähigkeiten aufzubauen. Entsprechend wichtig sei deshalb auch die Trendwende bei den Finanzen.
Viele Rüstungsprojekte lassen sich national kaum noch stemmen. Deshalb setzt sich das BMVgBundesministerium der Verteidigung dafür ein, Forschungs- und Entwicklungsvorhaben bilateral oder im europäischen Verbund zu verwirklichen. Mit Frankreich, den Niederlanden oder Norwegen gibt es Kooperationen beim taktischen Lufttransport, der Weiterentwicklung des Kampfhubschraubers Tiger und der U-Boot-Klasse 212. Viel verspricht man sich von der EUEuropäische Union-Initiative „PESCOPermanent Structured Cooperation“ („Permanent Structured Cooperation“), in deren Rahmen interessierte Mitgliedstaaten enger kooperieren und Rüstungsprojekte gemeinsam umsetzen können. Ziel ist es, das militärische Gerät der Staaten zu harmonisieren und die vorhandenen Ressourcen effektiver zu nutzen. PESCOPermanent Structured Cooperation und der Vorschlag eines Europäischen Verteidigungsfonds sind für Ursula von der Leyen wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion.
In der vergangenen Woche hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages Rüstungsprojekte mit einem Finanzvolumen von rund 10 Milliarden Euro genehmigt. Darunter Korvetten, Tank- und Transportflugzeuge sowie die Ausstattung für die Kampftruppe und die Rad- und Schützenpanzer Boxer und Puma. Auf der Tagesordnung stand eine Liste mit 25 Millionen-Euro-Vorlagen. |
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