Der Klimawandel und seine Folgen stellen die Allianz vor große geostrategische Herausforderungen. Auch infrastrukturelle Konzepte müssen von den NATONorth Atlantic Treaty Organization-Staaten überdacht werden, damit ihr Verteidigungsauftrag auch künftig erfüllt werden kann. Auf dem NATONorth Atlantic Treaty Organization-Gipfel ist nun erstmals ein Aktionsplan zum Klimawandel verabschiedet worden.
Steigende Meeresspiegel und verheerende Dürren – weltweit häufen sich seit Jahren extreme Wetterereignisse. Im Global Risk Report 2021 rangieren der Klimawandel und seine Folgen inzwischen auf den vordersten Plätzen der aktuellen Risikolisten. Wenn aber die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen zerstört werden, können soziale Konflikte und Migrationsströme die Folge sein. Das stellt die NATONorth Atlantic Treaty Organization zukünftig vor gewaltige Herausforderungen.
Erstmals wurden Klimaprobleme im Schlusspapier des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Gipfels von Lissabon 2010 benannt. Unter anderem hieß es damals, dass der Klimawandel mit seinen Folgeerscheinungen das Potenzial habe, Planungen und Operationen der NATONorth Atlantic Treaty Organization erheblich zu beeinflussen. „Und die Situation hat sich seither deutlich zugespitzt“, sagt Oberstleutnant René Heise. Er ist Mitglied im Global Military Advisory Council for Climate Change und setzt sich im internationalen Stab des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Hauptquartiers in Brüssel täglich mit Klimaeffekten in Bezug auf militärisch-strategische Planungen und Konzepte auseinander. „Seit Sommer 2020 haben die Mitarbeitenden unseres Stabes eine Agenda zum Klimawandel erstellt. Im März 2021 wurde das Papier vom Politischen Ausschuss gebilligt.“
„Mit der Agenda haben die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Staaten Konsens darüber hergestellt, dass die Klimaveränderungen neben wirtschaftlichen auch sicherheitspolitische Probleme mit sich bringen“, erklärt Heise. Angesichts der divergierenden nationalen Herangehensweisen in Umweltfragen sei das bei 30 Mitgliedstaaten schon ein Erfolg. Der wichtigste Schritt ist jedoch die Verabschiedung eines gemeinsamen Aktionsplans auf dem NATONorth Atlantic Treaty Organization-Gipfel 2021.
Die Zielsetzung des Pariser Abkommens, die weltweite Erwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius, besser unter 1,5 Grad zu halten, scheint kaum mehr erreichbar. Klimaforscher halten heute langfristig eine globale Erwärmung von etwa drei Grad für realistischer. Zusätzliche Risiken wie mögliche Kipppunkte, die ganze Ökosysteme kollabieren lassen könnten, sind bei den Bewertungen noch gar nicht berücksichtigt. „Mit diesen Szenarien müssen wir uns künftig auf verschiedenen Ebenen auseinandersetzen“, so Heise.
So schaffe etwa das schmelzende Arktiseis neue geostrategische Prämissen auf der Nordhalbkugel: neue Seewege, leichter zugängliche Ressourcen und damit potenziell Konfliktpunkte unter den Anrainern. Hinzu kommen Infrastrukturprobleme in allen Klimazonen: „Wenn sich zum Beispiel Hauptwindrichtungen ändern, muss die Ausrichtung und Länge von Landebahnen auf Flugplätzen in bestimmten Regionen neu geprüft werden“, erklärt Heise. „Luftfahrzeuge verfügen bei großer Hitze nicht über die gewohnten Leistungsparameter.“ Staub und Hitze schaden empfindlicher Elektronik und verursachen zusätzlichen Stress beim Menschen.
Bei der Projektierung neuer Waffensysteme müssen all diese Faktoren bedacht werden. Standortentscheidungen werden künftig auch davon abhängen, ob vor Ort die Versorgung mit Wasser, Lebensmitteln und Energie nachhaltig gewährleistet werden kann. Bei ihren oft auf Jahre angelegten Einsätzen müssen sich die Mitgliedstaaten an realistischen Szenarien zur Erderwärmung orientieren und diese untereinander abstimmen. „Das Bündnis wird sich den veränderten Umweltbedingungen anpassen müssen“, sagt Heise. Nur mit dem erforderlichen Maß an Adaption könne die Allianz künftig ihren Verteidigungsauftrag erfüllen.
Mit dem verabschiedeten Aktionsplan stimmt die NATONorth Atlantic Treaty Organization gemeinsame Antworten auf die sicherheitspolitischen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel ab. Künftig werde auch daran zu arbeiten sein, den ökologischen Fußabdruck zu minimieren und neue Standards für die Erfassung von Treibhausgasen zu setzen. „Das ist grundsätzlich Aufgabe der Mitgliedstaaten“, sagt Heise. Aber die großen Herausforderungen, die mit dem Klimawandel einhergehen, werden nur gemeinsam zu meistern sein.
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