Bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSCMunich Security Conference) im Hotel Bayerischer Hof spielt sich vieles hinter den Kulissen ab. Die Staats- und Regierungschefs treffen sich am Rande der offiziellen Konferenzen in vertraulichen Runden.
Im Atrium des Bayerischen Hofs wird es hektisch. In zwei Stunden beginnt die Münchner Sicherheitskonferenz (MSCMunich Security Conference) – die wichtigste informelle Tagung für Sicherheitspolitiker aus aller Welt. Erwartet werden mehr als 500 Teilnehmer, darunter 30 Staats- und Regierungschefs und über 100 Minister. Das Atrium ist der letzte Bereich, der für alle Pressevertreter zugänglich ist. Sie alle haben Ausweise – gelb ist die niedrigste Stufe. Journalisten nutzen das Atrium gern für Interviews mit der Politik-Prominenz, die hier auf dem Weg zu den offiziellen Konferenzen durchgeht.
Die erste positive Nachricht erreicht die Teilnehmer noch vor Beginn der Konferenz. „Die Welt“ gibt bekannt, dass ihr Korrespondent Deniz Yücel frei kommt. Außenminister Sigmar Gabriel bestätigt die Nachricht beim Eintreffen im Bayerischen Hof, dicht umringt von Journalisten: „Das ist ein guter Tag.“ In den letzten Wochen habe er „viele Gespräche mit der türkischen Regierung geführt, um das Verfahren zu beschleunigen“. Gabriel hoffe, dass Yücel nun bald nach Deutschland ausreisen könne. Im Konferenzverlauf wird sich Lage weiter verbessern: Yücel wird noch am gleichen Abend in Berlin landen.
Gleich neben dem Atrium ist der Konferenzsaal – zugelassen sind nur die Teilnehmer und ausgewählte Journalisten – mit einem blauen Ausweis. Kurz vor 14 Uhr füllt sich der Saal schlagartig. Spitzenpolitiker wie UNUnited Nations-Generalsekretär António Guterres, Österreichs neuer Bundeskanzler Sebastian Kurz und Kanadas Verteidigungsminister Harjit Sajjan treten ein. Es folgen Handschläge und Begrüßungen, ehe der Vorsitzende der MSCMunich Security Conference, Wolfgang Ischinger, das Wort ergreift und eine breite Agenda ankündigt.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihre französische Amtskollegin Florence Parly eröffnen die Konferenz. Ein Signal für mehr Europa und den Versuch beider Länder, die europäische Sicherheitspolitik zu stärken. Mit der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCOPermanent Structured Cooperation, Permanent Structured Cooperation) sei, so von der Leyen, ein wichtiger Schritt zu einer „Verteidigungsunion“ erfolgt. Parly ergänzt: Von PESCOPermanent Structured Cooperation soll eine „Kulturrevolution“ ausgehen, weitere Projekte folgen. NATONorth Atlantic Treaty Organization-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagt im Anschluss, dass er PESCOPermanent Structured Cooperation und einen starken europäischen Pfeiler in der Allianz ausdrücklich unterstützt.
Der Konferenzsaal platzt aus allen Nähten. Am Eingang warten Teilnehmer, neue Redner treffen ein, andere verlassen den Saal für Gespräche. Viele Teilnehmer müssen auf die Empore ausweichen, das Plenum bietet nur Platz für 280 Personen. Die Sitzordnung wird vor jedem Programmpunkt verändert – vor allem in den ersten Reihen, in denen die Redner und Ehrengäste sitzen. Ein Platzanweiser geleitet sie zu ihren Stühlen. Links vom Podium sitzen Verteidigungsminister, Generale, Sicherheitsberater und Wirtschaftsvertreter. Rechts sind die Außenminister, Staatssekretäre und Abgeordneten platziert. Das Organisationsteam im Saal löst die komplizierte Sitzvergabe geräuschlos.
Ischinger bezeichnet den öffentlichen Teil als „Spitze des Eisbergs“. Die Hauptarbeit – Gespräche, Treffen und Verhandlungen – geschehe hinter den Kulissen. Ungezwungen und ohne Kameras; in der Lobby, an der Bar oder einer der vielen Sitzgruppen. Für Delegationsgespräche gibt auch geschützte „bilaterale Bereiche“. Das ganze Hotel ist für die Konferenz ausgebucht, vom Konferenzsaal bis zum Hinterzimmer. 900 Hotelmitarbeiter kümmern sich um die Gäste. Dazu kommen 400 MSCMunich Security Conference-Mitarbeiter. Der „Staff“ ist überall, gibt Auskunft und kontrolliert die Zugangsregeln. Für die Pressevertreter heißt es an einigen Stellen stopp, damit die MSCMunich Security Conference das bleibt, was sie ausmacht: ein Ort des informellen Dialogs.
Die Teilnahme von Außenminister Gabriel war im Vorfeld lange unklar. Gemeinsam mit der britischen Premierministerin Theresa May eröffnet er den zweiten Konferenztag. Gabriel thematisiert Konflikte und die nuklearen Aufrüstung – die beherrschenden Themen auch auf den Fluren. „Berechenbarkeit und Verlässlichkeit sind derzeit anscheinend die knappsten Güter in der internationalen Politik“, sagt er. Theresa May erklärt, dass Wohlstand und Sicherheit nur durch eine enge Zusammenarbeit der Staaten zu gewährleisten sind. Großbritanniens Platz sei in Europa, ihr Land werde – trotz Brexit – „vorbehaltlos der gemeinsamen Sicherheit in Europa verpflichtet bleiben“.
Die Konferenzleitung sorgt für eine besondere Dramaturgie am zweiten Tag. In kurzer Abfolge sprechen die Premierminister von Polen, Frankreich und der Türkei. Dann tritt Sergej Lawrow auf die Bühne. Russlands Außenminister nimmt seit Jahren an der MSCMunich Security Conference teil. Seine Rede bleibt allgemein, kritische Nachfragen pariert er unbeeindruckt. Eine Person hört Lawrow aufmerksam zu: Herbert R. McMaster, der sicherheitspolitische Berater von US-Präsident Donald Trump. McMaster wird im Anschluss ein düsteres Bild von der Welt zeichnen und ruft zu mehr Kooperation auf – auch an die Adresse Russlands gerichtet.
Der dritte Tag wird ein besonderes Highlight bieten: den Auftritt von Benjamin Netanjahu. Israels Premierminister ist angereist – erstmals. Dem Plenum zeigt er sich erst am letzten Tag, dennoch kursiert sein Name über die Flure. Netanjahu führt viele Gespräche im Hintergrund. Unter anderem mit Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, dessen Regierungspartner von Israel boykottiert wird. Kurz sagt im Anschluss, dass das Treffen hoffentlich dazu beitrage, die Beziehungen der Länder zu normalisieren. Die MSCMunich Security Conference beweist einmal mehr ihren Wert, als Austauschort der Mächtigen – vor und hinter den Kulissen.
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