Der Journalist Deniz Yücel ist frei. Kurz vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz sorgte diese Nachricht für Aufsehen. Außenminister Sigmar Gabriel zeigte sich erleichtert. Bei seiner Ankunft am Tagungsort im Bayerischen Hof sagte er, man habe in den letzten Wochen und Monaten sehr viele Gespräche mit der türkischen Regierung geführt mit dem Ziel, das Gerichtsverfahren gegen den Korrespondenten der Tageszeitung „Die Welt“ zu beschleunigen. Er gehe davon aus, dass Yücel die Türkei nun auch verlassen dürfe. Der Journalist hatte ein Jahr in türkischer Haft verbracht. Ausdrücklich bedankte sich Gabriel bei seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu und bei Bundeskanzlerin Angela Merkel. Gegenleistungen für die Freilassung Yücels habe es nicht gegeben.
Eröffnet wurde die Konferenz in der bayerischen Landeshauptstadt von der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihrer französischen Amtskollegin Florence Parly. In ihrem Grußwort wies von der Leyen unter anderem auf die deutschen Beiträge zur militärischen Verstärkung der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke, zur Ausbildungsmission Resolute Support in Afghanistan, bei der Bekämpfung der Terrororganisation „Islamischer Staat“ und im Rahmen der Mission MINUSMAMission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali in Mali hin. „Wir handeln gemeinsam mit unseren transatlantischen und europäischen Partnern“, betonte die deutsche Verteidigungsministerin. Deutschland wolle transatlantisch bleiben und gleichzeitig europäischer werden.
Der Anfang sei gemacht, die Europäische Verteidigungsunion aus der Taufe gehoben, sagte sie mit Blick auf die Ständige Strukturierte Politische Zusammenarbeit (PESCOPermanent Structured Cooperation) in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Deutschland und Frankreich seien bereit, dass europäische Projekt weiter voranzutreiben. „Eigentlich“, so von der Leyen, „brauchen wir so etwas wie eine PESCOPermanent Structured Cooperation in der Außenpolitik“.
Die deutsche Verteidigungsministerin forderte einen Pakt für vernetzte und umfassende Sicherheit. Das Militärische leiste zwar einen wesentlichen Beitrag zur Beilegung von Krisen und Konflikten, „aber es gibt keine rein militärische Abkürzung zu einer stabilen und langfristigen Friedensordnung“. Dieser Logik folgt auch der Koalitionsvertrag in Deutschland. Darin sei festgelegt, dass zusätzliche Haushaltsmittel prioritär und im Verhältnis eins zu eins gleichberechtigt in den Verteidigungsbereich und in die Entwicklungspolitik fließen. Deutschland stehe zu seinen Zusagen in den Vereinten Nationen und seinen Vereinbarungen in der NATONorth Atlantic Treaty Organization. Es gebe Sicherheit nicht ohne Entwicklung.
Deutschland wolle die Vereinten Nationen stärken, so von der Leyen weiter. Es sei bereit einen „noch größeren Beitrag zur Lösung der vielen Aufgaben zu leisten, vor die sich die Vereinten Nationen gestellt sehen“. Dabei dürfe es keine Arbeitsteilung geben nach dem Motto, „die Einen sind für das scharfe Ende zuständig – die Anderen kümmern sich um die humanitären Folgefragen und den Wiederaufbau.“ Alle seien für beide Seiten der Medaille verantwortlich. Die Europäer müssten sich gewaltig anstrengen, um diesem Anspruch gerecht zu werden. „Aber auch unsere amerikanischen Freunde haben eine kostbare Verpflichtung jenseits des Militärischen.“
Die französische Verteidigungsministerin Florence Parly betonte die enge deutsch-französische Zusammenarbeit. Zugleich wies sie auf die größer gewordenen Bedrohungen hin. Zwar sei das Bündnis mit den USA unverzichtbar, aber Europa sei eine Notwendigkeit. „Jetzt ist die Stunde des Erwachens.“ Robuste europäische Verteidigung beginne in den Mitgliedsländern. So wolle Frankreich bis 2025 bei den Verteidigungsausgaben einen Anteil von zwei Prozent am Bruttoinlandsprodukt erreichen, bis 2025 seien 300 Milliarden Euro eingeplant. Dabei betonte auch Parly die Fortschritte in der europäischen Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigungspolitik, forderte aber weitere Schritte, etwa im Bereich der europäischen Verteidigungsindustrie.
Weiterhin wies die französische Verteidigungsministerin auf den Vorschlag des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron für eine europäische Interventionsinitiative hin. In einer Grundsatzrede an der Pariser Universität Sorbonne hatte Macron erstmals eine europäische Einrichtung vorgeschlagen, die innerhalb eines Jahrzehnts eine gemeinsame strategische Kultur, gemeinsame Einsatzgrundsätze und gemeinsame Finanzierungsinstrumente für europäische Militäreinsätze schaffen soll. Diese Initiative sei mit PESCOPermanent Structured Cooperation, aber auch mit der NATONorth Atlantic Treaty Organization vereinbar, so Parly. Europa brauche strategische Autonomie für Bedrohungen in seiner Nachbarschaft. Grundsätzlich werde „Frankreich zur Stelle sein, um sich gemeinsam mit Deutschland den Herausforderungen der Zukunft zu stellen“.
Zuvor hatte der Vorsitzende der Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, bei seiner Begrüßung an die Vielzahl der aktuellen Krisen und Konflikte erinnert. Vor diesem Hintergrund rief er die über 500 Teilnehmer, darunter zahlreiche Staats- und Regierungschefs, Außen- und Verteidigungsminister, Abgeordneten und hochrangige Militärs und Diplomaten, zum Dialog auf. Auf der einen Seite gebe es zwar große Fortschritte, auf der anderen Seite sei die internationale Ordnung aber in großer Gefahr: „Die Warnsignale leuchten grell rot.“
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