Es ist ein historischer Tag: Für die Bundeswehr, aber auch für die jüdische Gemeinde in Deutschland. Ab nächstem Jahr bekommt die Truppe Militärrabbinerinnen und Militärrabbiner. Jüdische Seelsorger werden nach rund hundert Jahren wieder in einer deutschen Armee wirken.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer unterzeichnete am Freitag einen Vertrag über die Einrichtung einer jüdischen Militärseelsorge in der Bundeswehr. Für den Zentralrat der Juden in Deutschland unterschrieb Präsident Josef Schuster. Der Bundestag muss dem Vertrag noch per Gesetz zustimmen. Es wäre die erste Erweiterung der Militärseelsorge seit dem Abschluss des Staatsvertrags mit der evangelischen Kirche 1957.
Als Kulisse hatten die Verantwortlichen den Gemeindetag des Zentralrats der Juden in Berlin gewählt. „Wer sich als Teil einer demokratischen Gesellschaft versteht, möchte und sollte auch Verantwortung übernehmen“, sagte Zentralratspräsident Schuster zur Eröffnung. Man wolle für jüdische Soldatinnen und Soldaten da sein, positiv in die Bundeswehr hineinwirken. „Brücken zwischen den Religionen zu bauen – das ist der Weg, den wir mit der jüdischen Militärseelsorge beschreiten wollen.“
Die Unterzeichnung des Staatsvertrages sei ein starkes Zeichen für eine offene und vielfältige Bundeswehr, ergänzte Kramp-Karrenbauer. Die Truppe sei stolz auf ihre jüdischen Kameradinnen und Kameraden. „Es erfüllt mich mit Dankbarkeit und Freude, dass jüdische Soldatinnen und Soldaten freiwillig ihren Dienst in der Bundeswehr leisten“, sagte die Ministerin. „Für Freiheit und Recht, für unser gemeinsames Vaterland.“
Ein halbes Jahr hatten Ministerium und Zentralrat an dem Vertrag gearbeitet, nachdem die Pläne im April bekannt wurden. Der Vertrag für die jüdische Militärseelsorge orientiert sich an den Staatsverträgen mit der evangelischen und der katholischen Kirche. Analog zu den christlichen Militärbischofsämtern wird ein Militärrabbinat in Berlin geschaffen. Die spirituelle Leitung übernimmt ein Militärbundesrabbiner. In Hamburg und München, später auch in Frankfurt und Leipzig sollen Außenstellen entstehen.
Bis zu zehn Militärrabbinerinnen oder Militärrabbiner werden unter dem Militärbundesrabbiner arbeiten. „Bei der Größenbemessung der jüdischen Militärseelsorge stand die Gewährleistung einer funktionalen Grundbefähigung im Vordergrund, die eine bedarfsgerechte Seelsorge im In- und Ausland sowie eine temporäre Begleitung in den Auslandseinsätzen ermöglicht“, hieß es aus dem Ministerium.
Die Geistlichen sollen ab 2020 nach und nach eingestellt werden. Sie sollen die verschiedenen jüdischen Glaubensrichtungen repräsentieren und sowohl jüdischen als auch nicht-jüdischen Uniformierten in ethischen Fragen zur Seite stehen. Wie andere Militärseelsorgerinnen und Militärseelsorger werden sie Lebenskundlichen Unterricht erteilen und mit in die Einsätze gehen. Die Geistlichen werden für sechs Jahre als Beamte auf Zeit berufen. Das Arbeitsverhältnis kann einmalig um sechs Jahre verlängert werden; auch eine Verbeamtung auf Lebenszeit ist möglich.
Die Militärseelsorge werde das jüdische Leben als selbstverständlichen Teil Deutschlands und der Bundeswehr widerspiegeln, hieß es aus dem Ministerium. „Ob als Tourist oder Nachbar, ob für eine Weile oder für immer: Jüdinnen und Juden sind in Deutschland zu Hause“, sagte Kramp-Karrenbauer zum Abschluss ihrer Rede auf dem Gemeindetag. „Das Judentum ist ein unverrückbarer, ja unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft.“ Und künftig auch der Bundeswehr.
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