Wenn Bundeswehrsoldaten in bewaffnete Auslandseinsätze geschickt werden, bedarf dies in Deutschland der Zustimmung des Parlaments. Doch bis es dazu kommt sind komplexe Verhandlungen auf politischer und ministerieller Ebene nötig. Alltag für Ministerialrat Stefan Sohm, Referatsleiter in der Rechtsabteilung des Verteidigungsministeriums.
Auslandseinsätze Arbeitsalltag. Wenn die Bundesregierung prüft, deutsche Truppen ins Ausland zu entsenden, gibt der erfahrene Ministerialrat rechtlichen Rat. Und das sowohl auf der Ebene des Völker- als auch des Verfassungsrechtes.
„Angesichts des völkerrechtlichen Gewaltverbotes bedarf jeder militärische Einsatz einer besonderen Legitimation“, erklärt Sohm. Zu den wenigen Ausnahmen, nach denen Armeen ohne Einladung einer fremden Regierung auf deren Staatsterritorium intervenieren dürfen, gehören eine Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen oder das Recht auf Selbstverteidigung nach Artikel 51 der VNVereinte Nationen-Charta.
Sohm klärt also mit seinen Mitarbeitern zunächst, ob ein Bundeswehreinsatz völkerrechtlich legitimiert ist. Außerdem prüft er, ob der Einsatz mit der deutschen Verfassung im Einklang steht und ob er einer parlamentarischen Zustimmung bedarf. Denn in seinem Grundsatzurteil von 1994 legte das Bundesverfassungsgericht fest, dass bewaffnete Auslandseinsätze vom Parlament beschlossen werden müssen.
2005 folgte der Erlass des Parlamentsbeteiligungsgesetzes, das die Rechte des Bundestages und das parlamentarische Zustimmungsverfahren konkretisierte. Steht nicht zu erwarten, dass deutsche Soldatinnen und Soldaten in bewaffnete Unternehmungen einbezogen werden, besteht kein Parlamentsvorbehalt. Hier kann es im Einzelfall durchaus zu Diskussionen oder Abgrenzungsschwierigkeiten kommen, beispielsweise bei reinen Ausbildungsmissionen oder Unterstützungstätigkeiten.
Darüber hinaus entspricht es ständiger Staatspraxis in Deutschland, dass Auslandseinsätze bis auf wenige Ausnahmen im Rahmen von Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit wie der VNVereinte Nationen, der NATONorth Atlantic Treaty Organization oder der EUEuropäische Union stattfinden. Die Vorlage, über die die Abgeordneten jeweils abstimmen, wird im Bundesministerium der Verteidigung von der Abteilung Politik zusammen mit der Abteilung Strategie und Einsatz sowie der Rechtsabteilung erstellt. Dabei erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit dem insoweit federführenden Auswärtigen Amt.
„Am Ende gibt es eine gemeinsame Vorlage, die den Briefkopf beider Ministerien trägt“, erklärt Sohm. Darin steht dann – neben der Beschreibung des eigentlichen Auftrages – welches Einsatzgebiet das Mandat umfasst, die Einsatzdauer, welche Befugnisse die Soldaten haben sollen, welche militärischen Fähigkeiten und wie viele Kräfte maximal eingesetzt werden dürfen. Aufklärung, Wirkung, Schutz, Führungsunterstützung – all das wird festgelegt. „Dabei gilt es, so konkret wie möglich zu sein, damit die Abgeordneten eine genaue Vorstellung von dem haben, was sie beschließen. Andererseits ist eine gewisse Flexibilität des Mandats sinnvoll, da sich die Anforderungen an Einsätze inhaltlich und räumlich schnell verändern können“, erklärt Sohm.
Nachdem die Vorlage der beiden Ministerien in den Bundestag eingebracht wurde, beraten dessen Ausschüsse darüber. „Dabei ist der Auswärtige Ausschuss federführend, der Verteidigungsausschuss berät mit. Außerdem können die Ausschüsse für Inneres, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Recht oder EUEuropäische Union-Angelegenheiten sich einbringen. Die endgültige Empfehlung gibt dann der Auswärtige Ausschuss und dann stimmt das Parlament ab“, fasst der Jurist zusammen.
Dieser Prozess findet auch dann statt, wenn ein Einsatz völkerrechtlich kein Mandat des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen braucht, weil die Regierung des betroffenen Landes ausländische Streitkräfte um Unterstützung bittet – wie etwa bei „Resolute Support“ in Afghanistan. „Obwohl dafür kein VNVereinte Nationen-Mandat nötig war, brauchten wir dennoch ein Bundestagsmandat“, erklärt Sohm, der mit seinem Referat auch rechtlichen Rat zur Erstellung der Einsatzregeln („Rules of Engagement“) und der Taschenkarten der Soldaten gibt. Auch wenn zwei Einsätze auf demselben Gebiet stattfinden, wie es im Mittelmeer bei der EUEuropäische Union-Mission Sophia und der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mission Sea Guardian der Fall ist, müssen dennoch zwei Mandate für den Bundestag ausgearbeitet und dort abgestimmt werden. Selbst dann, wenn sie sich auf dieselbe Rechtsgrundlage, etwa die VNVereinte Nationen-Resolution gegen Waffenschmuggel nach Libyen, berufen.
Mit der Zustimmung des Bundestages ist die rechtliche Arbeit aber nicht abgeschlossen. Auch wenn ein Einsatz schon läuft, ist die Rechtsabteilung weiterhin gefragt. „Wenn etwa Fragen zu dem im Mandat definierten Einsatzgebiet auftreten, zum Beispiel bei der Ausbildung kurdischer Peschmerga im Nordirak“, erklärt Sohm. „Oder wenn es darum geht, ob ein bestimmtes zusätzliches Waffensystem genutzt werden darf oder neue Aufgaben übernommen werden sollen.“
Der erfahrene Jurist weiß: „Wenn man sich seit Jahren mit solchen Mandaten beschäftigt, denkt man irgendwann, man kennt alle Formulierungen und Fallstricke. Aber es tauchen doch immer wieder Grenzbereiche auf, bei denen wir dann Antworten finden müssen. Wir werden also nicht arbeitslos.“
Wichtig ist: „Von den Soldatinnen und Soldaten im Einsatz wird eine parlamentarische Zustimmung als starke Grundlage für ihr Handeln empfunden“, so Sohm. Die Bündnisfähigkeit Deutschlands sei hierdurch nicht gefährdet. „Wenn es sein muss, kann die Entscheidung des Parlaments auch innerhalb von zwei Tagen eingeholt werden.“
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