In ihrer Grundsatzrede zur ersten Nationalen Sicherheitsstrategie Deutschlands hat Verteidigungsministerin Christine Lambrecht einen sicherheitspolitischen Kulturwechsel gefordert. Im Kontext der Zeitenwende sei Veränderung das Gebot der Stunde. Die Bundeswehr müsse Kern deutscher Sicherheit sein, sagte die Ministerin.
Bei der Veranstaltung zur „Sicherheits- und Verteidigungspolitik: Implikationen der Zeitenwende für Deutschlands erste Nationale Sicherheitsstrategie“, sagte die Ministerin am 12. September in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik) in Berlin: Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und den damit einhergehenden tiefgreifenden sicherheitspolitischen Veränderungen in Europa müsse militärische Sicherheit wieder als ganz zentrale Aufgabe dieses Landes begriffen werden, als „die“ Staatsaufgabe. Sicherheit solle über Ressortgrenzen hinweg aus einem Guss gedacht werden, so wie es der Begriff „Integrierte Sicherheit“ in der Nationalen Sicherheitsstrategie deutlich mache.
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Die Nationale Sicherheitsstrategie als Positions- und Richtungsbestimmung war nach den Worten der Ministerin seit Langem überfällig. „Die Nationale Sicherheitsstrategie ist ein wichtiges Projekt. Denn die drängenden strategischen Fragen brauchen mehr als nur gutes Krisenmanagement und schnelle Antworten. Sie brauchen eine langfristige Politik, tief fundiert und solide finanziert. Vor allem aber brauchen sie von Deutschland, von uns allen, eins: Veränderung“, sagte Lambrecht während ihrer rund 30-minütigen Rede in der DGAP Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik.
In diesem neuen politischen Denken und Handeln werde gerade die Bundeswehr in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen. „Wir müssen die Bundeswehr wieder als zentrale Instanz für unsere Daseinsvorsorge betrachten. Und zwar jeden Tag“, sagte die Ministerin.
Es gelte für Deutschland im Hinblick auf seine Verteidigungsfähigkeit, Lehren aus dem brutalen russischen Angriff auf die Ukraine zu ziehen. „Wir selbst brauchen starke, kampfbereite Streitkräfte, damit wir uns und unser Bündnis zur Not verteidigen können“, erklärte Lambrecht.
Sie habe mit dem Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, beraten, ob Deutschland noch weitere Unterstützungsleistungen für die Ukraine möglich machen könne. Sie sei sich mit NATONorth Atlantic Treaty Organization-Generalsekretär Jens Stoltenberg darüber einig, dass die Bundeswehr die beim NATONorth Atlantic Treaty Organization-Gipfel in Madrid beschlossenen Ziele erfüllen werde. Dazu gehöre beispielsweise, die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke zu stärken.
Deutschland habe auf den Ukraine-Krieg mit dem Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro sehr entschlossen und schnell reagiert. Eine Summe, die in die Einsatzbereitschaft und Kampfkraft der deutschen Streitkräfte fließen werde. Lambrecht unterstrich zudem, dass das Sondervermögen nachhaltig sei.
Lambrecht machte deutlich, dass es bei der Debatte rund um die Nationale Sicherheitsstrategie im Kern um das Rollenverständnis Deutschlands als Nation, als guter Nachbar, als Demokratie und als Verbündeter gehe. „Deutschlands Größe, seine geografische Lage, seine Wirtschaftskraft, kurz, sein Gewicht, machen uns zu einer Führungsmacht, ob wir es wollen oder nicht“, so die Ministerin und fügte hinzu: „Auch im Militärischen.“ Keinesfalls aber gehe es bei dieser Rolle um nationales Prestige.
Daraus erwachse nicht nur eine große Verantwortung, sondern die Verbündeten stellten auch Fragen an die Fähigkeiten der Bundeswehr. Die Nationale Sicherheitsstrategie müsse darauf Antworten geben. Deutschland könne Vertrauen schaffen, wenn es sich klar gegenüber den Verbündeten bekenne, bereit zu sein, Präsenz zu zeigen, Substanz anzubieten und Lasten zu tragen. „Die wichtigste Botschaft, die ich heute überbringen will, ist diese: Deutschland kann das“, unterstrich die Ministerin nachdrücklich.
Im Geist „des klugen, besonnenen Engagements“ werde nun die erste Nationale Sicherheitsstrategie in Deutschland geschrieben. Dieses bislang einzigartige Grundlagendokument solle dem Land Orientierung geben, wie seine sicherheitspolitische Lage sei und was daraus folge. Die neue Strategie solle gegenüber der deutschen Öffentlichkeit transparent kommuniziert werden. Dies sei eine Nationale Sicherheitsstrategie für die Bürgerinnen und Bürger. In diesem Kontext schlug Lambrecht einen Tag der Nationalen Sicherheit im Bundestag vor.
Die strategische Lage stehe im Zeichen der Erkenntnis, dass die USA die Verteidigung Europas nicht mehr in dem Maße sicherstellen könnten, wie es in vergangenen Zeiten üblich war – auch wenn es zur nuklearen Abschreckung durch die USA aus europäischer Sicht keine Alternative gebe. Dennoch gelte: Europa müsse die USA entlasten und Europa müsse mehr für seine Verteidigung tun.
Der strategische Kompass der EUEuropäische Union und das neue strategische Konzept der NATONorth Atlantic Treaty Organization seien wichtige Meilensteine auf diesem Weg. Der europäische Pfeiler in der NATONorth Atlantic Treaty Organization müsse noch stärker werden. „Wir Europäer, und damit ganz prominent wir Deutschen, müssen also mehr tun, um selbst glaubhaft so viel militärische Stärke zeigen zu können, dass andere Mächte gar nicht erst auf die Idee kommen, uns anzugreifen“, machte die Ministerin klar.
Mit Blick auf die Bundeswehr stehe die Landes- und Bündnisverteidigung künftig an erster Stelle der Prioritätenliste – dabei werde das Krisenmanagement nicht außer Acht gelassen. So wolle Deutschland drei einsatzbereite, kampffähige Heeresdivisionen bis in die 2030er-Jahre in Dienst stellen. Voll ausgestattet mit jeweils drei Brigaden plus Zusatzkräften.
Wenn die Zukunftsaufgabe Sicherheit gelingen und wenn die Zeitenwende nachhaltig sein solle, dann werde Deutschland noch mehr für Verteidigung ausgeben müssen, machte Lambrecht unmissverständlich deutlich.
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