Extreme Wettereignisse, Migrationsströme und Wasserknappheit - drei Schlagworte, die oft in Verbindung mit dem Klimawandel fallen. Sie zeigen, wie Milliarden von Menschen direkt oder indirekt von der Erderwärmung betroffen sein werden. Die internationale Staatengemeinschaft steht angesichts des Klimawandels vor der Herausforderung, mögliche Lösungen zu bieten und potentielle Krisen zu verhindern.
Damit verbunden stellt sich somit auch die Frage nach der zukünftigen Gestaltung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Rolle der Bundeswehr: Vor welchen konkreten Herausforderungen und Aufgaben stehen wir angesichts der globalen Erwärmung? Diese und noch weitere Fragen werden am 18. Juni 2019 beim 9. Netzwerktreffen „Strategie und Vorausschau“ im Bundesministerium der Verteidigung adressiert. Experten aus dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung e.V.eingetragener Verein, dem Bundesumweltministerium sowie der Stiftung Wissenschaft und Politik tragen zu „Zukunftsszenarien Klimawandel“ vor und diskutieren mit den rund 40 Teilnehmern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Regierung.
Moderiert wird die Veranstaltung von Prof. Dr. Carlo Masala, der an der Universität der Bundeswehr München als Lehrstuhlinhaber den Fachbereich Internationale Politik leitet. Seit dem 1. Dezember 2017 führt er außerdem das Pilotprojekt „Metis“, das sich mit Fragen der internationalen Sicherheit befasst und zur Verbesserung der Strategiefähigkeit der Abteilung Politik im Bundesministerium der Verteidigung beiträgt.
Im Interview spricht Prof. Dr. Malasa über die kommenden Herausforderungen der Bundeswehr angesichts des Klimawandels.
Welche Auswirkungen hat der Klimawandel denn auf die deutsche und europäische Sicherheitspolitik?
Dies wird sich aller Wahrscheinlichkeit schwerpunktmäßig auf die Frage von Klimaflüchtlingen und der möglichen kompletten Destabilisierung des europäischen Vorfeldes im Süden konzentrieren. Denn entweder werden sich Menschen in Folge der zunehmenden Unbewohnbarkeit ihres Territoriums und der ausbleibenden Ernteerträge auf Wanderschaft begeben oder ganze Staaten und Regionen werden durch die Folge klimatischer Veränderungen sozial destabilisiert werden - unter Einschluss des Ausbruches gewaltsamer Konflikte. Dies wird eine direkte Auswirkung auf Europa haben durch Migration in die die nächstgelegenen Wohlstandsgebiete, Terrorismus oder halt „einfach nur“ durch humanitäre Katastrophen infolge von Bürgerkriegen.
Inwieweit muss sich die Bundeswehr neu orientieren oder aufstellen?
Ich glaube die Bundeswehr muss sich nicht neu aufstellen und hat das Problem Klimawandel als konkrete Sicherheitsbedrohung bereits erkannt. Es gilt nun die operativen Konsequenzen aus dieser Einsicht zu ziehen und, wie bereits gesagt, auch die Frage von Material, Ausrüstung und Ausbildung an diese zukünftigen potentiellen Szenarien anzupassen. Was das Material anbetrifft, so muss dieses zukünftig unter extremeren klimatischen Bedingungen funktionieren, als dies bislang der Fall war
Wie stellen sich andere Nationen mit ihren Streitkräften bereits auf den Klimawandel ein?
Letzten Endes stehen alle am Anfang. Wir haben mehr und mehr konzeptionelle Papiere – beispielsweise Weißbücher -, die Klimawandel als konkrete zukünftige sicherheitspolitische Herausforderung begreifen und der nächste Schritt muss jetzt sein, die notwendigen Konsequenzen aus dieser Einsicht zu ziehen.
Der Klimawandel ist ein globales Thema – was bedeutet das für Deutschland mit Blick auf ein globales militärisches Bündnis wie die NATONorth Atlantic Treaty Organization?
Dass sich die Bundesrepublik unter Umständen auf Einsätze vorbereiten muss, die weder der klassischen Bündnisverteidigung noch der Art der bislang erfolgten Auslandseinsätze entsprechen. Wenn die globale Erwärmung um zwei Grad steigt, dann werden unter Umständen auch Einsätze im Rahmen multilateraler Koalitionen oder Bündnisse erfolgen, die dazu dienen Flüchtlingsströme zu managen oder aber Hilfsaktionen in Gegenden durchzuführen, die überschwemmt sind. Also, es wird möglicherweise ein zusätzliches, neues Aufgabenspektrum auf Deutschland und die NATONorth Atlantic Treaty Organization zukommen
Eine ihrer Metis-Publikationen beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Arktis. Dort treffen die Interessen der Arctic Five (USA, Kanada, Russland, Grönland/Dänemark und Norwegen) aufeinander. Was ist dort zu erwarten?
Studie: Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Arktis
Zunächst einmal muss man festhalten, dass alle Anrainerstaaten der Arktis um Kooperation bemüht sind. Trotz der zahlreichen Konflikte, die zwischen der Russischen Föderation und den USA sowie Kanada, Norwegen und Dänemark in anderen Feldern existieren, ist die Arktis bislang durch Kooperationsbemühungen gekennzeichnet. Das muss aber nicht immer so bleiben. Je mehr ökonomisches Potential die Arktis bieten wird, desto stärker können Konflikte auftreten. Die große Unbekannte ist aber weiterhin noch die militärische Nutzung der Arktis und die strategischen Bomberflüge Russlands über der Arktis, die Teil der russisch-amerikanischen Auseinandersetzung geworden sind. Hier liegt ein großes sicherheitspolitisches Konfliktpotential, das man in Zukunft stärker beobachten sollte
Die Arctic Five könnte man auch aufspalten in vier NATONorth Atlantic Treaty Organization-Länder und Russland, eine alte Block-Konstellation. Was bedeutet das für Deutschland?
Prof. Dr. Masala: Dies hängt – wie gesagt – von der Entwicklung der sicherheitspolitischen Situation ab. Sollte sich diese eine Richtung hin zu einer zunehmenden Konfrontation Russlands gegenüber den anderen Mitgliedern der Arctic Five hinbewegen, wird dieses Thema auch verstärkt im NATONorth Atlantic Treaty Organization-Rahmen diskutiert werden und damit dann noch stärker ein Thema, dem sich die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik zuwenden muss
Vielen Dank für das Gespräch.
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