Die Rückbesinnung auf die Landes- und Bündnisverteidigung hat – vor allem mit Blick auf die russische Invasion der Ukraine – die sicherheitspolitische Agenda 2022 bestimmt.
Mit seinem völkerrechtswidrigen, brutalen Angriff auf die Ukraine Ende Februar hat Russland die europäische Friedensordnung infrage gestellt. Die Invasion hat nicht nur Leid und Trauer in die Ukraine gebracht, sie hat auch das Vertrauen in internationale Vereinbarungen erschüttert, die Russland gebrochen hat.
Schon seit einigen Jahren konzentriert sich die NATONorth Atlantic Treaty Organization wieder auf ihren Kernauftrag: die Bündnisverteidigung. Seit der Annexion der Krim durch Russland 2014 hat die NATONorth Atlantic Treaty Organization umfangreiche Maßnahmen eingeleitet, um ihre Verteidigungsfähigkeiten zur steigern. Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat die Allianz ihre Aktivitäten noch einmal intensiviert. Dabei leistet Deutschland als Bündnispartner seinen Anteil. Die Bundeswehr entsendete auf Bitten Litauens schnell 350 zusätzliche Soldatinnen und Soldaten, um die von Deutschland geführte eFPenhanced Forward Presence-Battlegroup im Baltikum zu verstärken.
Die NATONorth Atlantic Treaty Organization hatte damit auf die massiven russischen Truppenbewegungen im Vorfeld der Invasion reagiert. Nach dem russischen Einmarsch hat sich Deutschland in enger Abstimmung mit den Partnern an der Hilfe für die Ukraine beteiligt. Dazu gehörten zum Beispiel Flugabwehr-Panzer Gepard, die Panzerhaubitze 2000 und Raketenwerfer MARSMittleres Artillerieraketensystem. Mit Iris-TInfra-Red Imaging System – Tail hat die Bundesrepublik eines der modernsten Luftverteidigungssysteme überhaupt geliefert, um russische Flugkörper abzuwehren.
Deutschlands Größe, seine geografische Lage, seine Wirtschaftskraft, kurz: sein Gewicht, machen uns zu einer Führungsmacht, ob wir es wollen oder nicht. Auch im Militärischen.Verteidigungsministerin Christine Lambrecht
Russland wird von der NATONorth Atlantic Treaty Organization in ihrem neuen strategischen Konzept als die größte Bedrohung für die europäische Sicherheit eingestuft. Auf dem Gipfeltreffen in Madrid im Sommer hat die Allianz nach zehn Jahren wieder ein neues strategisches Grundlagendokument beschlossen. Darüber hinaus wurde zur Stärkung der Bündnisverteidigung und Abschreckung in Madrid die Aufstockung der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Eingreifkräfte auf rund 300.000 Soldatinnen und Soldaten beschlossen. Die NRFNATO Response Force wird von einem neuen Force Model abgelöst. Die Bundeswehr wird sich in erheblichem Umfang beteiligen. Deutschland wird bis zu 30.000 Soldatinnen und Soldaten sowie 85 Flugzeuge und Schiffe für die schnelle Reaktion stellen.
Mit der neuen Streitkräftestruktur werden regionale Zuordnungen eingeführt. Wie das beispielhaft funktionieren kann, hat Deutschland bereits gezeigt. In Litauen wurde im September ein deutscher Brigadegefechtsstand eingerichtet, um bei einer konkreten Bedrohungslage die Verlegung einer deutschen Kampfbrigade an die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke vorzubereiten.
Voraussetzung dafür sind reaktionsschnelle Kräfte. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, verlangte deshalb bei der Bundeswehrtagung eine verbesserte Kaltstartfähigkeit. Sowohl Personal als auch Material müssten kurzfristig in hoher Einsatzbereitschaft verfügbar sein. Für Verteidigungsministerin Christine Lambrecht sind dies notwendige Veränderungen im Kontext der Zeitenwende. So wurde zum Beispiel mit der Gründung des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr (TerrFüKdoBwTerritoriales Führungskommando Bundeswehr) die Führungsorganisation der Streitkräfte auf die Anforderungen der Landes- und Bündnisverteidigung ausgerichtet.
Zeitenwende bedeutet nicht nur, Anpassungen bei der Truppe vorzunehmen: In ihrer Grundsatzrede zur ersten Nationalen Sicherheitsstrategie Deutschlands hat Ministerin Lambrecht einen sicherheitspolitischen Kulturwechsel gefordert. Die kommende Sicherheitsstrategie müsse Deutschlands Führungsrolle berücksichtigen. „Deutschland kann das“, machte sie deutlich.
Nicht nur die NATONorth Atlantic Treaty Organization, auch die EUEuropäische Union hat seit diesem Jahr eine neue Sicherheitsstrategie. Die Außen- und Verteidigungsminister der EUEuropäische Union-Mitgliedsstaaten haben den strategischen Kompass verabschiedet, um die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik – kurz GSVPGemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik – handlungsfähiger zu machen. Er kam maßgeblich auf deutsche Initiative zustande. Neben schnellerem und effizienterem Krisenmanagement steht die gemeinsame militärische Fähigkeitsentwicklung im Zentrum des geplanten stärkeren EUEuropäische Union-Engagements. Die Kooperation im Rüstungsbereich – insbesondere gemeinsame Beschaffungen – soll intensiviert werden. Wie das gehen kann, zeigte die von Deutschland ausgehende Initivative ESSIEuropean Sky Shield Initiative. Bislang 15 europäische Staaten haben sich zusammengeschlossen mit der Absicht, gemeinsam ein Luftverteidigungssystem zu beschaffen, zu nutzen und zu warten.
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Voraussetzung dafür ist, dass die Zeitenwende auch finanziell hinterlegt ist. Für Investitionen in einsatzbereite Streitkräfte müssen die Verteidigungsausgaben steigen. 2022 lag der Verteidigungshaushalt erstmals über 50 Milliarden Euro. Zusätzlich zum Verteidigungshaushalt wurde in diesem Jahr das Sondervermögen Bundeswehr in Höhe von insgesamt 100 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Damit können auch umfangreiche, langjährige Rüstungsprojekte verwirklicht werden. So sind im Wirtschaftsplan des Sondervermögens zum Beispiel Investitionen zur Beschaffung von Kampfflugzeugen F-35 oder schweren Transporthubschraubern CH-47 vorgesehen. Das Sondervermögen trägt auch dazu bei, das Zwei-Prozent-Ziel der NATONorth Atlantic Treaty Organization im mehrjährigen Durchschnitt zu erreichen.
Mit der Zeitenwende kommen voll ausgestattete und einsatzbereite Streitkräfte, damit die Bundeswehr ihren Auftrag erfüllt: Sicherheit für Deutschland und seine Verbündeten.
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