Mit einer Verfassungsbeschwerde hatte der ehemalige Luftwaffenoffizier seinen Beitrag zur Gleichstellung der sexuellen Minderheiten in der Bundeswehr geleistet. Mehr als 20 Jahre später nahm er nun seine offizielle Rehabilitierung aus den Händen der Verteidigungsministerin entgegen.
Herr Stecher, war Ihnen vor Ihrem Eintritt in die Bundeswehr klar, dass Sie Ihre sexuelle Orientierung in Schwierigkeiten bringen könnte?
Ich bin als Wehrdienstleistender zur Bundeswehr gekommen. Da war ich mir gar nicht hundertprozentig sicher, ob ich schwul bin. Als das geklärt war, war ich längst Soldat. Ich habe meine sexuelle Orientierung nie zum Thema gemacht, sie aber auch nie verleugnet. Bis heute bin ich überzeugt, dass viele Kameraden es wussten oder ahnten. Angesprochen wurde ich aber nie. Bis mein Chef mich fragte, ob ich homosexuell sein könnte. Da habe ich gesagt: Ich könnte nicht, ich bin es. Vielleicht war das ein bisschen naiv.
Was geschah danach?
Ich wurde von meinem Posten als Ausbilder entbunden und in den Innendienst versetzt. Die Begründung war, dass ich als homosexueller Ausbilder die Schlagkraft der Truppe gefährden würde.
Warum haben Sie die juristische Auseinandersetzung mit dem Verteidigungsministerium gesucht?
Ich wurde ungerecht behandelt. Ich habe meinen Job anständig gemacht und mir nie etwas zu Schulden kommen lassen. Als homosexueller Soldat war man damals in einer Zwickmühle: Hielt man seine Sexualität geheim, hieß es, man sei erpressbar. Outete man sich, galt man als Gefahr für die Truppe. Man konnte nur verlieren – und das wollte ich mir nicht bieten lassen. Also habe ich mich gewehrt. In einem sehr langen und sehr zermürbenden Prozess.
War Ihnen bewusst, dass Sie mit dieser Entscheidung zu einer Person der Zeitgeschichte werden könnten?
Die historische Tragweite war mir anfangs nicht bewusst. Als ich die Verfassungsbeschwerde eingereicht habe, ging es los: Die Medien interessierten sich für meinen Fall, auch die Politik. Der Druck auf die Regierung und den damaligen Verteidigungsminister war groß. Das war sehr wichtig. Meine Beschwerde war zwar der Zündstoff, aber ohne das öffentliche Interesse wäre es vermutlich nie zu der Entscheidung gekommen, die Diskriminierung Homosexueller in der Bundeswehr zu beenden.
Hatten Sie mit einem Erfolg gerechnet?
Die Konstellation war günstig: Der Blick auf Homosexualität hatte sich ja damals schon gewandelt. Andere europäische Streitkräfte waren weiter als die Bundeswehr. Die niederländische Armee warb in Annoncen um homosexuelle Soldaten. Der Verteidigungsminister kam von einer Partei, die für die Rechte sexueller Minderheiten eintrat. Schon vor mir hatten sich viele homosexuelle Soldaten gewehrt und versucht, etwas zu ändern. Wenn ich es nicht geschafft hätte, wäre es der Nächste gewesen.
Hat sich Ihr Kampf gelohnt?
Natürlich. Wenn man etwas falsch findet, kann man entweder damit leben – oder versuchen, es zu ändern. Es gibt dieses Sprichwort: Steter Tropfen höhlt den Stein. Einer musste den Weg bis zu Ende gehen. Das habe ich getan.
Können Sie nun ihren Frieden mit den Streitkräften machen?
Das ist schon vor langer Zeit geschehen. Mit meiner Rückversetzung in die Truppe, spätestens aber mit meinem regulären Abschied aus der Bundeswehr im Herbst 2001 war die Geschichte für mich abgehakt. Der Truppe hatte ich auch nie etwas vorzuwerfen. Die politische Aufarbeitung war das Problem. Deshalb hat die Rehabilitierungsbescheinigung etwas Besonderes in mir ausgelöst. Die offizielle Entschuldigung der Ministerin, der Willen, das Unrecht zu beenden: Das bedeutet mir sehr viel.
Herr Stecher, ich bedanke mich für das Gespräch!
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