Exakt 365 Tage ist General Eberhard Zorn am 19. April 2019 im Amt. Der 16. Generalinspekteur der Bundeswehr trat 1978 in die Bundeswehr ein. Er absolvierte zahlreiche Stationen in Truppe und Ministerium und trug Führungsverantwortung bis hin zur Divisionsebene. Als truppennah galt er auch auf seinen vorherigen Posten schon, jetzt als Generalinspekteur sind vor allem die die Überraschungsbesuche bei der Truppe, für die nach wie vor sein Herz schlägt, bemerkenswert. Direkt mit Soldatinnen und Soldaten zu sprechen, gehöre zu seinen zentralen Anliegen. Über sein erstes Jahr im Amt, seine Truppenbesuche und seine Herausforderungen spricht er im Interview.
Passen Sie jetzt Ihre Datenschutzeinstellungen an, um dieses Video zu sehen
Herr Generalinspekteur, wie war das erste Jahr als ranghöchster Soldat der Bundeswehr für Sie?
Sehr dynamisch! Mein Terminkalender ist immer voll, ich habe kaum freie Zeit. Aber die Aufgabe macht mir sehr viel Freude, weil ich engagierte und gut ausgebildete Frauen und Männer treffe, die hoch motiviert und mit Herz ihren Auftrag erfüllen – übrigens ganz egal, wo ich hinkomme, ob in militärische oder in zivile Dienststellen.
Welchen Eindruck haben Sie vom Personal und wie verläuft der personelle Aufwuchs?
Der personelle Aufwuchs wird in diesem Jahr zunehmend auch für die Truppe sichtbar. Seit drei Jahren stellen wir neue Soldatinnen und Soldaten sowie mehr Seiteneinsteiger, Wiedereinsteller und Reservisten ein. Diese neu Eingestellten sind aber erst einmal in ihre Ausbildung gegangen und kommen jetzt nach und nach zurück in die Truppe. Bei Laufbahnen mit Studium wird es noch ein bisschen dauern, bis die Ausbildung abgeschlossen ist. Aber die Feldwebel beispielsweise sind schon „im Zulauf“. Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit dieser Entwicklung. Wir hatten zum Beispiel im ersten Quartal 2019 einen Bewerberanstieg um sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wir haben unverändert einen hohen Bewerberstand und können qualitativ gut auswählen.
Sie waren als Generalsinspekteur zu Besuch in allen Einsatzgebieten. Welchen Eindruck haben Sie vom Material vor Ort?
Wir bündeln in den Einsatzgebieten einen erheblichen Teil unserer Ressourcen. Bei Ersatzteilen haben die Einsätze Priorität. Es ist sehr modernes Gerät vor Ort, vor allem im Bereich Schutz sind wir weiter an der Spitze des Fortschritts. Das muss auch so sein, und das soll so bleiben. Gleichzeitig müssen wir natürlich auf die Truppenteile achten, die für die Auslandseinsätze und einsatzgleichen Verpflichtungen ihr Material abgegeben haben – und deswegen oft nicht mehr so intensiv üben können, wie wir es uns wünschen. Auf denen liegt jetzt mein Fokus. Erfreulich ist, dass die Truppe auch hier alles möglich macht, um mit viel Kraft und Engagement Ausbildungshöhepunkte zu verwirklichen. Gerade erst konnte ich mich bei der Übung ALLIED SPIRIT unter Führung der Panzerbrigade 21 von deren Leistungsfähigkeit und materieller Einsatzbereitschaft überzeugen.
Was sind dabei die großen Herausforderungen?
Wir müssen bei den Beschaffungsprozessen schneller werden. Das heißt, dass wir Dinge, die auf dem Markt verfügbar sind, viel schneller kaufen müssen. Ich erwarte von allen, dass wir bei vielen Dingen die Truppe stärker miteinbeziehen und darauf achten, was Soldatinnen und Soldaten wirklich brauchen. Noch viel zu oft stelle ich fest, dass wir in Verwaltungsverfahren mit vielen bürokratischen Hemmnissen verhaftet sind. Dadurch blockieren wir uns manchmal selbst in unseren Prozessen. Das muss gedreht werden. Meine Absicht ist es, dass wir insbesondere die Truppe im Einsatz von zu Hause aus nicht mit bürokratischen Regeln überfrachten.
Überraschungsbesuche sind ein bisschen Ihr Markenzeichen geworden. Was nehmen Sie von diesen Besuchen mit?
Eine solche Art von Dienstaufsichtsbesuchen habe ich schon als Brigadekommandeur und als Divisionskommandeur gemacht und gute Erfahrungen gesammelt. Deswegen wollte ich das als Generalinspekteur unbedingt fortsetzen – und es funktioniert! Ich muss die Truppe wirklich loben: Ich treffe überall ehrliche und offene Kameraden und zivile Mitarbeiter, die mir genau das erklären, was sie tun, was sie beschäftigt und was sie auch bedrückt. Ich bekomme ein sehr breites Bild geschildert, auch unter Benennung der Probleme vor Ort. Ich kann nur alle ermuntern, mir auch weiterhin mit so großer Offenheit zu begegnen. Ich will vor Ort keine länglichen Lagevorträge oder Vorführungen, die lange geplant und eingeübt werden müssen. Ich habe komplettes Vertrauen in unsere Soldatinnen und Soldaten, genauso wie in unsere zivilen Beschäftigten. Darin bin ich bisher immer bestätigt worden. Und dafür kann ich mich nur bedanken. Soweit mein Terminkalender es zulässt, werde ich weiter an diesen „Ü-Ei-Besuchen“ festhalten.
Haben Sie eine schöne Anekdote? Gibt es irgendetwas, das Ihnen nach einem Überraschungsbesuch im Kopf hängengeblieben ist?
Es gibt viele tolle Anekdoten. Das Beste ist eigentlich, wenn man auf Leute trifft, die einen vorher nie gesehen haben und dann völlig verdutzt sind. Die glauben erst mal nicht, dass der GI persönlich auftaucht. Und nach dem ersten Aha-Effekt fangen sie an, nach dem Motto: „Na, wenn der schon mal da ist, dann erzähl‘ ich dem auch 'was…“ Wie gesagt: Bisher sind mir alle mit großer Offenheit begegnet – genau darum bemühe ich mich selbst ja auch.
Vielen Dank Herr General, wir hoffen, dass Sie noch viele Standorte sehen, die Sie bisher nicht gesehen haben.
Passen Sie jetzt Ihre Datenschutzeinstellungen an, um dieses Video zu sehen
Arbeiten im Auto, im Zug und im Flugzeug – auch das gehört zu seinem Arbeitsalltag. Generalinspekteur Eberhard Zorn war in seinem ersten Dienstjahr permanent unterwegs. Im Schnitt macht er jeden Monat mindestens eine Auslandsreise, und einmal pro Woche erscheint er persönlich zur Dienstaufsicht. Mal angekündigt, mal spontan besucht er Ämter, Kommandostäbe, Ausbildungseinrichtungen sowie die Truppe im Standortdienst oder auf dem Übungsplatz.
Sein Ziel: mit den Soldatinnen und Soldaten vor Ort ins Gespräch zu kommen. „Ich bin für die Truppe da“, sagt General Zorn, „also muss ich auch dorthin, wo die Truppe ist“. Im vergangenen Jahr hat er alle großen Einsatzgebiete der Bundeswehr besucht.
Hinzu kommen zahlreiche nationale und internationale Arbeitstermine. Besuche bei militärischen Partnern oder Absprachen mit Amtskollegen führen ihn regelmäßig quer durch Deutschland und in andere Länder rings um den Globus.
Auch bei NATONorth Atlantic Treaty Organization-Großmanövern wie TRIDENT JUNCTURE in Norwegen schaut sich der Generalinspekteur persönlich um, allerdings nicht an VIP-Besuchstagen, sondern lieber mitten im Übungsgeschehen. Zorn will „ein realistisches Bild – und die Möglichkeit, mit den Soldaten zu sprechen“.
Inhalte teilen via