Auf seiner ersten Münchner Sicherheitskonferenz hielt Verteidigungsminister Boris Pistorius einen Impulsvortrag vor dem Panel zur NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke. Darin erklärt er, warum die Sicherheit des Baltikums und Polens zugleich die Sicherheit aller Verbündeten und Deutschlands ist – und warum ihm die Ostflanke aus Kindheitstagen vertraut ist.
Es gilt das gesprochene Wort!
Frau Professor Pisarska,
vielen Dank für die freundliche Begrüßung!
Herr Präsident Levits,
Herr Premierminister Støre,
Frau Senatorin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich bin ein Kind des Kalten Krieges. Aufgewachsen in einem Viertel Osnabrücks, in dem sich eine große britische Soldatensiedlung befand. Uniformen auf dem Schulweg waren für mich Alltag. – Ich habe sie mit jugendlicher Ehrfurcht bewundert.
Damals war die Bundesrepublik Deutschland NATONorth Atlantic Treaty Organization Ostflanke. Diese Bedrohung war in meinem Elternhaus unterschwellig immer präsent.
Die Erinnerungen an Panzer am Checkpoint Charlie und an die Kubakrise hatten sich eingebrannt. Später die sowjetischen SS 20 Mittelstreckenraketen in Reichweite Westeuropas. Wie so viele deutsche Haushalte hatten wir stets Konserven und Vorräte für den Ernstfall im Keller.
Damals hat das NATONorth Atlantic Treaty Organization Bündnis seine Ostflanke in meiner Heimat, in Deutschland gesichert. Die Uniformen auf meinem Schulweg waren ein Zeichen gelebter Bündnissolidarität. Amerikaner, Franzosen, Briten, Niederländer, Belgier, Kanadier… unsere Verbündeten haben die Sicherheit Deutschlands zu ihrer Sicherheit gemacht.
Dafür bin ich dankbar. Und daher ist es für mich selbstverständlich, dass wir Deutschen heute die gleiche Solidarität leben. Die Sicherheit des Baltikums und Polens und all unserer Verbündeten ist die Sicherheit Deutschlands.
Vieles ist heute anders als im Kaltem Krieg. Die demokratischen Revolutionen in Mittel- und Osteuropa – souveräne Entscheidungen demokratischer Staaten haben dazu geführt, dass die Grenze des Bündnisses heute weiter im Osten verläuft.
Aber leider haben wir es wieder mit einer massiven Bedrohung unserer Freiheit und Sicherheit zu tun. Russland führt einen menschenverachtenden Angriffs- und Eroberungskrieg gegen die Ukraine. Und wenn es nach Putin ginge, dann wäre das nur der Anfang.
Russland darf und wird mit seinem Imperialismus und seiner Verachtung für das Völkerrecht und die internationale Friedensordnung keinen Erfolg haben.
Und weil sich Putin weder mit diplomatischen Mitteln noch mit hartem wirtschaftlichem Druck zum Einlenken bewegen lässt, ist unsere Demonstration von Stärke die richtige Antwort.
Demonstration von Stärke – das heißt zum einen, die Ukrainerinnen und Ukrainer in ihrer mutigen Selbstverteidigung zu stärken.
Dafür stellen wir Waffen, Ausrüstung und Ausbildung. Deutschland liefert modernste Luftverteidigungssysteme, schwere Artillerie, Kampf- und Schützenpanzer, und sehr viel mehr. Dringend benötigtes und hoch wirksames Gerät. Ich bin froh, sagen zu können: Deutschland ist einer der wichtigsten und führenden Unterstützer der Ukraine. Erst vor kurzem haben wir dafür gesorgt, dass mehr dringend notwendige Munition an die Ukraine geliefert wird.
Erst vergangene Woche war ich in Kiew. Ich habe mit front erfahrenen Soldaten gesprochen, die zur Ausbildung am Leopard Panzer nach Deutschland aufbrachen.Ihre schrecklichen Kriegserfahrungen konnte ich in ihren Gesichtern ablesen. Gleichzeitig habe ich gesehen: ihre Moral ist ungebrochen. Ihr Einsatzwille und ihre Tapferkeit sind beeindruckend.
Gegenüber Präsident Selenski habe ich bekräftigt: Wir helfen solange, wie es nötig ist. Im europäischen und transatlantischen Schulterschluss. Und ich habe deutlich gemacht: Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen.
Demonstration von Stärke – das heißt zum anderen, die NATONorth Atlantic Treaty Organization Ostflanke zu stärken, uns selbst zu stärken.
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat das Bündnis schnell und entschlossen reagiert.
Innerhalb kürzester Zeit standen dem Alliierten Oberkommandeur 32.000 Bodentruppen, 140 Schiffe und 135 Flugzeuge zur Verfügung. Zusätzlich zu den 170.000 Soldatinnen und Soldaten, die bereits unter nationalem Kommando an der Ostflanke stationiert sind.
Das ist reale, ernstzunehmende Abschreckung. Wir können und wir werden jeden Zentimeter des Bündnisgebiets verteidigen.
Gemeinsam erhöhen wir die militärische Präsenz entlang der gesamten Ostflanke. Zudem werden künftig 300.000 Soldatinnen und Soldaten als schnelle Eingreiftruppe in erhöhter Alarmbereitschaft sein.
Das ist der richtige Weg, den wir auf dem Gipfel in Vilnius fortsetzen werden. Dort aktualisieren wir unsere Verteidigungspläne. Und natürlich wird unser Fokus darauf liegen, die Ostflanke weiter zu stärken.
Meine Damen und Herren,
ob im Kalten Krieg oder heute, ob in der alten Bundesrepublik oder jüngst im Baltikum oder Polen: Immer waren und sind die USA Garant für die europäische Sicherheit. Und ich dem amerikanischen Volk und Präsident Biden zutiefst dankbar, dass er die transatlantische Solidarität mit Wort und Tat bekräftigt. Dies ist in gegenseitigem strategischem Interesse.
Aber klar ist für mich auch: Es muss mehr von Europa kommen, sehr viel mehr.
Die Gleichung lautet für mich nicht: NATONorth Atlantic Treaty Organization oder EUEuropäische Union. Sie lautet: NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union. Genauer: ein stärkeres Europa für eine stärkere NATONorth Atlantic Treaty Organization.
Deshalb wünschen wir uns einen zügigen Beitritt Finnlands und Schwedens zur NATONorth Atlantic Treaty Organization – um der Sicherheit unserer finnischen und schwedischen Freunde willen, aber auch im Sinne der Stärke des Bündnisses. Beide haben leistungsfähige Armeen: mit starken Seestreitkräften und modernen Landstreitkräften, die gerade die Ostflanke sehr gut kennen.
Deutschland setzt sich dafür ein, die europäische Säule in der NATONorth Atlantic Treaty Organization zu stärken und die militärischen Kapazitäten und Fähigkeiten in der EUEuropäische Union zu verstärken. Die Zeitenwende muss auch Motor für die gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik sein.
Es geht in Europa darum, unsere gemeinsame Verantwortung in gemeinsame Kraft zu übersetzen:
Die Bundeswehr ist ein Grundpfeiler der europäischen Verteidigung. Schon heute schultern wir große Aufgaben:
Und wir sind bereit noch mehr Verantwortung zu übernehmen. Für uns ist Landesverteidigung gleich Bündnisverteidigung!
Wir haben das größte Ertüchtigungspaket in der Geschichte der Bundeswehr verabschiedet und in unserer Verfassung verankert: 100 Milliarden allein für unsere Streitkräfte.
Wir werden die NATONorth Atlantic Treaty Organization Fähigkeitsziele erreichen. Bis 2025 werden wir der NATONorth Atlantic Treaty Organization eine komplette Heeresdivision einsatzbereit melden. Das ist unser Beitrag als Rahmennation, an den andere Länder andocken können.
Wir bekennen uns klar zum Zwei Prozent Ziel. Sie alle wissen: davon sind wir noch mehr als ein Stück entfernt.
Ich werde hart daran arbeiten, dieses überfällige Ziel endlich zu erfüllen. Das ist mir ein besonderes Anliegen.
Unser Ziel ist eine moderne Allround Armee, die ein starker militärischer Kooperations- und Anlehnungspartner ist.
Das ist eine starke Antwort auf die Zeitenwende – und ein Versprechen für die Zukunft: Deutschland leistet einen substanziellen Beitrag zur militärischen Stärke Europas.
Übrigens gilt das nicht nur für die Landes- und Bündnisverteidigung, sondern auch für das internationale Krisenmanagement. Und nicht nur für die Ostflanke, sondern ebenso mit Blick auf weitere Regionen, in denen Sicherheit und Ordnung unter Druck stehen – allen voran den Indopazifik.
Meine Damen und Herren,
viele Deutsche wissen aus Erfahrung oder Erzählungen, wie es sich anfühlt, Ostflanke zu sein. Und viele Deutsche wissen, wie es ist, unter einem diktatorischen Regime zu leben. Viele Deutsche sind unglaublich dankbar für die militärische Unterstützung, die ihr Land und ihr Volk während des Kalten Krieges erhalten hat.
Mögen deutsche Uniformen in Rukla, Sliač oder Zamość heute genauso gern gesehen sein, wie es britische Uniformen zu meiner Schulzeit in Osnabrück waren. Und mögen sie ihren Teil dazu beitragen, Freiheit und Demokratie in Europa zu bewahren.
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