Wie wichtig der Zusammenhalt der Bündnispartner ist, betonte Verteidigungsminister Boris Pistorius bei seinem Impulsvortrag auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2024. Er appellierte, für das einzustehen, „woran wir glauben: eine Zukunft, in der alle Nationen das Recht haben, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen, ihre eigenen Wege zu gehen und sich den Bündnissen ihrer Wahl anzuschließen“.
Der Impulsvortrag des Verteidigungsministers im Wortlaut. Er hielt die Rede auf Englisch.
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Amaro,
Sehr geehrte Frau Ministerin Tax,
Sehr geehrter Herr Minister Ng,
Meine Damen und Herren,
Es ist nicht die Zeit die derzeitigen Realitäten zu schön zu reden.
Von der nördlichen bis zur südlichen Hemisphäre haben sich Krisen entwickelt.
Konflikte und Kriege verschärfen sich mit erschreckender Geschwindigkeit. Globale Herausforderungen wie der Klimawandel und Pandemien sowie weltweite Bedrohungen, allen voran der internationale Terrorismus, verschärfen bestehende lokale und regionale Konflikte. Im Nahen Osten verstärken sich mehrere dieser Übel gegenseitig. Das hat uns der barbarische Terroranschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober gezeigt. Lassen Sie mich sehr deutlich sagen: Wir stehen an der Seite Israels.
Besonders ein Aggressor versucht, lokale und regionale Konflikte für seine eigenen revisionistischen Zwecke zu nutzen. Das grausame Ergebnis erleben wir gerade in der Ukraine.
Während wir hier im friedlichen München zusammensitzen, bringt Putins völkerrechtswidriger und menschenverachtender Krieg unaussprechliches Leid über das ukrainische Volk.
In diesem Krieg geht es um viel mehr als zwei Staaten die um Gebietsansprüche kämpfen. In diesem Krieg geht es um die Frage, ob wir es einem imperialistischen Staat erlauben wollen, einem anderen, souveränen Staat seinen Willen aufzuzwingen.
Unsere gemeinsame Antwort auf diese Frage wird weltweit laut und deutlich zu hören sein. Sie wird den Appetit von revisionistischen und expansionistischen Mächten beeinflussen Krieg gegen ihre Nachbarn zu führen. In Afrika, im Nahen Osten und im Indo-Pazifik. Als Verteidiger der freien Welt haben wir die gemeinsame Verantwortung und den Willen, die richtige Antwort darauf zu finden.
Welche Unterschiede es auch immer zwischen den Ländern des Nordens und des Südens geben mag: Lassen sie uns diese gemeinsam überwinden. Wir müssen enger zusammenrücken und eines klarstellen: Wir stehen für Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand, nicht für Hass und Zerstörung. Wir stehen für Freiheit und für die regelbasierte internationale Ordnung. Eine Ordnung, die uns allen zugutekommt.
Meine Damen und Herren,
Nach dem Kalten Krieg haben wir versucht, gemeinsam mit Russland eine inklusive, pan-europäische Sicherheitsarchitektur aufzubauen. Leider ist uns das nicht gelungen. Heute wissen wir, warum: All diese Versuche liefen der Strategie des Kremls zuwider, seine Vormachtstellung in Ost- und Mitteleuropa wiederzuerlangen.
Jetzt liegt es in unserer gemeinsamen Verantwortung, der Ukraine bei der Wiederherstellung ihrer territorialen Integrität zu helfen. Es liegt in unserer Verantwortung, ihre Resilienz zu stärken. Die Zukunft der Ukraine liegt in der NATONorth Atlantic Treaty Organization und in der EUEuropäische Union. Dort sehe ich die Zukunft der Ukraine, und, was viel wichtiger ist, dort sieht auch die Ukraine ihre Zukunft. Das heißt, dass wir unsere mögliches tun, die Ukraine so zu unterstützen, dass sie diesen Krieg führen und gewinnen wird.
Unsere Unterstützung der Ukraine ist auf Dauer ausgelegt. Wir werden durchhalten. Wir bleiben standhaft – egal wie lange Putin diesen völkerrechtswidrigen und sinnlosen Krieg gegen ein souveränes, friedliebendes Land weiterführt!
Dennoch werden wir in Europa auf Jahrzehnte mit einer klaren Trennlinie leben müssen. Das freie und demokratische Europa auf der einen Seite, das autoritäre und kriegstreiberische Russland auf der anderen. Wir müssen klare Signale senden – nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten! Wirksame Abschreckung ist unsere Lebensversicherung.
Für mich hat Abschreckung mindestens drei Dimensionen:
Erstens: Geld! Wir brauchen die nötigen Ressourcen, um in Abschreckung investieren zu können. Ich bin stolz, dass wir dieses Jahr mehr als zwei Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgeben werden. Ich bin aber auch Realist genug zu wissen, dass das in den kommenden Jahren wahrscheinlich nicht ausreichen wird.
Zweitens: Produktion! Ohne eine starke Rüstungsindustrie können wir nicht in Ausrüstung, Waffen und Munition investieren. Wir haben in Deutschland neue Produktionslinien geschaffen, um zum Beispiel Munition für den Gepard oder Flugabwehrsysteme herzustellen. Am Montag haben Bundeskanzler Scholz und ich die Weichen gestellt, um die Produktion von 155-Millimeter-Munition in Norddeutschland anzukurbeln.
Drittens und letztens: Einsatzbereitschaft! Wir erhöhen die Präsenz der Bundeswehr entlang der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke, allem voran durch die dauerhafte Stationierung einer robusten, gefechtsbereiten Brigade in Litauen. Zusammen mit unseren Bündnispartnern senden wir Putin eine starke Botschaft: Sobald auch nur ein russischer Soldat seinen Fuß auf NATONorth Atlantic Treaty Organization-Gebiet setzt, werden wir jeden Zentimeter davon verteidigen.
Als Frontstaat während des Kalten Krieges haben wir von der Präsenz der NATONorth Atlantic Treaty Organization in Deutschland profitiert.
Wir alle im freien Europa sind dankbar für den amerikanischen Sicherheitsschirm der vergangenen 75 Jahre. Die US-Vizepräsidentin Kamala Harris hat es gestern sehr deutlich gesagt: Wir haben auf beiden Seiten des Atlantik von unserer engen Partnerschaft profitiert. Sie bleibt Grundpfeiler unserer Sicherheit. Und sie ist alles andere als selbstverständlich. Wir alle im freien Europa sind dankbar für den amerikanischen Sicherheitsschirm der vergangenen 75 Jahre. Die US-Vizepräsidentin Kamala Harris hat es gestern sehr deutlich gesagt: Wir haben auf beiden Seiten des Atlantik von unserer engen Partnerschaft profitiert. Sie bleibt Grundpfeiler unserer Sicherheit. Und sie ist alles andere als selbstverständlich.
Wir Europäer sind uns sehr bewusst, dass Amerika seine Ressourcen und seine Aufmerksamkeit immer mehr dem Indo-Pazifik zuwendet. Unabhängig davon, wer im Weißen Haus sitzt.
Deshalb setzen wir alles daran, den europäischen Beitrag zur transatlantischen Lastenteilung zu erhöhen. Ich nenne Ihnen drei Beispiele:
Es ist aber auch klar: Wir in Europa können mehr tun und müssen mehr tun. Und wir müssen es schneller tun.
Meine Damen und Herren,
Europa und der Westen sind und waren nie alleine auf der Welt. Die Länder des globalen Südens sind dabei – in erheblichem Maße – prägend für das 21. Jahrhundert. Sie beeinflussen unsere Realität in Europa, in den Vereinigten Staaten und anderswo.
Wenn wir an dieser dynamischen Entwicklung teilhaben wollen – und ich denke, das sollten wir auf jeden Fall – sind wir gut beraten, uns mit diesen aufstrebenden Mächten näher auseinanderzusetzen. Sehr viel mehr, als wir das bisher getan haben. Vor allem, weil wir vor vielen gleichen Herausforderungen stehen.
Beteiligen heißt auch, unsere Komfortzone zu verlassen und die Interessen, Prioritäten und Blickwinkel anderer Nationen zu respektieren. Es heißt, sie nicht dazu zu zwingen, sich für eine Seite zu entscheiden, und, wichtiger noch, es heißt sie wo nötig zu unterstützen.
In den Indo-Pazifik werden wir dieses Jahr wieder Marineeinheiten entsenden. Damit unterstreichen wir unser Engagement für freie und sichere Seewege, während China immer mehr die bestehende Ordnung im Südchinesischen Meer in Frage stellt. Wir wollen auch die Durchsetzung von UNUnited Nations-Sanktionen gegen Nordkorea unterstützen, auch wenn Russland diese Sanktionen bricht.
Wir werden zum Schutz des Seeverkehrs im Roten Meer beitragen. Mit Zustimmung des Bundestags werden wir ab nächster Woche im Rahmen der robusten EUEuropäische Union-Mission im Roten Meer eine Fregatte entsenden.
In Afrika setzen wir uns für African Ownership ein und für afrikanische Lösungen von afrikanischen Problemen. Wir sind bereit, die Länder zu unterstützen, die an Frieden und Stabilität interessiert sind. Die unsere Hilfe bei der Ertüchtigung mit Material und militärischem Fachwissen wollen. Als Beitrag zum Schutz der regelbasierten internationalen Ordnung.
Militärische Beratergruppen aus Deutschland sind bereits heute in zahlreichen Ländern des afrikanischen Kontinents aktiv. Wir sind bereit auf Anfrage mehr zu schicken. Wir wollen Partnerschaften auf Augenhöhe. Das habe ich auch bei meinen Besuchen in Afrika im letzten Jahr sehr deutlich gemacht.
Engere Zusammenarbeit bedeutet, von unserem hohen Ross herunter zu kommen. Das meine ich, wenn ich sage, wir müssen unsere „Komfortzone verlassen“.
Wir wollen anderen Ländern zuverlässige Partner sein. Das gilt auch für die Rüstungskooperation. Wir wollen nicht, dass in Deutschland produzierte Waffen in die falschen Hände geraten. Das ist klar. Gleichzeitig können wir von den Ländern im Globalen Süden aber nicht erwarten, dass sie sich selbst und die regelbasierte internationale Ordnung verteidigen, wenn wir ihnen die nötige Ausrüstung verwehren!
Wenn wir bestimmten afrikanischen Staaten die Zusammenarbeit verweigern, weil sie unseren Maßstäben nicht gerecht werden oder unsere Werte nicht teilen, dann überlassen wir Russland das Feld. Das dient weder dem Land noch der Stabilität der Region. Was haben wir dadurch gewonnen? Aus meiner Sicht nicht viel.
Meine Damen und Herren,
Bei meiner Rede letztes Jahr in München habe ich gesagt, dass ich ein Kind des Kalten Krieges bin. Als Kind des Kalten Krieges erinnere ich mich an den enormen Einsatz, den es uns abverlangt hat, unsere Freiheit, unsere Souveränität, unseren Frieden und unsere Stabilität zu verteidigen.
Heute ist die Welt sehr viel komplexer. Die Herausforderungen von heute beschränken sich nicht auf die Nord- oder die Südhalbkugel. Krisen sind heutzutage viel stärker miteinander verknüpft. Konflikte mögen weit entfernt sein, aber ihre Auswirkungen sind es nicht.
Nur gemeinsam haben wir die Chance, unsere Welt zu gestalten. Wir müssen uns dieser Verantwortung stellen. Wir müssen für das einstehen, woran wir glauben: eine Zukunft, in der alle Nationen das Recht haben, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen, eigene Wege zu gehen und ihre eigenen Bündnisse zu wählen.
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