Drei Tage, unzählige Gespräche und bilaterale Treffen – die 56. Münchner Sicherheitskonferenz ist zu Ende gegangen. Das Motto „Westlessness„ bestimmte die Tagesordnung: Wo steht der Westen? Ist er ein Auslaufmodell?
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer rief bei der Konferenz dazu auf, die „Idee des Westens„ zu verteidigen. Die gemeinsamen Werte würden von vielen Seiten herausgefordert. Hinnehmen will sie die Befunde nicht. Es reiche nicht aus, sich über die Schwäche des Westens zu beklagen.
Wir sind nicht neutral, wir sind der Westen.Annegret Kramp-Karrenbauer
Die Staaten müssten „ganz konkret„ etwas für ihre Sicherheit tun. Kramp-Karrenbauer sieht vor allem Europa in der Pflicht. Auch Deutschland muss noch mehr tun – etwa bei der Lastenverteilung im Bündnis und der Durchsetzung von Interessen. „Wir sind nicht neutral, wir sind der Westen.“ Dessen Attraktivität in der Welt sei ungebrochen. Das sehe man schon an den Demonstrationen für westliche Freiheitsrechte in vielen Teilen der Welt. Die Überzeugungen und Instrumente sind da, so die Ministerin. Es fehle aber oft der gemeinsame Wille.
Mit Frank-Walter Steinmeier hielt erstmals seit 2014 der deutsche Bundespräsident eine Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz. In seinem engagierten Plädoyer betonte das Staatsoberhaupt: „Deutschland muss mehr beitragen für die Sicherheit Europas.„ Steinmeier erteilte dem Nationalismus eine klare Absage. Der Rückzug auf nationale Interessen in vielen westlichen Staaten verhindere, gemeinsam zu handeln und in der Welt voranzugehen. Steinmeier appellierte an seine Landsleute und an die Welt: „Europa darf nicht scheitern.“ Europa sei für Deutschland eben nicht nur „nice to have„, Europa sei Deutschlands wichtigstes nationales Interesse und bleibe die beste und einzig gelungene Antwort auf die Lehren der Geschichte.
Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron betonte selbstbewusst die Rolle Europas und forderte ein geeintes und handlungsfähiges „Europa der Verteidigung„. Die Staaten bräuchten eine gemeinsame Strategie – die komplementär zur NATONorth Atlantic Treaty Organization sein solle. Macron hob die Bedeutung der deutsch-französischen Zusammenarbeit hervor. Vor wenigen Jahren sei ein gemeinsames Rüstungsprojekt wie das neue europäische Luftkampfsystem (FCASFuture Combat Air System) noch nicht denkbar gewesen. Macron unterstrich, dass Europa nur souverän sein wird, wenn es militärische Fähigkeiten hat, um sich selber schützen zu können. Europa solle seinen „wirklichen Kern„ definieren und mehr Dynamik entfalten.
NATONorth Atlantic Treaty Organization-Generalsekretär Jens Stoltenberg hob dagegen die transatlantischen Beziehungen und das gemeinsame Bündnis hervor: „Die NATONorth Atlantic Treaty Organization ist die ultimative Verkörperung des Westens.„ Er verwies unter anderem auf die Erfolge der Allianz im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS„Islamischer Staat“). Der IS„Islamischer Staat“ kontrolliere kein einziges Gebiet mehr, aber der Kampf gegen das Terrornetzwerk sei noch nicht zu Ende. Deshalb plane die NATONorth Atlantic Treaty Organization ihre Kräfte im Irak zu verstärken, kündigte Stoltenberg an.
US-Außenminister Mike Pompeo legte Wert darauf, dass seit mehr als 30 Jahren Frieden und Freiheit im Herzen Europas herrscht. Der Kontinent habe sich seit dem Mauerfall 1989 mit amerikanischer Unterstützung erheblich entwickelt. Vor diesem Hintergrund könne keine Rede von einer Krise des transatlantischen Bündnisses sein. Pompeo hob hervor, dass mit der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Großübung DEFENDER Europe 20 derzeit die größte Verlegung von US-Truppen nach Europa seit 25 Jahren stattfinde. Die USA und ihre Partner nähmen die Herausforderungen durch Russland ernst. Mit Sorge blickte US-Verteidigungsminister Mark Esper auf Chinas Rolle in der Welt. Die chinesische Staatsführung benachteilige wirtschaftlich und sicherheitspolitisch viele andere Länder – dem müsse Einhalt geboten werden. Im Hinblick auf die Zusagen nach mehr Offenheit und Transparenz forderte Esper: „Wir müssen dafür sorgen, dass China beim Wort genommen wird.”
Der russische Außenminister Sergej Lawrow forderte in seiner Rede internationale Geschlossenheit angesichts der globalen Krisen und Bedrohungen. Die Stabilität im europäischen Raum sei derzeit nicht gewährleistet, so der Dauergast der Münchner Sicherheitskonferenz. Er verglich die aktuellen Spannungen zwischen Russland und der NATONorth Atlantic Treaty Organization mit dem Kalten Krieg. Es gelte, ein Wettrüsten im Weltall zu verhindern und Gefahren wie Terrorismus oder Epidemien gemeinsam zu überwinden. Lawrow plädierte für eine eurasische Partnerschaft, um die Probleme der Zeit gemeinsam zu lösen. „Wir sollten uns auf das besinnen, was uns verbindet.”
Mark Zuckerberg, Gründer und CEOChief Executive Officer von Facebook, war zum ersten Mal zu Gast. Sein soziales Netzwerk hat 1,9 Milliarden Nutzer. „Wäre Facebook ein Staat, dann wäre er der größte der Welt“, sagte Wolfgang Ischinger, der Leiter der Konferenz. Facebook erscheint vielen als ein globaler Player in Sachen Sicherheit. Zuckerberg sprach über Fake News, Propaganda und Wahlmanipulationen. „Wir müssen wachsam bleiben“. 35.000 Menschen arbeiten, so Zuckerberg, an der Sicherheit von Facebook. Durch künstliche Intelligenz würden jeden Tag eine Million Fake-Accounts erkannt und gelöscht. Facebook sei offen für staatliche Regulierungen, denn es wolle Menschen zusammenbringen und nicht auseinander.
Die Münchner Sicherheitskonferenz hatte noch einen weiteren, neuen Schwerpunkt: Die sicherheitspolitischen Auswirkungen des Klimawandels. Dürren, ansteigende Meeresspiegel, Flächenbrände und Stürme bedrohen Millionen von Menschen weltweit. Laut dem „MSCMunich Security Conference Security Report„ fliehen 28 Prozent aller Binnenflüchtlinge vor den Folgen von Klimaphänomenen. Während es in Afrika um Wasser geht, sorgt die Eisschmelze in der Arktis für Verteilungskämpfe um wertvolle Rohstoffe. Es ist höchste Zeit, so der Tenor mehrerer Gesprächskreise, das Pariser Klimaabkommen umzusetzen. Künstliche Intelligenz, CO2Kohlendioxid-Bepreisung und erneuerbare Energien böten die Chancen, den Klimawandel aufzuhalten.
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